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Die Mittelschicht schrumpft – sinkt auch der Umsatz?

Einkommensentwicklung in Deutschland, Teil 2 - Schluss
Die Mittelschicht schrumpft – sinkt auch der Umsatz?

Eine Pressemitteilung des DIW (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung) in Berlin lässt aufhorchen. Die Überschrift lautet: „Einkommensentwicklung in Deutschland: Die Mittelschicht verliert.“ Aber wer oder was ist die Mittelschicht und welche Auswirkung hat die Veränderung in diesem Bevölkerungssegment für die Kaufkraft, die letztlich Ziel jedes unternehmerischen Handels sein muss.

Prognosen
Nachfolgend die Prognosejahre 2010, 2020, 2030, 2040 und 2050. Sicherlich wird der eine oder andere Leser einwenden, dass eine Strategie für rund 50 Jahre wenig sinnvoll ist.

Hier stimmt der Autor gerne zu, so dass ein Schwerpunkt auf die Prognosewerte ‚bis 2010’ und ‚bis 2020’ in den wesentlichen Aussagen erfolgen soll. Als Basisjahr dient das Jahr 2003 – leider gibt es in der Statistik meist nicht allzu aktuelle Daten, da der Erhebungs- und Auswertungsaufwand recht groß ist. Somit wird auch – obwohl wir uns bereits im Jahre 2012 befinden – in diesem Modell das Jahr 2010 prognostiziert – siehe Tabelle 4.
Die Gesamtzahl der Haushalte wird für das Jahr 2003 mit 38,1 Mio. angebenden. Für das Jahr 2010 geht man von 39,7 Mio. und 2020 von 40,2 Mio. aus.
Langfristig wird ein nicht unerheblicher Rückgang prognostiziert. Betrachtet man die unterschiedlichen Altersgruppen nach dem Haupteinkommensbezieher/in, so zeigen sich bereits in diesem relativ geringen Zeitraum durchaus nennenswerte Unterschiede.
Während die Gruppe ‚unter 35’ zunächst eine steigende Tendenz ausweist um dann zu stagnieren (2003: 6,4 Mio.; 2010: 6,8 Mio.; 2020: 6,8 Mio.), reduziert sich die Gruppe der Haushalte mit dem Haupteinkommensbeziehrs/in ‚35–50’ Jährigen von 12,5 Mio. über 12,4 Mio. auf 10,3 Mio.
Die Gruppe ‚50–60’ nimmt bis 2020 auf 7,8 Mio. Haushalte zu während die Gruppe ‚60–65’ im Vergleich 2003 zu 2020 mit rund 3,1 Mio. Haushalten stagniert. Gleiches gilt tendenziell für die Gruppe ‚65–75’.
Die Altersgruppe ‚75+’ nimmt dem entgegen von 4,2 Mio. (2003), über 5,0 Mio. (2010) auf 6,4 Mio. (2020) erheblich zu.
Strategische Entscheidung fällen
Um eine strategische Entscheidung fällen zu können, auf welches Marktsegment oder welche Marktsegmente man sich konzentrieren will, um den eigenen Betrieb betriebswirtschaftlich fundiert eine geeignete Marktausrichtung zu geben, sind also die demographische Entwicklung und die Einkommensveränderungen der Haushalte parallel zu betrachten, da diese gleichförmig, aber auch unterschiedlich verlaufen können, was das Kaufkraftpotential für den privaten Verbrauch überproportional steigen, aber auch kompensieren kann.
Der Tabelle 4 sind die Anzahl der Haushalte sowie die prognostizierten monatlichen realen Einnahmen für den privaten Verbrauch in Euro für die Jahre 2003 (tatsächlich) sowie 2010, 2020, 2030, 2040 und 2050 aufgelistet.
Daraus wurde dann das potentielle Umsatzvolumen für die Gesamthaushalte, sowie einer Differenzierung nach Altersstufen des Haupteinkommensbeziehers (unter 35; 35 bis unter 50; 50 bis unter 60; 60 bis unter 65; 65 bis unter 75; 75+) erstellt.
Die Potentialgrößen weisen somit die Schätzungen von zwei Determinanten aus, der Entwicklung der Anzahl der Haushalte und deren Strukturen – wie sie bereits definiert wurden – und die realen monatlichen Einkommensentwicklungen im Laufe der Jahre.
Die Daten der Haushaltsentwicklungen lassen sich relativ gesichert schätzen, da sie zu einem Großteil auf bereits erfolgte Geburten basieren und nur durch außergewöhnliche Ereignisse in ihrer Entwicklung verändert werden können. Einen etwas größeren Unsicherheitsfaktor beinhalten die Schätzungen der realen Einkommen.
Die Beschreibung und Interpretation der Entwicklung der Haushalte erfolgte bereits im Rahmen der Darstellung hinsichtlich der Prognosen bis zum Jahre 2050. Für die Entwicklung des Einkommens und des Vermögens wurde ein einheitliches Wachstum von 1,5 Prozent pro Jahr und ein unterdurchschnittliches Wachstum der Renteneinkommen angenommen. Somit kann nunmehr eine Beschränkung auf die Interpretation des monatlichen Kaufkraftpotentials in den einzelnen Altersklassifikationen erfolgen.
Beim Gesamtpotential wird für den Zeitraum 2003 bis 2050 – trotz zunächst steigender, dann aber sinkender Anzahl der Haushalte – insgesamt eine mehr als Verdoppelung des Kaufkraftpotentials ermittelt. So steigt das Einkommen für den privaten Verbrauch pro Monat von 82,0 Mrd. Euro auf 167,6 Mrd. Euro. Um aber strategische Überlegungen durchführen zu können, bedarf es der Differenzierung nach den unterschiedlichen Haushaltsdefinitionen.
Zeitraum bis 2020
Konzentrieren wir uns auf den Zeitraum bis 2020, der eine kurz- und mittelfristige Strategieplanung ermöglicht. Die zur Verfügung stehenden realen Einkommen pro Monat werden von 2010 zu 2020 um geschätzte 17,9 Prozent von 96,0 Mrd. Euro auf 113,2 Mrd. Euro pro Monat steigen.
Aus Tabelle 5 ist zu erkennen, dass bei der Haushaltsgruppe, deren Haushaltshaupteinkommensbezieher unter 35 Jahren liegt, die Einkommen von 13,3 Mrd. Euro um 15,0 Prozent auf 15,3 Mrd. Euro steigen.
Hingegen wird bei der Altersgruppe ‚35 bis unter 50 Jahren’ ein Rückgang um –3,6 Prozent von 33,3 Prozent auf 32,1 Prozent erwartet. Neben den leicht rückläufigen
Tendenziell ist aber zu beachten, dass diese Gruppe mit 32,1 Mrd. Euro immer noch mehr als das doppelte an Potential ausweist, als die Haushaltsgruppe ‚unter 35 Jahre’ mit 15,3 Mrd. Euro.
Einen wesentlichen Anstieg lässt sich der Prognose für die Haushaltsgröße ‚50 bis kleiner 60 Jahre’ entnehmen, die im vergleich 2010 auf 2020 von 19,5 Mrd. Euro monatlich um 31,8 Prozent auf 25,7 Mrd. Euro steigt. Mit diesem Wert erreicht diese Gruppe auch die zweitwichtigste Umsatzgröße in diesem Vergleich.
Aus Tabelle 6 ist zu entnehmen, dass die Gruppe ‚60 bis unter 65’ mit 43,8 Prozent von 6,4 Mrd. Euro auf 9,2 Mrd. Euro steigt – die Haushaltsgruppe ‚65 bis unter 75 Jahre’ von 14,2 Mrd. Euro auf 15,9 Mrd. Euro, was einem Anstieg von 12,0 Prozent entspricht.
Schließlich wächst die Haushaltsgruppe 75+ um 51,1 Prozent (!) von 8,8 Mrd. Euro auf 13,3 Mrd. Euro, liegt damit bei den Umsatzgruppen aber noch relativ weit im hinteren Feld mit einer nicht übertragenden Bedeutung.
Bezieht man also die Anzahl der Haushaltseinteilungen und die erwarteten Einkommen in die Betrachtung ein, so werden bis 2020 die Gruppen ‚35 bis unter 50’ und ‚50 bis unter 60’ das Einkommenspotential dominieren.
Weitere Prognosezeiträume
Ganz anders sieht die Situation aus, wenn man tatsächlich auch die weiteren Prognosezeiträume betrachtet. Hier nimmt die Altersgruppe 75+ eine zunehmend stärkere Stellung ein, so dass letztlich vom Einkommensvolumen her, diese im Jahre 2050 mit 28,6 Mrd. Euro pro Monat nach den Altergruppen der Haushalte ‚35 bis unter 50’ mit 44,9 Mrd. Euro, aber fast gleich auf mit der Altersspezifikation ‚50 bis unter 60’ eine wichtige Zielgruppe bietet.
Aber um es noch einmal zu untersteichen, der Rückgang der Haushaltszahl ist insbesondere in der Altersgruppe der ‚35 bis unter 50 Jährigen’ merklich. Hier beträgt der Rückgang rund 3,4 Millionen. Entgegengesetzt ist die Entwicklung bei den 75 Jährigen und Älteren. Hier steigt die Zahl der Haushalte von 4,4 Millionen. Der Rückgang bei den Haushalten im Bereich ‚35 bis unter 50’ wird durch steigende reale Einkommen mehr als kompensiert, bei der Altersgruppe 75+ so gar sehr stark forciert.
Wie die DIW Untersuchung im Detail zeigt, ergibt sich für die einzelnen Gütergruppen durch den demographischen Effekt, mit Ausnahme der Ausgaben für Gesundheitspflege, ein Rückgang je Haushalt. Die Einkommensentwicklung ist bei dieser Aussage nicht berücksichtigt. Von Veränderungen des verfügbaren Einkommens sind daher auch Veränderungen in der Konsumstruktur zu erwarten.
Um aber noch genauere Aussagen für den Bereich der Sehhilfen zu erlangen, sollen noch einmal die Entwicklung für die Gesundheitspflege als Referenzgröße betrachtet werden. Der bereits beim demographischen Effekt beobachtete Anstieg des Anteils bei der Gesundheitspflege bei älteren Haushalten an den Gesamtkonsumausgaben, wird durch die Veränderung des verfügbaren Einkommens und der damit einhergehende Änderung der Konsumstruktur noch unterstreichen.
Ausgaben für die Gesundheit als Referenzgröße
Nehmen wir noch einmal die Ausgaben für die Gesundheit als Referenzgröße für das Ausgabeverhalten für Sehhilfen, so wird deutlich, dass es sich um einen stark wachsenden Markt handelt. Durchschnittlich nehmen die prognostizierten Gesamtausgaben in absoluten Zahlen von 83 Euro in 2003 auf 289 Euro in 2050 zu, was einem Anstieg um rund 250 Prozent entspricht.
In den Untersuchungsgruppen, die nach dem Alter des Haupteinkommensbeziehers untergliedert sind, ergeben sich dabei durchaus nennenswerte Abweichungen, wobei das Anfangsniveau der Ausgaben zu berücksichtigen ist.
Grundsätzlich ist in allen Gruppen durchgängig ein steigendes Niveau zu verzeichnen, wobei in den älteren Bezugsgruppen höhere absolute Werte ausgewiesen werden, was der Notwendigkeit zusätzlicher Gesundheitsleistungen mit steigendem Alter entspricht.
Liegt der Anteil der Gesundheitsleitungen bei den Haushalten mit der der Altersklassifizierung ‚unter 35’ im Jahre 2003 auf die gesamten Konsumausgaben in dieser Gruppe bei 2,32 Prozent und steigt für das Jahr 2050 auf 4,87 Prozent, so liegt dieser Wert für das Jahr 2003 der Gruppe ‚75+’ bei 6,03 Prozent und steigt auf 8,72 Prozent an.
Die weiteren Altersabstufungen bewegen sich in diesem gerade beschriebenen Rahmen. Natürlich sind bei diesen Angaben auch wieder die Entwicklungen hinsichtlich der Anteile der Altersgruppen an der Gesamtzahl der Haushalte zu berücksichtigen.
Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse
Die zuvor gemachten Darstellungen und Ausführungen haben gezeigt, dass die Kaufkraft ein sehr komplexes Thema ist, das viele Facetten und Determinanten beinhaltet. Voreilige Entschlüsse können zu fatalen betriebswirtschaftlichen Konsequenzen führen, hat man das Gesamtbild nicht ausführlich von allen Seiten betrachtet und analysiert.
Strategische Fehlentscheidungen für die zukünftige Betriebsentwicklung lassen sich nicht mehr korrigieren – und wenn doch, dann nur mit sehr hohem finanziellen und zeitlichen Einsatz. Dies sollte man sich ersparen.
Der Satz: Je mehr Einwohner eine Region hat und je höher deren Pro-Kopf-Kaufkraft ist, desto attraktiver ist diese für das Handwerk und den Handel, trifft den Kern der Aussage.
Doch kann man das Pro-Kopf-Einkommen als Gesamtgröße nicht allein betrachten, sondern eine differenzierte Vorgehensweise ist notwendig, um gezielte Teilmengen der Bevölkerung anzusprechen, die für den eigenen Betrieb der Umsatzbringer sein soll. Dabei müssen die neu auf dem Markt hinzugekommenen Konkurrenten aus den verschiedensten Bereichen der Wirtschaft mit in die Entscheidung einbezogen werden.
Man muss sich als Betriebsinhaber – aber ganz besonders als Betriebsgründer – darüber im klaren sein, dass es sich nunmehr um einen Käufermarkt und nicht mehr um einen Verkäufermarkt handelt – und verschärfend kommt hinzu, dass der Markt als gesättigt anzusehen ist. Reale Marktausweitungen sind zurzeit unwahrscheinlich.
Auch darf man nicht vergessen, dass nunmehr eine konjunkturelle Abhängigkeit beim Verkauf von Sehhilfen besteht, also eigentlich ein Wechsel von der Abhängigkeit von den gesetzlichen Vorgaben und den Krankenkassen stattgefunden hat. Jeder mag für sich die Vor- und Nachteile abwägen.
Die ökonomische Struktur ist einem Wandel unterzogen und es entwickelt sich eine Polarisierung zwischen den höheren und niedrigeren Einkommen, wobei die Einkommen der oberen Hälfte der Einkommensbezieher schneller wachsen als die untere Hälfte – die Mittelschicht schwindet.
Wie die Betrachtung gezeigt hat, hat sich neben der Höhe der Nachfrage auch die Struktur im Zeitablauf deutlich verändert und diese Veränderung beruht offensichtlich nicht allein auf den demographischen Veränderungen.
Eine entscheidende Einflussgröße der Konsumstruktur, also der Anteil einzelner Gütergruppen am gesamten privaten Verbrauch, bildet die Höhe des gesamten privaten Verbrauch, die selbst wiederum wesentlich durch das verfügbare Einkommen bestimmt wird.
Bei der Planung der eigenen Zielgruppe für den Betrieb sind neben der demographischen Entwicklung auch die Einkommensentwicklung und die Verhaltensenderungen im Konsum von besonderer Bedeutung, wie die zuvor gemachten Ausführungen unterstrichen haben.
Weitere Ursachen solcher Veränderungen können Veränderungen im Vermögen, Veränderungen des Verhaltens, die nicht auf Änderungen des Einkommens beruhen, Preisänderungen und das Aufkommen neuer Güter bilden.
Nicht allein die relative Zu- oder Abnahme der Bevölkerungsgruppen, sondern auch die absolute Größe an sich und das verfügbare Einkommen sind in der Planung unbedingt mit einzubeziehen, um verlässliche Prognosen erstellen zu können.
Erst das Produkt aus der Bevölkerungszahl einer Bevölkerungsgruppe mit dem zu erwartenden verfügbaren Einkommen für Konsumzwecke – unter Beachtung möglicher Änderungen Im Konsumverhalten – macht eine gesicherte Planung möglich.
Auch sollte man bei den Betrachtungen nicht zu weit in die Zukunft planen, eine kurz- und/oder mittelfristige Planung reicht zumeist aus – langfristige Planungen sind mit zu vielen Unsicherheitsfaktoren verbunden.
Notwendig ist auch die Betrachtung des so genannten Mikrobereichs der Bevölkerung hinsichtlich des Umsatzpotentials. Externe Hilfen durch Berater können durchaus hilfreich sein, aber es bedarf auch einer kritischen Hinterfragung der angebotenen Leistungen.
Es bleibt festzustellen, dass eine genaue betriebswirtschaftliche Planung in Zukunft von existenzieller Bedeutung sein wird, da die Märkte noch enger werden und die Konkurrenz – sei sie aus dem ‚eigenem Haus’ oder aus anderen wirtschaftlichen Bereichen – weiter zunehmen wird.
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