Startseite » News » Betrieb »

Wenn der Kopf schmerzt …

Betrieb
Wenn der Kopf schmerzt …

Am 14. Juni 2023 hat das 58. Kolloquium der Fielmann Akademie Schloss Plön zum Thema Kopfschmerzen stattgefunden. Prof. Dr. med. Dipl.-Ing. (FH) Hans-Jürgen Grein, Leiter Wissenschaft der Fielmann Akademie Schloss Plön, begrüßte rund zweihundert Zuhörer. Im Zuge der optometrischen Anamnese werden immer auch gesundheitliche Einschränkungen erfragt. Dabei spielt das Thema Kopfschmerz regelmäßig eine Rolle.

Betroffene können aufgrund ihrer Kopfschmerzen erhebliche Einschränkungen der Lebensqualität empfinden. Die Ursachen für Kopfschmerzen seien vielfältig und reichen von unkorrigierter Fehlsichtigkeit, über ernsthafte Augenerkrankungen bis hin zu klassischen neurologischen Kopfschmerzerkrankungen. Der erste Referent, Priv. Doz. Dr. med. Carl H. Göbel MB BChir (Hons) MA (Cantab), Facharzt für Neurologie und spezielle Schmerztherapie, Schmerzklinik Kiel, vermittelte in seinem Vortrag, was Augenoptiker über neurologische Ursachen der Kopfschmerzen wissen sollten.

Arten des Kopfschmerzes

Kopfschmerzen seien eine Volkskrankheit, sie gehören zu den häufigsten Erkrankungen des Menschen. Die International Classification of Headache Disorders, ICHD-3, unterscheide 367 Arten des Kopfschmerzes. Diese lassen sich in drei Klassen einteilen: Primäre Kopfschmerzen, die mit 92% den größten Teil ausmachen, Sekundäre Kopfschmerzen sowie Neuralgien und Gesichtsschmerzen. Unter den primären Kopfschmerzen gehöre der Kopfschmerz vom Spannungstyp zu den häufigsten Erscheinungsformen. Frauen seien etwas häufiger betroffen als Männer.

Entgegen der landläufigen Meinung führen die Kopfschmerzen zu muskulären Verspannungen — nicht umgekehrt, erklärte der Mediziner. Die Schmerzen treten in der Regel beidseitig auf und besitzen einen dumpf-drückenden Charakter, so, als sei der Kopf in einen Schraubstock eingespannt. Kopfschmerzen vom Spannungstyp können in Akutsituationen gut behandelt werden, zum Beispiel durch die Massage der Schläfen mit Pfefferminzöl oder die Einnahme von in Apotheken freiverkäuflichen nicht-steroidalen antientzündlichen Präparaten, wie z.B. Paracetamol. Letztere seien jedoch mit Vorsicht zu genießen. Die häufige Einnahme führe zu einer Steigerung der Schmerzempfindlichkeit, was in einen Dauerschmerz resultieren könne. Dieser Effekt werde als Medikamenten-Übergebrauch bezeichnet.

Clusterkopfschmerz und Migräne

Clusterkopfschmerzen zählen zu den schwersten Kopfschmerzerkrankungen. Sie seien durch schwere, einseitige Schmerzen im Bereich der Augen gekennzeichnet. Betroffene beschreiben den Schmerz mit dem Gefühl, ihnen werde ein Messer ins Auge gestochen und umgedreht. Die Schmerzattacken treten periodisch gehäuft auf und dauern bis zu drei Stunden. Typische Begleitsymptome seien tränende Augen, Nasenlaufen oder Verstopfung der Nase. Im Schnitt dauere es acht Jahre, bis die zutreffende Diagnose gestellt werde. Das sei bedauerlich, denn die Erkrankung lasse sich medikamentös gut einstellen.

Als dritte wichtige Kopfschmerzerkrankung mit charakteristischem Schmerzbefund stellte Göbel die Migräne vor. Etwa ein Viertel der Erwachsenen erkranke irgendwann an Migräne, Frauen häufiger als Männer. Die einseitigen Schmerzen zeigen sich pulsierend und hämmernd, gleich einem Presslufthammer im Kopf. Das Auftreten reiche von sporadisch bis hin zu 30 von 30 Tagen im Monat und dauere von drei Stunden bis drei Tage. Bei Patienten mit den am weitesten verbreiteten Migräneformen lassen sich spezifische Veränderungen im menschlichen Erbgut nachweisen. Die Erregbarkeit der Nervenzellen sei gestört. Bei zu schneller oder zu lang andauernder Überlastung könne es zu einem Zusammenbruch der Energieversorgung der Nerven kommen. Als Folge werden schmerzauslösende Botenstoffe ungehindert freigesetzt und verursachen eine Weitstellung der Gefäße und somit die hämmernden Migränekopfschmerzen.

Ein hilfreiches Tool für alle Migränepatienten sei die Migräne-App. Sie ermögliche eine einfache Dokumentation der Erkrankung, helfe bei der Diagnosestellung und unterstütze Patienten dabei zu entscheiden, ob eine Medikamenteneinnahme zur Akuttherapie angezeigt sei.

Akuter Winkelblock

Da Kopfschmerzen oft im Bereich der Augen wahrgenommen werden und mit Sehanforderungen zunehmen, wenden sich Kopfschmerzpatienten häufig an einen Augenarzt. In welchen Fällen die Augen als Auslöser für Kopfschmerzen in Frage kommen, weiß Dr. med. univ. Markus Pölzl, Facharzt für Augenheilkunde, Ärztlicher Leiter und Geschäftsführer nordBLICK Augenklinik Bellevue GmbH, Kiel. Der akute Winkelblock sei vermutlich der häufigste mit unerträglichen Kopfschmerzen verbundene Augenschmerz.

Bei dieser Erkrankung komme es durch eine Blockade des Kammerwasserabflusses im Kammerwinkel zu einem raschen Anstieg des Augeninnendrucks, der sehr schmerzhaft sein könne. Die Diagnosestellung sei einfach, da die Erkrankung immer mit konjunktivaler Rötung, Hornhautödem, Visusminderung und massiv erhöhtem Augeninnendruck einhergehe. Das Auge sei steinhart, weshalb sich die Augeninnendrucksteigerung auch palpatorisch, also durch Betasten des Augapfels, feststellen lasse.

Zu den nicht-okulären Symptomen zählen vegetative Allgemeinsymptome wie Übelkeit und Erbrechen, seltener auch Bauchkrämpfe oder Herzrasen. Der akute Winkelblock sei vor allem eine Erkrankung des höheren Alters, meist im Kontext mit Hyperopie. Die Verlegung des Kammerwinkels werde durch das kurze Auge und die im Alter dicker werdende Augenlinse begünstigt. Der akute Winkelblock sei gut behandelbar. Symptomatisch erfolge eine lokale wie systemische Medikamentengabe zur Drucksenkung. Um den Kammerwasserabfluss zu verbessern, werde mit einem YAG-Laser ein Loch in die Iris geschossen. Diese Maßnahme senke den Augeninnendruck umgehend und massiv. „Nachdem das Loch geschossen wurde, ist der Schmerz schlagartig weg“, eine vergleichbare Erleichterung nach einer Therapie erlebe Pölzl sonst nur selten. Prophylaktisch werde immer auch das Gegenauge gelasert. Auch ein Linsentausch ohne vorhandene Katarakt sei als Prophylaxe bei hyperopen Augen sinnvoll.

Entzündliche Augenerkrankungen

Zu den häufigsten entzündlichen Erkrankungen des Auges zähle die Uveitis. Sie trete als Iritis, Zyklitits oder Iridozyklitis auf. Etwa die Hälfte der Fälle sei idiopathisch, auf die andere Hälfte fallen Traumata, Infektionen oder systemische Erkrankungen, allen voran jene des rheumatischen Formenkreises. Auch Infektionen nach Borreliose nehmen zu. Die Symptome umfassen Visusreduktion, Rötung, Photophobie und Schmerzen. Die Schmerzen treten während der Entzündung auf und werden im, hinter oder um das Auge herum wahrgenommen. Sie setzen schnell ein, seien in der Regel einseitig und von bohrender Qualität. Bei einseitiger, akuter Iritis führe eine Beleuchtung des Partnerauges durch die konsensuelle Pupillenreaktion zu Schmerzen im betroffenen Auge. Zykloplegika, zum Beispiel Atropin, lindern die Schmerzen da sie Iris und Ziliarkörper ruhigstellen. Die weitere Therapie hänge von der Ursache ab, umfasse normalerweise eine Kombination aus lokaler und systemischer medikamentöser Therapie. In schweren Fällen können nicht-steroidale Immunsuppressiva eingesetzt werden.

Das trockene Auge

Die häufigste Ursache für Benetzungsstörungen der Augenoberfläche sei auf eine fehlerhafte Zusammensetzung des Tränenfilms zurückzuführen, allen voran eine Störung der Lipidphase infolge einer Meibomdrüsendysfunktion. Durch das Fehlen der öligen Schicht verdunste die Tränenflüssigkeit schneller. Die Patienten blinzeln häufig, und durch chronische Anspannung der periokulären Muskeln könne es zu Kopfschmerzen kommen. Es handele sich um leichte, eher subtile, chronische Kopfschmerzen, die in ihrer Intensität nicht mit den zuvor beschriebenen vergleichbar seien. Typische Begleitsymptome seien brennende, gerötete Augen sowie eine Zunahme der Beschwerden in lufttrockener Umgebung oder bei anstrengenden Sehanforderungen mit reduzierter Blinzelfrequenz wie Bildschirmarbeit.

Trotz trockener Augen könne es zu vermehrtem Tränenfluss kommen, was viele Patienten schwer verstehen. Die Meibomdrüsendysfunktion als häufigste Ursache des Trockenen Auges sei auch deshalb interessant, weil sie therapeutisch gut zugänglich sei. Die Optionen für eine Therapie gliedere sich in vier Stufen und umfasse zunächst Lidrandhygiene mit pH-neutralen Seifen, Behandlung der Blepharitis und das Tropfen von Tränenersatzmitteln. Frühzeitig kommen auch antientzündliche Medikamente zum Einsatz. Erst als letzte Eskalation der Therapie komme eine Amnionmembran-Transplantation in Frage. Pölzl beschrieb die Therapie des Trockenen Auges als sehr langwierig, sie müsse zudem engmaschig begleitet werden. Hier sehe der Mediziner Chancen für eine Zusammenarbeit von Augenoptikern und Augenärzten.

Kopfschmerzen – ein optometrisches Thema?

„Kopfschmerzen sind auch ein optometrisches Thema“, stellte Ivonne Krawczyk, M.Sc., Dipl.-AO (FH), Dozentin der Fielmann Akademie Schloss Plön zu Beginn ihres Vortrages dar. Auch die ICHD-3 sehe diesen Zusammenhang. So treten Kopfschmerzen unter anderem als Ursache von Brechungsfehlern auf. Darüber hinaus können visuelle Symptome bei Migräne auftreten. Aufgrund der hohen Kopfschmerzprävalenz in der Bevölkerung erhalten Augenoptiker, wenn sie im Rahmen der Anamnese nach Kopfschmerzen fragen, häufig eine positive Antwort. Um die Kunden, die bei Kopfschmerzen von einer optischen Korrektion profitieren können, möglichst sicher aufzudecken, sei eine gründliche Anamnese erforderlich.

Visuell bedingte Kopfschmerzen seien in der Regel leichte Kopfschmerzen, die sich erst im Verlauf der zweiten Tageshälfte einstellen. Kunden geben an, die auslösenden Sehaufgaben zu vermeiden. Darüber hinaus berichten Betroffene über weitere asthenopische Beschwerden. Wörtlich übersetzt bedeute Asthenopie „schwaches Auge“. Die DIN 5340 präzisiere dies und definiere Asthenopie als visuell bedingte, unspezifische Beschwerden mit zum Beispiel Druck- oder Schmerzgefühl in Augen oder Kopf. Auch Schwindel, Photophobie und Augenbrennen sei mit Asthenopie assoziiert.

„Die Beschwerden sind sehr unspezifisch, für sie kommen viele Ursachen in Frage“, erläuterte Krawczyk und leitete zu einer Klassifizierung der Asthenopie von Sheedy über. Er untergliedere die Beschwerden in interne und externe Faktoren. Die internen Faktoren betreffen Brechungsfehler, Stellungsfehler und Akkommodation, die externen Faktoren umfassen die Benetzungsstörungen der Augenoberfläche. „Brechungsfehler sind wesentlich seltener Kopfschmerzursache als allgemein angenommen“, dies sollten Augenoptiker unbedingt bei der Arbeit mit ihren Kopfschmerzkunden im Hinterkopf haben, hob Krawczyk hervor.

Brechungsfehler als Ursache der Asthenopie

Eine besondere Kundengruppe in Bezug auf asthenopische Beschwerden stellen die Anisometropen dar. Durch die Brillenkorrektion ergeben sich unterschiedliche prismatische Belastungen bei Blickbewegungen, die insbesondere bei vertikaler Blickauslenkung zu Problemen führen können. Bei einer Versorgung mit Einstärkengläsern gelinge die Kompensation durch Kopfbewegungen. Bei Gleitsichtgläsern müssen Blickbewegungen erfolgen, um die verschiedenen Sehbereiche zu nutzen. Eine mögliche Lösung bei Unverträglichkeit können Gleitsichtgläser mit kurzer Progression, Slab-Off-Schliff oder eine Verlagerung des Prismenbezugspunktes sein. Korrektionsmittel der Wahl bei Anisometropie seien allerdings Kontaktlinsen. Hier müsse jedoch an Aniseikonie gedacht werden. Eine Messung der Aniseikonie, beispielsweise mit dem Hakentest, sei unbedingt empfehlenswert.

Eine weitere häufige Ursache für asthenopische Beschwerden stellen Heterophorien dar. Heterophorien seien sehr häufig, meist bereiten sie keine Beschwerden. Sie sollten nur korrigiert werden, wenn sie symptomatisch seien. Kopfschmerzen als alleiniges Symptom lassen noch keinen Rückschluss auf Heterophorie zu. Erst in Kombination mit weiteren Symptomen, wie verschwommen Sehen, episodischer Diplopie, monokularem Komfort sowie Schwierigkeiten beim Entfernungswechsel verdichten sich die Hinweise.

Filtergläser bei Migräne

Etwa 80% der Migräne-Patienten berichten über Photophobie während der Kopfschmerzphase. Photophobie umfasse neben der Abneigung gegen helles Licht auch die Abneigung gegen räumliche Muster, allen voran Streifenmuster, Farben und flimmernde, künstliche Lichtquellen. Migräne-Patienten bewerten die Photophobie als belastendstes Symptom nach den Kopfschmerzen. Zur Dämpfung der Photophobie gebe es spezielle Filtergläser, sogenannte FL 41-Filter. Der Einsatz der Filter führe bei vielen Migräne-Patienten zu reduzierter Lichtempfindlichkeit und reduzierter Migränehäufigkeit. FL 41-Filter reduzieren das Licht im Bereich zwischen 480 nm und 520 nm, dem Empfindlichkeitsbereich der melanopsinhaltigen intrinsischen photosensitiven retinalen Ganglienzellen (ipRGC). Diese spezialisierten Ganglienzellen senden ihre Signale an viele zentrale Hirnregionen. Sie werden für die Photophobievermittlung mitverantwortlich gemacht.

Weitere Forschung zu Melanopsin habe gezeigt, dass es sich bei dem Sehfarbstoff um ein bistabiles Molekül handele: bei einer Wellenlänge von 481 nm werde Melanopsin von seinem aktiven in seinen inaktiven Zustand umgewandelt und so die Signaltransduktionskaskade ausgelöst. Bei 587nm erfolge der Rückbau des Moleküls von der inaktiven in seine aktive Form. Diese Erkenntnisse resultieren in der Entwicklung eines Kerbfilters mit Transmissionskerben bei 480 nm und 620 nm. Erste Studienergebnisse aus dem Frühjahr 2023, haben vielversprechende Ergebnisse für die wirksame Anwendung des Kerbfilters bei Migränepatienten gezeigt. Ein weiterer, interessanter Ansatz komme aus Großbritannien. Probanden wählten mit einem intuitiven Colorimeter den für sie individuellen Filter, während sie einen Text auf einem Bildschirm lesen. Dabei bestimmen sie neben dem Farbton auch dessen Sättigung und Helligkeit. Der Einsatz der individuellen Farbfilter habe eine Verringerung der kortikalen Hyperaktivierung bei Migränepatienten gezeigt, die mit keinem anderen Filter reproduzierbar gewesen sei.

Kopfschmerzen stellen unabhängig von ihrer Ursache eine große Belastung für die Betroffenen dar. Selbst ein bisschen Linderung werde als große Erleichterung wahrgenommen, daher lohne es sich, dem Symptom auch aus optometrischer Sicht auf den Grund zugehen, fasste Krawczyk zusammen. Als Augenoptiker sollten wir jedoch stets darauf achten, keine Heilversprechen zu machen.

Das 59. Kolloquium der Fielmann Akademie Schloss Plön findet am 27.September 2023 zum Thema Digital Eye Strain als Web-Seminar statt.


„Brechungsfehler sind wesentlich seltener Kopfschmerzursache als allgemein angenommen.“

Aktuelles Heft


ao-info-Service

Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der ao-info-Service? Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:













Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum ao-info-Service freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des ao-info-Service.
AGB
datenschutz-online@konradin.de