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Die verteilten Rollen im Team

Erfolgreich in die Zukunft durch Spezialistentum (IV)
Die verteilten Rollen im Team

Die ersten drei Teile unserer Serie haben sich mit der Frage beschäftigt, wie wir einen Expertenstatus aufbauen, der auch zu unseren persönlichen Talenten passt. Wem nämlich das Talent fehlt, der kommt auf dem Weg zum Experten genauso wenig oben an wie derjenige, dem zwischenzeitlich der Dampf ausgeht.

Noch offen geblieben ist bislang allerdings die Frage, was wir denn tun können, wenn wir wichtige Komponenten auf dem Weg der Expertenqualifizierung nicht abdecken können:

Einer der einfachsten und elegantesten Abhilfe-Wege besteht darin, die Dinge, die wir weniger gut beherrschen, an Menschen abzugeben, die genau dort ihre Stärken haben.
So einleuchtend dieser Ansatz in der Theorie ist, so selten funktioniert er in der Praxis. Denn wir alle unterstehen dem Prinzip:
„Menschen mögen Menschen, die so sind wie wir!“
Wenn Sie also ein sehr kreativer und innovativer Mensch sind, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Sie im Arbeits-, Freundes- und Bekanntenkreis mit den Menschen auf einer Wellenlänge sind, die ein genau solches Ideenbündel sind, wie sie selbst: Wie inspirierend ist es doch, einen ganzen Abend lang mit einem Seelenverwandten ein Feuerwerk an Ideen abzubrennen: „Was man alles im Vertrieb machen könnte, wenn man nur mal die Gelegenheit dazu hätte…“ Und wie dröge und langweilig ist es dagegen, den ganzen Abend mit jemand verbringen zu müssen, der überhaupt keine eigenen Ideen hat: Mit jemand, der bei unserer ersten Idee innehält, sie sorgfältig prüft und dann langsam Schritt für Schritt einen Umsetzungsplan entwickelt. Wir sind schon bei Idee Nr. 37, während dem Drögen alles zu schnell geht und er immer noch nicht weiß, ob sich unser fantastischer erster Gedanke realisieren lässt. Umgekehrt ist es natürlich ähnlich: Aus der Sicht eines ergebnisorientierten Umsetzers sind alle Ideenorientierten, die sich an ihren eigenen Innovationen „besoffen quatschen“ können, aber nie bis zur Umsetzung kommen, die reinsten Spinner.
Rein rational leuchtet den Beteiligten vielleicht sogar ein, dass sie ein ideales Gespann wären: Der Ideenmensch braucht einen Umsetzer oder Macher, damit seine kühnen Pläne nicht heiße Luft bleiben, und eine Gruppe von Machern und Umsetzern braucht einen Impulsgeber, der neue Ideen und damit neues Leben in die Bude bringt: In einer sich stark verändernden Welt ist nämlich ohne innovative Konzepte bald nichts mehr zum Umsetzen da.
Das Experten-Team
Die Frage, wie sich Menschen mit unterschiedlichen Talenten und Begabungen optimal zu einem starken Expertenteam ergänzen können, ist bislang in der Fachliteratur wenig erörtert worden. Bahnbrechende Erkenntnisse hierzu stammen von dem britischen Wissenschaftler Dr. Meredith Belbin, den viele für den Vater der Theorie der Teamarbeit halten.
Belbins Verdienst ist es, als einer der ersten darauf aufmerksam gemacht zu haben, dass sich viele Firmen immer noch ausschließlich mit der Leistung, der Erfahrung und der Qualifikation von Individuen beschäftigen. Sie widmen sich der Auswahl, der Entwicklung, dem Training, der Motivation und der Beförderung einzelner. Sie diskutieren ihre Stärken und Schwächen, obwohl alle in ihrem Inneren wissen, dass es das ideale Individuum für eine zu besetzende Stelle kaum jemals gibt. Viele wichtige Managementeigenschaften (z.B. schnelles Entscheiden und gründliches Nachdenken, Verständnis für den einzelnen und Durchsetzungsstärke im Interesse der Sache, ein geborener Redner und ein gute Zuhörer, etc.) schließen sich nämlich gegenseitig weitgehend aus.
Belbin hat zur Entwicklung seiner Teamrollentheorie mehr als neun Jahre Primärforschung betrieben und 212 Versuchsteams genauso sorgfältig analysiert wie 70 Firmenteams von Unternehmensleitern. Das daraus entwickelte Teamrollen-Konzept erlaubt uns heute, ganz gezielt Erfolgsteams zusammenzustellen. Darüber hinaus bietet die Teamrollentheorie wichtige Hintergründe für viele Erfahrungen, die die meisten von uns schon mit Teams gesammelt haben. Wie z.B.:
Die Erfahrung, dass fünf hoch qualifizierte Spitzenleute, die zu einer Gruppe zusammengefügt werden, als Team nur wenig zustande bringen.
Die Beobachtung, dass eher durchschnittliche Performer in einem Team zu einer gemeinsamen Hochform mit Top-Ergebnissen auflaufen können.
Die Erfahrung, dass mit den „Wegbefördern“ eines Teammitgliedes eine ganze Mannschaft nicht mehr funktioniert.
Die Erfahrung, dass mit dem Neueintritt eines Mitgliedes die Team-Performance dramatisch sinkt (oder auch – umgekehrt – deutlich steigt).
Die Teamrollen in der Praxis
Schauen wir uns also einmal an, welche unterschiedlichen Talente und damit verbundenen Schlüsselrollen Belbin in Arbeitsteams herausgearbeitet hat:
  • 1. Der Neuerer und Erfinder: Ein genialer, phantasievoller Mensch mit großem Denkvermögen. Er ist eher ernst, individualistisch und zeichnet sich oft durch ein unorthodoxes Vorgehen aus. Manchmal ist er mit seinen Gedanken jedoch woanders, und neigt dazu, praktische Details zu übersehen.
  • 2. Der Wegbereiter und Weichensteller: Er ist ein wahres Kontakttalent. Er greift gerne neue Ideen auf, reagiert auf Herausforderungen und stellt interne und externe Kontakte her. Er ist begeistert, kommunikativ und extravertiert. Sein Nachteil ist, dass er schnell das Interesse verliert, wenn die Anfangsbegeisterung nachgelassen hat.
  • 3. Der Koordinator und Integrator: Stellt schnell die individuellen Talente der Gruppenmitglieder fest, und weiß die Stärke des einzelnen geschickt einzubringen. Er ist selbstsicher, vertrauensvoll und hat einen ausgeprägten Sinn für Ziele. Er ist nicht überdurchschnittlich intelligent und kreativ (ein Profil, das Belbin bei vielen Vorstandsvorsitzenden angetroffen hat!)
  • 4. Der Macher: Hat einen starken inneren Antrieb. Er übt Druck aus und bekämpft Selbstzufriedenheit, Trägheit und Ineffizienz. Er ist dynamisch, aufgeschlossen und oft stark angespannt. Er neigt mit seiner Art zu Provokationen und Irritationen und ist teilweise auch unaufmerksam.
  • 5. Der Spezialist: Die Teamrolle, die Belbin als letztes entdeckt hat – ist jemand, der auf seinem Fachgebiet über herausragendes Spezialwissen verfügt. Typischerweise arbeitet er gerne allein vor sich hin und interessiert sich auch nicht sehr für Projektbelange, die jenseits seines Fachgebiets liegen.
  • 6. Der Umsetzer ist selbstdiszipliniert und arbeitet hart daran, Ideen in die Tat umzusetzen. Er ist berechenbar, pflichtbewusst und konservativ. Er ist etwas unflexibel und lehnt unbewiesene Ideen ab.
  • 7. Der Teamarbeiter hat die Fähigkeit, mit unterschiedlichen Menschen und Situationen fertig zu werden. Durch seine umgängliche, sanfte und empfindsame Art fördert er den Teamgeist, ist aber genau deswegen bei Zerreißproben im Team nicht entscheidungsfähig.
  • 8. Der Beobachter ist ein besonnener und scharfsinniger Stratege. Zu seinen Stärken zählen Urteilsvermögen, Nüchternheit und Diskretion. Oft mangelt es ihm an Antriebskraft und der Fähigkeit, andere zu inspirieren.
  • 9. Der Perfektionist ist sorgfältig, ordentlich, gewissenhaft, aber auch etwas ängstlich. Er stärkt das Team durch seine Fähigkeit, Dinge vollständig und perfekt zu erledigen, hat jedoch die Tendenz, sich schon über kleine Dinge Sorgen zu machen.
Im Laufe seiner jahrelangen Recherchen hat Meredith Belbin folgendes festgestellt: Bei den meisten Menschen sind – von der Ausprägung ihrer Begabungen her – zwei bis drei Teamrollen ziemlich stark ausgeprägt, in denen sie gute Leistungen bringen können. Weitere zwei bis drei Teamrollen können von ihnen ausgefüllt werden, wenn es dem Team daran insgesamt mangelt. Bei den übrig bleibenden Teamrollen ist keine positive Performance zu erwarten.
Belbins Erkenntnisse haben uns in der Praxis bei der Zusammenstellung von Führungsteams ausgezeichnete Dienste geleistet: Eine Erfahrung haben wir dabei immer wieder bestätigt gefunden: Es bringt überhaupt nichts, Marketing-Strategiekonzepte zur Expertenpositionierung zu entwickeln, wenn das Führungsteam nicht in der Lage ist, diese Konzepte auch umzusetzen. Ob diese Umsetzungsfähigkeit besteht, lässt sich vorher mit einem Teamrollenprofil klären. Sollten wichtige Umsetzungsfähigkeiten fehlen, lässt sich das Teamprofil desjenigen bestimmen, der die Mannschaft gezielt verstärken könnte.
Typische Indikatoren für unproduktive und erfolglose Teams sind:
  • Ein Integrator, der von dominanten Machern unter Druck gesetzt wird.
  • Zwei Erfinder in einem Team, von denen der eine den anderen dominiert.
  • Ein Team von lauter Teamarbeitern und Umsetzern mit einem Beobachter als Vorsitzendem (das Team wird nichts Neues entwickeln).
  • Ein Teamarbeiter, der nur Teamarbeiter, Umsetzer und Perfektionisten in der Mannschaft hat (eine glückliche Firma mit Angst vor Entscheidungen).
  • Nur Wegbereiter und Erfinder in einem Team (viel reden, wenig tun).
Erfolgreiche Teams zeichneten sich demgegenüber dadurch aus, dass sie die Position des Vorsitzenden mit einem guten Integrator besetzt haben, einen kreativen und intelligenten Erfinder in ihren Reihen wussten, noch mindestens einen anderen „guten Denker“ dabei hatten, der Sparringpartner für den Erfinder sein konnte (aber selber nicht Erfinder war und dem anderen deswegen seinen Rang nicht streitig machen würde), mindestens einen guten Umsetzer an Bord hatten.
Die besten Leistungen brachten übrigens die Teams, die sich nach Belbin ihre Teamrollen mit Stärken und Schwächen gezielt bewusst gemacht hatten und sich deshalb zu großen Teilen selbst steuern konnten.
Fazit: Marketingstrategien und Konzepte nur am Profil des Marktes auszurichten und das Leistungsprofil derjenigen außer acht zu lassen, von denen die erfolgreiche Umsetzung abhängt, greift erheblich zu kurz. Marketing-Konzepte zum Aufbau eines Expertenstatus müssen genauso am Markt ausgerichtet sein wie am Talentprofil des einzelnen Experten und der gesamten Umsetzungsmannschaft.
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