Die Acetat-Fassungen haben Sie schon gesehen. Sicher. Nur stand eventuell der Name eines Kollegen drin und Sie konnten vielleicht nicht herausfinden, wer sie ursprünglich gemacht hat. Aber aufgefallen sind sie Ihnen schon. Wegen Form, Farbe und Beschaffenheit und dabei wissen Sie das Beste noch gar nicht: Sie können solche Fassungen auch haben.
Zu seiner Firma kam der gelernte Augenoptiker Olaf Lauer wie die Jungfrau zum Kinde. Er kannte Wissing, wollte dort Material kaufen. Beim Telefonat mit Walter Wissing kam man ins Plaudern, der alte Herr klagte sein Leid. Er habe ‚nur’ drei Töchter, keine wolle den Betrieb übernehmen. Ob er – Olaf Lauer – das nicht tun wolle. Spontan sagte dieser zu. Das war ungefähr 1983. Doch vor der Firmenübernahme hatte er sich ein anderes Ziel gesetzt.
Olaf Lauer machte zunächst seinen Augenoptik-Meister. Allerdings verbrachte er zusätzlich jede freie Minute bei Wissing. Einer Firma, die sich auf ca. 60m2 ausbreitete und damals aussah wie ‚Achtzehnhunderttobak’. „Jahrelang habe ich jeden freien Nachmittag hier verbracht und zugeguckt. Nur zugeguckt, denn Wissing war eigen. Ich durfte absolut nichts machen. Stundenlang habe ich neben dem Schraubstock gestanden und beim Feilen zugeguckt.“ Das nennt man dann wohl ‚learning by seeing’.
1991 übernahm Olaf Lauer die Firma Wissing und es änderte sich einiges. Das Personal wurde aufgestockt, ein Neubau errichtet, während die Firma weiter das machte, was sie am besten konnte: Acetat verarbeiten und mit ihren Kunden zusammen neue Fassungen kreieren. Acetat ist im Kommen? „Acetat ist nie weg gewesen“, meint Olaf Lauer. „Wir haben zwar auch unser Lehrgeld gezahlt, aber der Laden lief doch immer gut“.
Erinnern Sie sich noch an das erste Zweischichten-Material, das mikli verarbeitete? 14 Tage vor der letzten optica in Köln meinte Wissing ‚was die können, das können wir auch’ und startete mit einer eigenen Produktion. Nicht zwei Farben, zwölf Farben wurden gemixt und eine kleine Kollektion mit 15 Fassungen vorgestellt. Ein grandioser Erfolg, dem man in der Firma selbst ungefähr zwei Jahre gab. Nie hatte man sich mehr geirrt als da, denn der Erfolg hält noch heute an. Ein unerreichter Erfolg mit unerreichten Farbmixen, die kein noch so findiger Mitbewerber nachmachen kann. Denn Wissing greift auf ein Plattenmaterial-Lager aus fünfzig Jahren zurück. Gemixt wird dann zum Beispiel ein Rot von 1960 mit einem Gelb von 1980, einem Blau von 1977 und so weiter. Niemand kann das nachmachen. Die Farbzusammenstellungen sind einzigartig.
Bei Wissing kaufen daher die ein, die etwas Besonderes in ihrem Laden haben möchten. Etwas, das der Kollege an der nächsten Ecke nicht hat. Eigene Kollektionen nämlich. Und das läuft so: Der interessierte Augenoptiker besucht die Firma in Bensheim, schaut sich die Musterkollektionen an und entwickelt zusammen mit den Mitarbeitern Ideen. Ideen, die dann zugeschnitten sind auf seine Firma, seine Kunden. Klar, dass er dazu seine Kunden genau kennen muss und Größen so bestellen kann, wie er sie braucht. Bestimmte Kollektionsmengen mit vorgeschriebenen Größen gibt es nicht. Benötigt der Kunde ausschließlich die Größe 4711, bekommt er sie auch. Gestempelt – oder gebrandet, wie man Neudeutsch sagt – werden die Fassungen dann mit dem Namen des Augenoptikers, des Kunden oder wie auch immer. Der Firma Wissing ist nur wichtig, dass der Augenoptiker weiß, wo er seine Fassungen bezieht.
Geliefert wird in die ganze Welt. Singapur und Kuweit sind da keine Seltenheit. Und weil Wissing perfekt mit Acetat umzugehen weiß, jeder Mitarbeiter sein Herzblut in seine Arbeit steckt, entwickeln sich Sachen nebenher. Nichts geht verloren, denn aus Acetat-Resten werden noch schöne Dinge zusätzlich hergestellt. Ringe zum Beispiel oder Schlüsselanhänger, die freihand an einer kleinen Drechselbank hergestellt werden. Oder schauen Sie sich einmal die Kugelschreiber-Kollektion auf der website an. Es liegt in Ihren Händen, sich vom Mitbewerber abzugrenzen.
Ulla Schmidt
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