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„Kontaktlinsenversorgung bei Kindern“

22. Fielmann Akademie Kolloquium
„Kontaktlinsenversorgung bei Kindern“

„Kontaktlinsenversorgung bei Kindern“
Die Referenten und Betreuer des Workshops beim 22. Fielmann Kolloquium (von links): Dipl.-Ing. (FH) Teresa Hübner , Dr. Dipl.-Ing. (FH) Christian Kempgens, MSc Dipl.-AO (FH) Sylvia Wulf, Dipl.-AO (FH) Kerstin Hammermann, Dipl.-Ing. (FH) Uwe Bischoff, Dr. med. Hans-Walter Roth, staatl. geprüfter Augenoptiker und Augenoptikermeister Uwe Brach, Augenoptikermeister Lars Jung und Prof. Dr. med. Dipl.-Ing. (FH) Hans-Jürgen Grein
Das 22. Fielmann Akademie Kolloquium fand am 28. Mai 2013 auf Schloss Plön statt. An diesem Nachmittag stand das Thema „Kontaktlinsenversorgung bei Kindern“ im Mittelpunkt und wurde im Rahmen von vier Fachvorträgen aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet. Welche rechtlichen Vorschriften sind bei der Kontaktlinsenanpassung bei Kindern zu berücksichtigen? Welche Indikationen gibt es? Bedarf es spezieller Anpasstechniken? Ist die Zusammenarbeit mit den jungen Kunden wirklich komplexer als mit Erwachsenen? Insgesamt 120 Augenoptiker, Industrievertreter und Augenärzte waren der Einladung nach Plön gefolgt, um Antworten auf diese und weitere Fragen zu erhalten.

Im Rittersaal des Schlosses hieß Prof. Dr. Hans-Jürgen Grein, Leiter des Bereichs Wissenschaft und Lehre an der Fielmann Akademie Schloss Plön, das interdisziplinäre Publikum herzlich Willkommen und gab einen kurzen Überblick über das geplante Programm.

Dr. Christian Kempgens, Dozent für Kontaktlinsenlehre an der Fielmann Akademie Schloss Plön, gelang mit seinen Ausführungen zu „Scharfen Linsen für kleine Würstchen“ ein schwungvoller Einstieg in die Vortragsreihe. Zunächst berichtete Kempgens von seinen vierjährigen Zwillingssöhnen, deren Aufmerksamkeit leicht mit ein paar weichen „Spiellinsen“ geweckt werden konnte.
Kempgens Erfahrung nach lassen sich Kinder im Kindergarten- und Grundschulalter in der Regel neugierig auf das „Abenteuer“ Kontaktlinsenanpassung ein, sind sehr geschickt in der Handhabung und kümmern sich oft sogar voller Stolz eigenständig um die Pflege ihrer Linsen. Schaffe es der Anpasser, Kinder spielerisch an Kontaktlinsen heranzuführen und zu begeistern, böten sich für beide Seiten viele Chancen, so Kempgens.
Stark fehlsichtige Kinder profitierten von den im Vergleich zur Brille guten Abbildungseigenschaften von Kontaktlinsen, die sich positiv auf die visuelle, motorische und geistige Entwicklung auswirkten. Schwere Sehbeeinträchtigungen, die beispielsweise bei kindlicher Aphakie drohen, könnten durch Kontaktlinsen eingegrenzt werden und in Bezug auf die progressive Myopie bestünde Hoffnung auf baldige Therapiemöglichkeiten durch Orthokeratologie- oder Multifokallinsen.
Außerdem seien auch für Kinder häufig die kosmetischen und praktischen Vorteile von Kontaktlinsen bedeutsam. Gelänge es dem Anpasser, die jungen Kunden durch Kompetenz und Begeisterung zu binden, so gewinne er nicht selten weitere Kontaktlinsenkunden in der Familie des versorgten Kindes. Betriebswirtschaftlich gesehen seien Minderjährige wertvolle Multiplikatoren.
Weiter erklärte Kempgens Wissenswertes zu den rechtlichen Rahmenbedingungen bezüglich der Kontaktlinsenversorgung bei Kindern. Unter welchen Voraussetzungen Kontaktlinsen über die gesetzliche Krankenversicherung abgerechnet werden können, sei in den Hilfsmittelrichtlinien aufgeschlüsselt. Hier würde zunächst zwischen Kontaktlinsen zur Verbesserung der Sehschärfe und therapeutischen Kontaktlinsen unterschieden. Die Regelversorgung mit Kontaktlinsen zur Verbesserung der Sehschärfe bestünde in der Anpassung formstabiler Einstärken-Kontaktlinsen. Zusätzlich müsse mindestens eine der in den Hilfsmittelrichtlinien aufgeführten Indikationen erfüllt sein, damit ein Festbetrag für die Kontaktlinsen von der Krankenkasse erstattet werden könne. Therapeutische Kontaktlinsen, die der Behandlung von Augenverletzungen und -erkrankungen dienten, würden nur über einen Kostenvoranschlag mit der gesetzlichen Krankenversicherung abgerechnet.
Mindestens ebenso neu wie die rechtlichen Rahmenbedingungen waren für den überwiegenden Teil der Zuhörerschaft einige bislang selten erhobenen Marktdaten zum Geschäftsbereich Kontaktoptik bei Kindern.
Die von Kempgens vorgestellten Zahlen entstammten einer im Jahre 2005 von Sickenberger et al. durchgeführten Befragung unter 45 Kontaktlinsen-Instituten. Den Ergebnissen zufolge sei eine Aphakie nach operativ behobener congenitaler Katarakt die häufigste Indikation für eine Kontaktlinsenversorgung bei Babys und Kleinstkindern. Ab einem Alter von vier Jahren lautete die überwiegende Indikation „Ametropie“. Die ersten Kontaktlinsenanpassungen auf eigenen Wunsch der Kinder erfolgten im Alter zwischen sieben und elf Jahren. Unabhängig von der Altersgruppe würden bei Minderjährigen in 40 bis 60% der Fälle formstabile Kontaktlinsen angepasst – eine Beobachtung, die stark vom Gesamtmarkt abweiche und zum Teil auf die Vorgaben in den Hilfsmittelrichtlinien zurückzuführen sei.
Medizinische Aspekte
Im folgenden Vortrag widmete sich Dr. med. Hans-Walter Roth aus Ulm in seiner Präsentation den medizinischen Aspekten bei der Kontaktlinsenversorgung von Kindern. Roth, Augenarzt und Leiter des Instituts für wissenschaftliche Kontaktoptik in Ulm sowie Fachjournalist und Vorsitzender des Redaktionsbeirats der Fachzeitschrift Der Augenspiegel, kann bislang auf nahezu 500 Veröffentlichungen verweisen.
Zu Beginn gab Roth einen Überblick über oft gestellte ophthalmologische Diagnosen, bei denen eine Versorgung mit Kontaktlinsen förderlich für eine möglichst normale Entwicklung des visuellen Systems sei. Hierbei ging Roth besonders auf Aphakie nach Kataraktchirurgie, juvenilen Keratokonus, hohe Ametropien sowie Irisdefekte ein. Der erfahrene Augenarzt betonte die Wichtigkeit des sofortigen Einsatzes von Sehhilfen direkt nach der Diagnosestellung. Der Grund läge in der rasanten Ausbildung sämtlicher Sehfunktionen in den ersten Lebensjahren. Greife man nicht rechtzeitig ein, drohe eine Amblyopie, so Roth.
Im Hinblick auf Kontaktlinsen spräche dank moderner, hochgasdurchlässiger Materialien nichts dagegen, dieses Hilfsmittel bereits bei Säuglingen einzusetzen. Bezüglich der Anpasstechnik sei darauf zu achten möglichst große Kontaktlinsendurchmesser und –radien zu wählen, um eine optimale Druckverteilung auf die sich im Wachstum befindlichen Augen zu erzielen.
Das Tragen von Kontaktlinsen im Kindesalter aus rein ästhetischen Gründen hält Roth für bedenklich. Ab einem Alter von etwa sechs Jahren seien Tageslinsen für den Zeitraum sportlicher Aktivitäten eine vertretbare Option. Wiederholt wies Roth darauf hin, dass die Anpassung von Kontaktlinsen bei Kindern stets höchste Sorgfalt und viel Erfahrung erfordere und deshalb nur von Spezialisten durchgeführt werden sollte. Die Einbeziehung der Eltern in den gesamten Anpassvorgang sei zudem unabdingbar.
Ähnlich wie Kempgens hat Roth die Erfahrung gemacht, dass die Compliance der Kinder tendenziell besser ist als die der Erwachsenen. Durch mangelnde Pflege hervorgerufene Komplikationen, wie Infektionen am vorderen Augenabschnitt, seien bei Kindern seltener zu verzeichnen als bei älteren Kontaktlinsenträgern. Roths Fazit lautete: Im Wechselspiel von Augenoptik und Augenheilkunde und in Zusammenarbeit mit den Erziehungsberechtigten lassen sich heute nahezu alle Sehfehler schon in den ersten Lebensjahren kontaktoptisch versorgen.
Nach einer kurzen Pause wurde die Vortragsreihe von Dipl.-Ing. (FH) Uwe Bischoff fortgesetzt. Der Geschäftsführer der Müller-Welt Contactlinsen GmbH in Stuttgart engagiert sich zusätzlich im Rahmen einer Kontaktlinsensprechstunde für Kinder am Stuttgarter Augenklinikum. Bischoff berichtete ausgesprochen anschaulich von der Kontaktlinsenanpassung bei Babys und Kleinstkindern und erläuterte den Prozess von der Linsenauswahl bis zur Nachbetreuung.
Die häufigste Indikation für eine Versorgung mit Kontaktlinsen bei Säuglingen sei die congenitale Katarakt. Im deutschsprachigen Raum würde die trübe Augenlinse operativ entfernt und die dann fehlende Brechkraft durch eine Kontaktlinse ersetzt. Sowohl die Operation als auch die Kontaktlinsenanpassung erfolgten in Narkose des Kindes. Die Hornhautradien würden mit dem Handophthalmoskop ermittelt, die Fehlsichtigkeit mit dem Skiaskop.
Speziell sei die Sitzkontrolle der gewählten Kontaktlinse unter statischen Bedingungen. Im Idealfall ließe man die erste Probelinse auf dem Auge des Kindes, so dass es nach Erwachen aus der Narkose direkt einen verbesserten Seheindruck habe. 95% der betroffenen Säuglingen und Kleinstkinder würden in der Stuttgarter Augenklinik mit formstabilen Kontaktlinsen versorgt, da mit ihnen weniger Komplikationen wie Entzündungen der Binde- oder Hornhaut zu verzeichnen seien als mit weichen Linsenmaterialien.
Besonderen Wert würde auf eine intensive Aufklärung der Eltern bezüglich der Besonderheiten der verordneten Kontaktlinsen sowie deren Handhabung und Pflege gelegt. Schließlich seien es die Eltern, die die weitere Entwicklung des Sehsinns ihres Kindes in der Hand hielten, weil sie in den ersten Jahren für den gewissenhaften Umgang mit den Kontaktlinsen die Verantwortung übernähmen. Ebenso wichtig wie eine gute Zusammenarbeit mit den Erziehungsberechtigten sei ein eigespieltes Expertenteam aus Augenarzt, Kontaktlinsenspezialist und Orthoptist für eine erfolgreiche Kontaktlinsenversorgung. Über viele Jahre seien engmaschige Nachkontrollen nötig, um die Kontaktlinsenparameter stets auf das wachsende Auge abzustimmen, die dioptrische Wirkung der Linsen dem zunehmenden Aktionsradius des Kindes anzupassen und die Sehfunktionen zu überprüfen.
Je vertrauter der Umgang zwischen allen Beteiligten sei, desto reibungsloser und effizienter verliefen die Nachkontrollen, so Bischoff. Abschließend unterstrich er, dass Sehschärfewerte von etwa 0,8 in vielen Fällen erreichbar seien, wenn alle Einflussfaktoren für eine erfolgreiche Kontaktlinsenversorgung sorgfältig bedacht und gehandhabt würden.
Uwe Brach vom Contactlinsen-Institut Valtinat & Brach in Lübeck hielt den Abschlussvortrag des Kolloquiums. Brach ist Augenoptikermeister und hat sich unter anderem auf die Kontaktlinsenanpassung bei Kindern spezialisiert.
Im Unterschied zu Bischoff konzentrierte sich Brach in seinem Vortrag auf die Kontaktlinsenversorgung bei Kindern im Grundschulalter und stellte Einsatzmöglichkeiten von Mehrstärken-Kontaktlinsen und Bifokalbrillen bei kindlicher Aphakie vor.
Traditionell würden aphake Kinder mit Kontaktlinsen für deutliches Sehen in der Ferne und zusätzlich mit einer Bifokalbrille für deutliches Sehen im Nahbereich versorgt. Generell sei auch eine Korrektion mit nur einer Sehhilfe in Form von Mehrstärken-Kontaktlinsen möglich. Um das optimale Korrektionsmittel zu finden, sei eine gründliche Anamnese und Analyse der Sehbedürfnisse des Kindes ausschlaggebend. Um abzuwägen, ob sich eher simultane oder alternierende Kontaktlinsen-Systeme oder Monovision eignen, müsse zudem unterschieden werden, ob eine unilaterale oder bilaterale Aphakie vorliegt und in wie weit Binokularsehen vorhanden ist.
Im Folgenden ging Brach kurz auf die wesentlichen Merkmale der verschiedenen Kontaktlinsentypen ein. Simultane Systeme seien blickbewegungsunabhängig, aufgrund ihrer kontrasteinschränkenden Eigenschaft aber nur bedingt sinnvoll als Korrektionsmittel für Kinder. Alternierende Systeme hätten hingegen sehr gute Abbildungseigenschaften, seien jedoch blickabhängig und wiesen eine hohe Dicke auf. Brachs Erfahrung zeigt, dass simultane Mehrstärken-Kontaktlinsen bei binokularer Sehtüchtigkeit in der Regel erfolgreicher sind, während einseitig Aphake mit binokularer Störung alternierende Systeme oder Monovision vorziehen.
Zwölfjähriger als „Stargast“
Dass es sich lohnt, multifokale Kontaktlinsen einfach einmal auszuprobieren, berichtete der zwölfjährige Jesse, der gemeinsam mit Brach zum Kolloquium nach Plön angereist war. Jesse ist seit seinem ersten Lebensmonat einseitig aphak und daher mit Kontaktlinsen, Bifokalbrillen sowie Okklusionsfolien bestens vertraut.
Nach der Katarakt-OP wurden Jesse Silikonlinsen angepasst. Seine Eltern brachten für das nötige Handling der Kontaktlinsen in den folgenden drei Jahren viel Geduld auf. Die augenoptische Versorgung wurde anschließend um eine Bifokalbrille ergänzt, die Jesse problemlos akzeptierte. Kind und Eltern achteten gemeinsam darauf, dass der von einer Orthoptistin erstellte Okklusionsplan exakt eingehalten wurde.
Um seine Kontaktlinsen kümmert sich Jesse seit seinem fünften Geburtstag völlig selbstständig. Komplikationen aufgrund mangelnder Kontaktlinsenhygiene gab es nie. Ab der Grundschulzeit empfand Jesse das Tragen der Bifokalbrille zunehmend als störend, so dass gemeinsam mit Brach nach einer rein kontaktoptischen Lösung gesucht wurde.
Beharrlich testeten der junge Kunde und sein Kontaktlinsenspezialist eine Hand voll verschiedener Mehrstärkenkontaktlinsen, bis das simultane System, das Jesse heute trägt, samt optimalen Parametern endlich gefunden war. Mit seinen Kontaktlinsen erreicht Jesse in Ferne und Nähe einen Visus von etwa 0,8, empfindet einen hohen Tragekomfort und kann allen Schul- und Freizeitaktivitäten uneingeschränkt nachgehen. Jesse schloss den letzten Vortrag an diesem Tag mit den Worten: „Ich bin zu allem bereit!“
Minimale Drop-out- Rate
Bei der Abschlussdiskussion hatte das Publikum die Möglichkeit, offen gebliebene Fragen an die vier Referenten sowie Jesse zu stellen. Unter anderem wurde über die Drop-out-Rate bei Kindern gesprochen. Diese sei, darin waren sich die vier Experten einig, bei Kindern verschwindend gering und nähme erst im Jugendalter marginal zu. Die kompetente, interdisziplinäre Kontaktlinsenversorgung bei Kindern zeige sich gewinnbringend für alle Beteiligten.
Prof. Grein kündigte abschließend das 23. Fielmann Akademie Kolloquium an, das am 7. September 2013 in Zusammenarbeit mit der Augenklinik Köln-Merheim in Köln stattfinden wird. Zum „Dialog vor Ort“ seien all diejenigen herzlich eingeladen, die einen Blick auf aktuelle Themen an der Schnittstelle zwischen Augenoptik und Augenheilkunde werfen möchten.
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