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Einfluss der monokularen Korrektion auf das Binokularsehen

Serie: Optimales Binokularsehen, Teil 3
Einfluss der monokularen Korrektion auf das Binokularsehen

Im ersten Teil des zweiten Kapitels wurden viele Grundbegriffe des Binokularsehens erklärt. Diese teils sehr „nüchterne“ Theorie ist zum Aufbau weiteren Verständnisses jedoch notwendig. Im zweiten Teil des zweiten Kapitels sollen die Qualitätsstufen des Binokularsehens und damit auch die Stereopsis ausführlich dargestellt werden.

2.9 Qualitätsstufen des Binokularsehens
Die binokulare Zusammenarbeit der Augen setzt grundsätzliche zwei funktionstüchtige Augen voraus. Wenn beide Augen sehfähig sind, können sich verschiedene Situationen des Binokularsehens ergeben. Die DIN 5340–50 unterscheidet drei Qualitätsstufen des Binokularsehens:

„Oberbegriff für alle Arten von Simultansehen. Zu unterscheiden sind die drei Qualitätsstufen:
  • Binokularsehen ohne Fusion
  • Binokularsehen mit Fusion (binokulares Einfachsehen)
  • Binokularsehen mit Stereopsis“
2.9.1 Binokularsehen ohne Fusion
Beide Augen sehen gleichzeitig. Die Bilder beider Augen werden aber nicht miteinander fusioniert. Es treten Doppelbilder auf. Dafür kann es verschiedene Ursachen geben:
Handelt es sich um Doppelbilder im natürlichen Binokularsehen, könnte ein Strabismus (= Heterotropie) vorliegen. Entsteht der Strabismus erst im fortgeschrittenen Lebensalter, mit mehr als 30 Jahren, ist das Binokularsehen stabil. Es wird häufiger kein Auge zur Vermeidung der Doppelbilder abgeschaltet. Es entstehen Doppelbilder, Simultansehen ohne Fusion liegt vor.
Situation aus der Praxis:
Ein Proband hat eine offene Fehlstellung der Augen und zeigt alternierendes Sehen. Beide Augen weisen gleich gute Sehschärfe auf. In der Anamnese wird berichtet, dass ein Auge in der Kindheit abgeklebt wurde. So wurde eine gute Sehschärfe beider Augen ermöglicht. Laut Auskunft des Probanden hat dieser jedoch noch nie räumlich gesehen. Da der Proband bewusst mit dem rechten oder linken Auge gucken kann, wird er angewiesen, sich auf ein Auge zu konzentrieren, damit dieses Auge sicher die Führung übernimmt und das andere Auge abweicht. Durch den Cover-Test wird der offene Schielwinkel prismatisch korrigiert (EB-Prisma = Einstellbewegungs-Prisma). Mit diesem Prisma setzt Simultansehen ein bei vorliegender Diplopie. Wird der Prismenbetrag dahingehend verändert, dass ein Bild erzeugt, fusioniert werden soll, schaltet sich ein Auge ab. Es muss davon ausgegangen werden, dass Fusion nie erlernt wurde. Maximal mögliche Qualität = Binokularsehen ohne Fusion
Eine weitere Möglichkeit auftretender Doppelbilder entsteht durch deutliche Bildunterschiede vom rechten zum linken Auge.
Ein Praxisbeispiel:
Eie Frau, Alter ca. 70 Jahre, wird an einem Auge am grauen Star operiert. Vor der Operation lag beiderseits eine deutliche Myopie von ca. –10dpt vor. Durch die Operation des linken Auges wird die Myopie mittels einer Intraokularlinse korrigiert. Somit ergibt sich nach der Operation eine Anisometropie von 10dpt. Daraus folgend eine Aniseikonie von ca. 11%. Diese Aniseikonie verhindert die Fusion der zu unterschiedlich großen Netzhaubilder. Es liegt Binokularsehen ohne Fusion vor.
Unter binokularen Prüfbedingungen können nicht fusionierbare Bilder auch mit einem Trenner künstlich erzeugt werden, so dass ebenfalls Simultansehen ohne Fusion auftritt.
Sehr häufig wird in der Kindheit zur Vermeidung dieser Doppelbilder ein Seheindruck unterdrückt. In der weiteren Entwicklung entsteht alternierendes Sehen oder eine Suppressionsamblyopie. In beiden Fällen liegt kein Binokularsehen vor.
2.9.2 Binokularsehen mit Fusion
Binokularsehen mit Fusion liegt dann vor, wenn die monokularen Bilder zu einem binokularen Gemeinschaftsbild verschmolzen werden = binokulares Einfachsehen.
In meiner ca. 17 jährigen beruflichen Praxis habe ich bisher noch keinen Probanden gemessen, bei dem Binokularsehen mit Fusion, jedoch keine Stereopsis vorlag. Ich gehe daher davon aus, dass dieser Fall als äußerst selten anzusehen ist.
2.9.3 Stereopsis
Raumwahrnehmung kann auf unterschiedliche Art erfolgen. Das Gefühl der Räumlichkeit kann in einem Gemälde erzeugt werden, wenn der Maler räumliche Effekte wie die Perspektive, Größenverhältnisse, Überdeckungen und andere verwendet. Diese Räumlichkeit kann auch der einäugig erblindete Betrachter empfinden.
Nachfolgend soll die binokulare Raumwahrnehmung dargestellt werden. Diese versetzt uns in die Lage Entfernungen einzuschätzen, sicher zu Greifen, bei Rückschlagsportarten wie Tennis den Ball zum richtigen Zeitpunkt zu treffen und mehr.
Nach DIN 5340–394 wird die Stereopsis definiert als: „Räumliches Sehen ausschließlich aufgrund unterschiedlich querdisparater Abbildung von Objektpunkten. […]
In der Abbildung 1 wird das Kreuz fixiert. Es wird bizentral in die Foveolae abgebildet. Das räumlich vor dem Kreuz befindliche rote Quadrat wird in beiden Augen temporal von den Foveolae abgebildet. Das rechte Auge meldet für das Quadrat den Richtungswert links und das linke Auge meldet für das Quadrat den Richtungswert rechts. Es liegen horizontal unterschiedliche Richtungswerte (= querdisparat) vor. Die Netzhautbildlage ist bitemporal querdisparat zum fixierten Objekt. Objekte, die querdisparat, aber noch in den Panumbereich der korrespondierenden Netzhautstelle abgebildet werden, werden nicht nur fusioniert, sondern erscheinen räumlich versetzt gegenüber solchen Objekten, die exakt korrespondierend abgebildet werden.
Dabei erzeugt eine temporal querdisparate Abbildung eine Raumwahrnehmung nach vorne, eine nasal querdisparate Abbildung, wie die des hinter dem Kreuz befindlichen grünen Punktes, eine Raumwahrnehmung nach hinten.
Im oberen Bildpaar ist zu der Netzhautstelle 4R im linken Auge, die korrespondierende NH-Stelle 4R im rechten Auge blass rot dargestellt. Um 4R im rechten Auge ist der zugehörige Panumbereich eingezeichnet. Die Abbildung des roten Quadrates im rechten Auge fällt temporal querdisparat in diesen Panumbereich. Die Bilder werden fusioniert und räumlich ausgewertet.
Im unteren Bildpaar ist zu der Netzhautstelle 2L im linken Auge, die korrespondierende NH-Stelle 2L im rechten Auge blass grün dargestellt. Um 2L im rechten Auge ist der zugehörige Panumbereich eingezeichnet. Die Abbildung des grünen Punktes im rechten Auge fällt nasal querdisparat in diesen Panumbereich. Die Bilder werden fusioniert und räumlich ausgewertet.
Nur Objekte, die in zugehörige Panumbereiche abgebildet werden, können räumlich ausgewertet werden. Diese Objekte bilden im Objektraum den Panumraum. Objekte die außerhalb der Panumbereiche abgebildet werden befinden sich im Objektraum außerhalb des Panumraums und können nicht fusioniert werden. Die im natürlichen Sehen eigentlich entstehenden Doppelbilder werden jedoch nicht wahrgenommen.
An künstlichen Testbildern mit entsprechenden Netzhautbildlagen sind diese Doppelbilder zu beobachten.
Das Wissen um die Stereopsis und die damit verbundenen Netzhautbildlagen im natürlichen Sehen nutzt man um Testbilder zu konstruieren, mit denen man die Stereopsis prüfen kann.
2.9.4 Geometrische Zusammenhänge zur Stereopsis:
Die Berechnung der Testbilder und das Zuordnen der Qualität der Stereopsis beruhen auf geometrischen Zusammenhängen, die im Binokularsehen bestehen. Die Abbildung 2 stellt den Aufbau des Stereotestes dar, wie er im Rahmen der MKH zur Anwendung kommt.
Die vier grauen Dreiecke sind Sehzeichen, die aus Polarisationsfolie gefertigt sind. Durch die Polarisationsfilter vor den Augen können jeweils zwei der vier Dreiecke für ein Auge „ausgeblendet“ werden. Der schwarze Punkt wird von beiden Augen gesehen und dient als Fixationsobjekt und zentraler Fusionsreiz.
Die Dreiecke werden über Kreuz (rote Linien) den Augen zugeordnet. Der Punkt wird bei bizentraler Fixation in die Foveolae abgebildet. Die Abbildung der Dreiecke erfolgt bitemporal querdisparat zum Punkt. Diese Netzhautbildlage entspricht der eines im natürlichen Sehen räumlich vorne befindlichen Objektes.
Als binokularer Seheindruck ergibt sich ein Punkt und räumlich davor zwei Dreiecke, sofern die Dreiecke in zugehörige Panumbereiche fallen (oberes Bildpaar). Die Position der räumlich wahrgenommenen Dreiecke entsteht am Schnittpunkt der roten Abbildungslinien. Dort ist in der Abbildung ein schwarzes Dreieck eingezeichnet.
Aus der Abbildung lässt sich ein zweiter Zusammenhang ableiten: Je dichter die polarisierten Objekte zueinander angeordnet sind, desto geringer muss die wahrgenommene Tiefe sein. Dieses simuliert kurze räumliche Distanzen und dient dazu die räumliche Sehschärfe (= Tiefensehschärfe) zu bestimmen.
Werden die Dreiecke außerhalb zugehöriger Panumbereiche abgebildet, entstehen als Seheindruck 4 Dreiecke in der Ebene des Punktes (unteres Bildpaar).
Da nicht alle Menschen gleichgroße Panumbereiche besitzen, fertigt man Stereobilder mit unterschiedlichen Abständen der polarisierten Objekte (= unterschiedliche stereoskopische Parallaxe).
So werden in der MKH zwei Stereoteste verwendet, die unterschiedliche Abstände der Dreiecke aufweisen. Der größere Abstand der Dreiecke beträgt ca. 20mm, der Test für kleinere Panumbereiche hat einen Abstand von ca. 11mm.
Nachfolgend wird die Stereopsis weiter differenziert. Die Definition nach DIN 5340–394 definiert die Stereopsis als: „Räumliches Sehen ausschließlich aufgrund unterschiedlich querdisparater Abbildung von Objektpunkten.“
Die Definition sagt nichts über die Qualität der Stereopsis aus. In der MKH beurteilt man die Stereopsis anhand folgender Qualitätsstufen:
  • 1. Das relative Tiefensehens
  • 2. Die Stereo-Tiefensehschärfe
  • 3. Das Stereo-Sehgleichgewicht
  • 2.9.5 Das relative Tiefensehen
Relatives Tiefensehen wird in der DIN 5340–417 beschrieben als: „Visuelle Wahrnehmung des Unterschiedes der Entfernungen zweier Punkte vom Beobachter (Tiefenunterscheidung).“
Das relative Tiefensehen wurde schon im Punkt 2.9.3 ausführlich dargestellt. Es beschreibt grundlegend die Fähigkeit räumlich aufgrund querdisparater Abbildung zu differenzieren.
Liegt relatives Tiefensehen vor, besagt dies ausschließlich, dass räumlich ausgewertet werden kann. Es ist keine Aussage über die Qualität der Stereopsis.
Als Testbilder eignen sich Stereobilder mit größerem Abstand der polarisierten Objekte. Testbilder mit sehr kleinem Abstand könnten ungeeignet sein, falls die Stereopsis nicht gut genug ist um diese auszuwerten.
Beispiel:
Ein Proband mit anomaler Korrespondenz (siehe Teil 2 der Serie) schaut mit einem Korrespondenzzentrum, welches außerhalb des zentralen Panumbereichs liegt. Häufig ist bei diesen Probanden relatives Tiefensehen am Stereotest mit 20mm Abstand der polarisierten Objekte vorhanden. Der Proband weist jedoch Einschränkungen im natürlichen räumlichen Sehen auf. Feine räumliche Differenzierungen sind nicht möglich. Es wird häufiger daneben gegriffen. Bietet man diesem Probanden einen Stereotest mit sehr kleinem Abstand der polarisierten Sehzeichen dar, ist er nicht in der Lage auch nur ein Zeichen räumlich auszuwerten. Es liegt eine schlechte Stereo-Tiefensehschärfe vor.
2.9.6 Die Stereo-Tiefensehschärfe
Nach DIN 5340–398 ist die Stereo-Tiefensehschärfe definiert als: „Kehrwert des Stereogrenzwinkels.“
Die Stereo-Tiefensehschärfe ist ein Wert, der etwas über die Qualität der Stereopsis aussagt. Je kleiner der Stereogrenzwinkel ist, desto dichter dürfen 2 Objekte räumlich zueinander gestaffelt sein und sie können dennoch räumlich getrennt wahrgenommen werden.
Die DIN 5340–393 definiert den Stereogrenzwinkel als: „Kleinster Stereowinkel, bei dem noch Stereopsis vorhanden ist.“
Der Stereogrenzwinkel, siehe Abbildung 3, wird von einem gedachten Mittelauge aus betrachtet (= Zyklopenauge). Man lässt von den polarisierten Objekten Abbildungs-strahlen (grün) in dieses Zyklopenauge fallen. Der Winkel dieser Strahlen zueinander ist der Stereowinkel. In der Zeichnung ist die Hälfte des Winkels dargestellt.
Je dichter die polarisierten Objekte beieinander stehen (kleinere stereoskopische Parallaxe yP), desto kleiner wird der Winkel. Gleichzeitig hat das räumlich empfundene schwarze Dreieck eine immer geringere räumliche Tiefe. Im Umkehrschluss kann man sagen: Je dichter zwei Objekte räumlich zueinander gestaffelt sind, desto kleiner ist der benötigte Stereowinkel um diese Objekte räumlich getrennt zu sehen.
Ein Beispiel:
Beim Löten eines Fassungsdrahtes muss der Augenoptiker einen 0,5 mm dicken Lotdraht an einen ca. 1,2 mm dicken Fassungsdraht führen. Ein Augenoptiker mit guter Stereopsis kann die Position des Lotdrahtes gut beurteilen und führt diesen ohne Kontakt zum Fassungsdraht zur Lötstelle. Bei schlechter Stereopsis wird der Lotdraht gerne auf den Fassungsdraht aufgesetzt, um ihn über den Kontakt an die Lötstelle heran zu führen.
Ein anderes Beispiel ist das Einfädeln eines Fadens in eine Nähnadel. Bei guter Stereopsis kann der Faden sicher von der Seite eingefädelt werden. Bei schlechter Stereopsis wird das Nadelöhr gedreht und der Faden von vorne eingefädelt. Dabei beurteilt man das Abdecken des Nadelöhrs durch den Faden.
Ein durchschnittlich guter Stereogrenzwinkel beträgt 30’’ (= 30 Winkelsekunden) und kann mit dem differenzierten Stereotest ermittelt werden (Abbildung 4). Von oben nach unten wird der Stereogrenzwinkel immer kleiner. Die Kreuze werden mit einem Stereowinkel von 4’ abgebildet, die Quadrate mit 3’, die Dreiecke mit 2’, die Kreise mit 1’ und die Striche mit 30’’. Je kleiner der Abstand der polarisierten Sehzeichen wird, desto kleiner ist die erzeugte räumliche Tiefe und desto kleiner ist der Stereowinkel.
Ein Stereogrenzwinkel von 30’’ ist als räumliche Sehschärfe mit der monokularen Sehschärfe V = 1,0 vergleichbar. 1,0 ist bei guten Testbedingungen keine überragende monokulare Sehschärfe und 0,8 muss daher schon als reduzierte Sehschärfe angesehen werden.
Goersch spricht bei einem Stereogrenzwinkel größer als 30’’ von einer Stereo-Amblyopie. Im Umkehrschluss bedeutet dies: Liegt ein normaler morphologischer Augenbefund bei klaren Augenmedien vor, sollte jeder Mensch mit normalem Binokularsehen einen Stereogrenzwinkel von 30’’ erreichen können.
Zwischenergebnis:
Das relative Tiefensehen gibt nur Auskunft darüber, ob räumlich ausgewertet werden kann oder nicht. Es müssen massive Störungen des Binokularsehens vorliegen, damit kein relatives Tiefensehen vorliegt.
Die Stereo-Tiefensehschärfe ist ein Qualitätsmerkmal der Stereopsis. Je kleiner der erreichbare Stereogrenzwinkel ist, desto feiner / geringer sind die räumlichen Unterschiede, die erkannt werden können. Die Stereo-Tiefensehschärfe reagiert sehr empfindlich auf Störungen im Binokularsehen. Schon kleine monokulare Fehlsichtigkeiten oder fehlerhafte Korrektionen können die Stereo-Tiefensehschärfe schnell um 2 Stufen herabsetzen, eine Stereo-Amblyopie erzeugen. Bei normalem, ungestörtem Binokularsehen sollte ein Stereogrenzwinkel von 30’’ zu erreichen sein.
2.9.7 Das Stereo-Sehgleichgewicht
Goersch (Wörterbuch der Optometrie) definiert Stereo-Sehgleichgewicht als:
„Gleichzeitiges Vorhandensein von Äquivalenz sowohl bei temporal als auch bei nasal querdisparater Abbildung von Stereo-Figuren. Bei Stereo-Sehgleichgewicht liegt eine binokular gleichwertige sensorische Verarbeitung beider monokularer Netzhautbilder infolge Sehen mit bizentraler Fixation vor.“
Das Stereo-Sehgleichgewicht ist die höchste Qualitätsstufe der Stereopsis und wird in der binokularen Vollkorrektion angestrebt. Beide Augen sollen gleichwertig (= äquivalent) an der stereoskopischen Auswertung beteiligt sein. Dieses kann nur dann erfolgen, wenn die Abbildung in beiden Augen qualitativ gleich gut ist. In der Abbildung 5 ist eine Situation aus dem Binokularsehen dargestellt, die Stereo-Sehgleichgewicht zeigt. Das Augenpaar betrachtet den Stereotest aus dem Polatest. Da normale Korrespondenz mit bizentraler Fixation vorliegt, wird der Punkt bizentral abgebildet. Die polarisierten Dreiecke werden in beiden Augen temporal querdisparat zum Punkt abgebildet. Die Dreiecke im Test haben einen Abstand von 20mm zueinander. Die Richtungswerte 10mm rechts aus dem linken Auge und 10mm links aus dem rechten Auge werden zu dem binokularen Mittelwert geradeaus fusioniert. Da alle Dreiecke im gleichen Abstand zu den Foveolae abgebildet werden, fallen sie (bei gleichwertigen Netzhäuten) auf Netzhautstellen mit gleichem Visus. Der Mittelwertbildung geradeaus steht nichts im Wege. Die Dreiecke erscheinen vorne in der Mitte. Es liegt Äquivalenz in der normalen Filterstellung vor. Werden die Filter invertiert erfolgt die qualitativ gleichwertige Abbildung auf binasal querdisparate Netzhautstellen. Die Dreiecke erscheinen hinten in der Mitte. Es liegt ebenso Äquivalenz in der invertierten Filterstellung vor.
Zusammenfassend lässt sich für beide Filterstellungen feststellen, dass jeweils Äquivalenz vorliegt. Insofern liegt Stereo-Sehgleichgewicht vor.
In der Abbildung 6 sieht das Augenpaar nicht bizentral, es liegt ein lateraler Bildlagefehler vor. Das neu angelegte Korrespondenzzentrum im rechten Auge liegt innerhalb des zentralen Panumbereichs (= disparate Korrespondenz). Die Abbildung der Dreiecke im rechten Auge erfolgt auf Netzhautstellen, die eine schlechtere Sehschärfe haben, als die Netzhautstellen der Abbildung im linken Auge. In dem Beispiel sind die Zahlenwerte von 0,8 und 1,0 angenommen, die nicht den realen Verhältnissen entsprechen müssen. Die Folge: Aus den Richtungswerten 10mm links vom rechten Auge und 10mm rechts vom linken Auge wird nicht die Mitte = geradeaus gebildet, sondern das linke Auge dominiert (es liegt Prävalenz vor). Es setzt sich mit seinem Richtungsempfinden durch und die Dreiecke werden nach rechts verschoben wahrgenommen.
Durch die binokulare Vollkorrektion soll bizentrale Bildlage erzielt werden. Nur dann kann Stereo-Sehgleichgewicht vorliegen.
Mittels einer prismatischen Korrektion wird das Bild im rechten Auge so verlagert, dass bizentrale Bildlage vorliegt. Die Abbildung fällt dann auf gleichwertige Netzhautstellen und die Dreiecke werden mit dem Mittelwert geradeaus gemeldet.
Optimales Binokularsehen kann demnach nur bei bizentraler Bildlage und gleichwertigen Netzhautbildern vorliegen.
In der Praxis lässt sich beobachten, dass auch andere Einflüsse als ein lateraler Bildlagefehler die Qualität des Binokularsehens stören können. Jede Störung im Sehen, die für ungleiche Abbildung im rechten und im linken Auge sorgt, erzeugt ein Ungleichgewicht und kann das Stereosehen, somit die höchste Stufe des Binokularsehens, beeinträchtigen.
Abschluss und Ausblick
Das Binokularsehen lässt sich in verschiedene Qualitätsstufen untergliedern. Die schwächste Form des Binokularsehens ist das Simultansehen ohne Fusion, es wird doppelt gesehen.
Eine Steigerung der Qualität stellt das Binokularsehen mit Fusion dar. Die Einzelbilder werden zu einem Gemeinschaftsbild verschmolzen.
In besten Fall liegt Binokularsehen mit Stereopsis vor. Der Mensch ist in der Lage aufgrund querdisparater Netzhautbildlage räumlich zu sehen.
Die Stereopsis an sich weist wiederum verschiedene Qualitätsstufen auf. Von der schlichten Fähigkeit überhaupt räumlich zu differenzieren (= relatives Tiefensehen), über die Möglichkeit feinste räumliche Differenzen zu erkennen (= gute Stereo-Tiefensehschärfe), bis zum absoluten Gleichgewicht der Augen in der binokularen Raumauswertung (= Stereo-Sehgleichgewicht) kann man Unterschiede finden.
Sowohl die Stereo-Tiefensehschärfe als auch das Stereo-Sehgleichgewicht sind gegenüber kleinsten Störungen aus der monokularen Korrektion äußerst empfindlich.
Im dritten Kapitel dieser Serie soll der erste Einflussfaktor aus dem Monokularsehen besprochen werden. Der unter- oder unkorrigierte Astigmatismus. Es wird dargestellt, welche Auswirkungen dieser Fehler haben kann. Es soll jedoch auch dargestellt werden, wie es zu Messfehlern in der monokularen Korrektion kommen kann, wo sich die häufigste Ursache für einen unterkorrigierten Astigmatismus finden lässt.
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