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Brillengläser der Zukunft

Technologie
Brillengläser der Zukunft

Nachdem im Jahre 2000 Rodenstock die Individual Lens Technology (ILT) eingeführt hatte und das erste individuelle Gleitsichtglas Impression® auf den Markt gekommen war, haben individuelle Brillengläser weltweit immer mehr an Bedeutung gewonnen. Ein weiterer Meilenstein in der Augenoptik war die Einführung des Gleitsichtglases Impression FreeSign® im Jahre 2007. Die einzigartige Designfreiheit machte es erstmals möglich, die Lage und Größe der Sehbereiche an die individuellen persönlichen Sehanforderungen und -gewohnheiten des Brillenträgers anzupassen1. Zwei Jahre später wurden diese Freiheiten auf die Ergo® Nahkomfortgläser2 übertragen und weiter ausgebaut.

Eye Lens Technology
Jetzt setzt Rodenstock nochmals neue Maßstäbe: aus ILT wird EyeLT.

Die Eye Lens Technology (EyeLT) von Rodenstock stellt ein übergeordnetes langfristiges Konzept für besseres Sehen dar. Dieses Konzept, welches auf der opti 2011 erstmals vorgestellt wurde, umfasst drei Schritte. Der erste Schritt erfolgte im März 2011. Er beinhaltet das EyeModel mit den Listingschen Regeln für Ferne und Nähe sowie den Einstellastigmatismus. Der zweite Schritt – das Personal EyeModel – integriert die individuelle Nahrefraktion in einem Gleitsichtglas und startet im Sommer 2011.
2012 dürfen Sie dann auf Schritt 3 gespannt sein – dann folgt ein weiteres Highlight der Eye Lens Technology. In diesem Artikel werden die Inhalte des EyeModels näher dargestellt.
Hintergründe
Bisher konnte bei Gleitsichtgläsern in der Nähe nur der sphärische Wert in Form der Addition verändert werden. Der Zylinderbetrag und die Achslage wurden – da technisch nicht anders umsetzbar – von der Ferne übernommen.
Mit EyeLT ist es Rodenstock jedoch gelungen, diese technische Herausforderung zu meistern. Es ist nun möglich, eine von der Fern-Refraktion unabhängige Nah-Refraktion in einem Gleitsichtglas zu verwirklichen.
Für einen Nahastigmatismus gibt es vielfältige Ursachen3,4,5,6,7.
Diese sind zum einen physiologischer Art: Bei Blickbewegungen kommt es zu einer Rotation (Verrollung) der Augen. Aufgrund dieser Rotation ergeben sich abhängig von der Blickrichtung unterschiedliche Achslagen, die im Brillenglas umgesetzt werden müssen. Beschrieben wird dies in der Listingschen Regel 8,9,10.
Eine weitere Ursache – rein geometrisch-optischer Art – stellt der sogenannte Einstellastigmatismus dar. Dieser erfordert beim Sehen in der Nähe eine andere Zylinderstärke als beim Blick in die Ferne. Und schließlich gibt es noch individuelle anatomische Ursachen, die aufgrund einer asymmetrischen Akkommodation, z.B. durch Verkippung der Augenlinse, zu einem Nahastigmatismus führen können. In der gesamten Fachliteratur sind diese Zusammenhänge und deren Auswirkungen ausführlich beschrieben3,4,5,6,7.
Bislang galt jedoch, dass es mit einem Gleitsichtglas keine Möglichkeit gibt, diesen Nahastigmatismus zu korrigieren3,4,5,6,7.
Beispielhaft ist in Abbildung 1 die Textstelle aus dem Buch „Die Praxis der Augenglasbestimmung“ von Jörg Tischer3 dargestellt.
Dass Unterschiede in der zylindrischen Korrektion zwischen Ferne und Nähe nicht korrigiert werden können, gehört nun dank EyeModel der Vergangenheit an! Rodenstock mit der Kernkompetenz in der Optimierung und Fertigung individueller Brillengläser ist nun erstmals in der Lage, solche Gleitsichtgläser zu berechnen und zu fertigen.
EyeModel: Listingsche Regel und Einstellastigmatismus
Das EyeModel berücksichtigt bei der Optimierung individueller Gleitsichtgläser die natürlichen Augenbewegungen für das Sehen in Ferne und Nähe. Jetzt wird neben der Listingschen Regel für die Ferne11,12,13, die bereits seit dem Jahre 2000 Berücksichtigung findet, auch die Listingsche Regel für die Nähe8,9,10umgesetzt. Zusammen mit dem Einstellastigmatismus eröffnet EyeModel somit eine neue Dimension in der Versorgung astigmatisch Fehlsichtiger – das bedeutet besseres Sehen für über 80% der Kunden!
Listingsche Regel
Die Listingsche Regel für die Ferne beschreibt die Rotation der Augen bei gleichsinnigen Blickbewegungen (Versionen) beim Blick in die Ferne (Abbildung 2). Da die Augen bei peripheren Blickauslenkungen leichte Rollbewegungen ausführen, ergibt sich die Notwendigkeit für flexible, den Rollbewegungen des Auges angepasste Zylinderachslagen im Brillenglas.
Beim Blick in die Nähe kommt es jedoch zu gegensinnigen Augenbewegungen (Vergenzen).
Daher ist für den Blick in die Nähe die Beschreibung der Rollbewegungen nach der Listingschen Regel für die Ferne nicht zutreffend (Abbildung 3). Für diesen Fall der gegensinnigen Augenbewegungen existierte bislang keine korrekte physiologische Beschreibung.
Allerdings sind in der physiologischen Forschung in den letzten Jahren entsprechende Modelle entwickelt worden8,9,10. Demnach ist das Augenpaar bestrebt, eine Horizontale im Raum auf korrespondierende Netzhautstellen abzubilden. Um dies zu gewährleisten, müssen die Augen bei Konvergenz zwangsläufig anders verrollen als beim Blick in die Ferne (Abbildung 4).
Die nach der Listingschen Regel berechnete Achslage hängt von der Blickrichtung und der Konvergenz ab, welche wiederum eine Funktion aus Objektabstand, Pupillendistanz, Refraktionswerten, Hornhautscheitelabstand und Blickauslenkung darstellt. Dabei gilt im Vergleich zur Listingschen Regel Ferne, dass die Achsänderung umso größer ist, je:
  • kleiner der Objektabstand
  • größer die Blickauslenkung
  • größer die PD
Rodenstock hat diese Erkenntnisse nun auf das Brillenglas übertragen und passt erstmals exakt die Achslage des Brillenglases an die tatsächlichen Augenbewegungen in der Nähe an (Abbildung 5).
Die roten Striche in Abbildung 5 zeigen die Bereiche des Brillenglases, innerhalb derer bei Blickbewegungen Verrollungen der Augen stattfinden. Die Achse des Zylinders wird hier gegenüber der Bestellachse nach der Listingschen Regel für Ferne und Nähe und abhängig von den Bestelldaten angepasst. Das Ergebnis sind perfekte Zwischen- und Nahbereiche, d.h. die Sehschärfe beim Sehen in die Nähe nimmt zu und die Sehbereiche vergrößern sich.
Einstellastigmatismus
Neben der Berücksichtigung der Listingschen Regeln für Ferne und Nähe ist es Rodenstock gelungen, eine zusätzliche Neuerung in die High-End-Gleitsichtgläser zu integrieren – die Korrektion des Einstellastigmatismus3,4,5,6,7. Der Einstellastigmatismus besagt, dass ein zylindrisches Brillenglas, welches in der Ferne vollkorrigierend ist, für den Blick in die Nähe nicht perfekt abbildet (Abbildung 6).
Beim Blick in die Nähe ändert sich aufgrund des Abstandes Brillenglas-Auge der Verlauf der Wellenfront im Vergleich zum Blick in die Ferne. Das hat zur Folge, dass zur Korrektion des Astigmatismus beim Blick in die Nähe ein stärkerer Zylinder im Brillenglas benötigt wird. Es handelt sich beim Einstellastigmatismus also um einen rein geometrisch-optischen Effekt, der allein durch den Abstand Brillenglas-Auge und den Objektabstand begründet ist.
Der Einstellastigmatismus ist umso größer, je:
  • höher die Zylinderwirkung
  • kleiner die Objektentfernung
  • kleiner die Addition
  • größer der HSA
ist.
Der Einstellastigmatismus wirkt sich auf den Betrag des Korrektionszylinders aus. Wird er im Brillenglas berücksichtigt, so werden auch nahe Objekte wieder punktförmig und scharf auf die Netzhaut abgebildet (Abbildung 7).
Der Kunde erhält neben einer verbesserten Sehschärfe außerdem auch größere Sehbereiche in der Nähe.
Vorteile für den Brillenträger
Die verbesserte Performance der Gleitsichtgläser wird als EyeModel Effekt bezeichnet und zeigt sich anhand des folgenden Beispiels:
Impression®
Refraktionswerte
Ferne: sph 0.25 zyl 3.50 A 5
Add 1.50
Brillenglaswerte
Ferne: sph 0.25 zyl 3.50 A 5
Visus 1.0
Nähe: sph 1.75 zyl 3.50 A 5
Visus 0.9
Während die entsprechenden Brillenglaswerte (Gebrauchswerte) in der Ferne zu einer optimalen Sehschärfe (Visus 1.0) führen, sorgt der aufgrund von Einstellastigmatismus und Listing Nähe resultierende astigmatische Fehler für eine Visusminderung in der Nähe. Dies führt zu eingeschränkten Sehbereichen im Zwischenbereich und insbesondere in der Nähe und letztendlich zu einer Performanceminderung10 (Abbildung 8).
Wird nun das EyeModel berücksichtigt, so bleiben die Gebrauchswerte des Brillenglases für die Ferne unverändert, während die Gebrauchswerte für die Nähe um den EyeModel Effekt angepasst werden.
Impression® EyeLT
Refraktionswerte
Ferne: sph 0.25 zyl 3.50 A 5
Add 1.50
Brillenglaswerte
Ferne: sph 0.25 zyl 3.50 A 5
Visus 1.0
Nähe: sph 1.69 zyl 3.61 A 8
Visus 1.0
Aufgrund der Berücksichtigung der Listingschen Regel und des Einstellastigmatismus erhält der Brillenträger eine bessere Korrektion im Nahbereich. Der EyeModel Effekt sorgt für eine Performancesteigerung14 im Brillenglas für den Kunden um bis zu 20%. Dadurch profitiert der Kunde von perfektem Sehen in allen Entfernungen (Abbildung 9).
Für ein verbessertes Nahsehen sind in diesem ersten Schritt keine zusätzlichen Messungen notwendig. Das heißt, der Augenoptiker bestimmt, wie gewohnt, die Refraktionswerte für die Ferne sowie die Addition. Rodenstock berechnet dann die entsprechende neue zylindrische Wirkung (Einstellastigmatismus) inklusive der Achslage (Listing Nähe) für die Nähe.
Der Einstellastigmatismus kann zu einer Abweichung zwischen Fern- und Nahzylinder von bis zu 0.5 dpt führen. Zusätzlich bewirkt die natürliche Verrollung der Augen beim Blick in die Nähe Achsänderungen bis zu 7°. Somit kann ein gesamter astigmatischer Fehler (EyeModel Effekt) von über 1.0 dpt entstehen, welcher die Sehschärfe in der Nähe um die Hälfte reduzieren würde.
Da es sich bei ca. 80% aller Bestellungen um zylindrische Gläser handelt, wird die Mehrheit der Gleitsichtbrillenträger vom EyeModel profitieren. In Abbildung 10 ist der EyeModel Effekt in Abhängigkeit von Addition und Zylinder dargestellt. Es zeigt sich, dass der EyeModel Effekt bis zu einer Addition von 2.50 dpt abnimmt, da der Einfluss des Einstellastigmatismus mit zunehmender Addition geringer wird, während der Achsfehler aufgrund gleicher Konvergenz und unveränderter Objektentfernung nahezu konstant bleibt. Ab einer Addition von 2.50 dpt nimmt er, aufgrund der kleineren Objektentfernung und dem sich daraus ergebenden größeren Achsfehler, wieder zu.
In Abbildung 11 ist der EyeModel Effekt in Abhängigkeit von Objektentfernung und Zylinder dargestellt. Hier ist zu erkennen, dass bei nahen Objekten und hohem Zylinder der gesamte astigmatische Fehler deutlich über 1.0 dpt betragen kann. Bei allen EyeLT Gläsern wird dieser Fehler eliminiert.
Zusammenfassung
Aufgrund der Eye Lens Technology bietet das individuelle Produktportfolio von Rodenstock, bestehend aus Impression® Mono Aveo, Impression FreeSign®, Impression®, Impression® Fashion Curved, Impression Ergo FS® und Impression Ergo® seit März 2011 ein besseres Sehen im Zwischenbereich und insbesondere in der Nähe.
Dies haben auch unsere internen Studien belegt, bei denen die Probanden das Sehen mit EyeLT-Gläsern als sehr gut beurteilt haben.
Durch EyeModel wird dem Brillenträger ein deutlich besseres und komfortableres Sehen in der Nähe ermöglicht.
Dies ist nur der erste Schritt. Ab Sommer 2011 bietet Rodenstock in einem zweiten Schritt – mit dem Personal EyeModel – die Möglichkeit für eine noch perfektere Versorgung der Kunden durch eine individuelle Nahrefraktion. Hiermit kann der Augenoptiker mit seiner Kernkompetenz – der Refraktionsbestimmung – zusammen mit den einzigartigen Berechnungs- und Fertigungsmethoden von Rodenstock dem Brillenträger bestes Nahsehen ermöglichen! Lesen Sie hierzu mehr in „DER AUGENOPTIKER“ im Herbst.
Autoren:
Katrin Nicke, Dipl.-Augenoptikerin/Optometristin (FH)
Andrea Welk, Dipl.-Ing. (FH)
Ilka Schwarz, Dipl.-Ing. (FH)
Gregor Esser, M.Sc., Dipl.- Ing. (FH)
Research & Development
Rodenstock GmbH
Referenzen:
  • 1. G. Esser, W. Becken, W. Müller, D. Uttenweiler, “Impression FreeSign”, DOZ 7 (2007)
  • 2. I. Schwarz, M. Zimmermann, “Mehr Nähe erleben – Designtuning für Nahkomfortgläser“, DOZ 4 (2009)
  • 3. J. Tischer, „Die Praxis der Augenglasbestimmung“, S. 128–130, DOZ-Verlag Heidelberg (2006).
  • 4. H. Diepes, „Refraktionsbestimmung,“ S. 396–398, Postenrieder Verlag Pforzheim (2004).
  • 5. H. Presser, „Brille und Auge“, S. 74,75,116,196,216, CHK-Verlag Stephanskirchen (2001).
  • 6. D. Methling, „Bestimmen von Sehhilfen“ S.117, Enke Verlag Stuttgart (1996).
  • 7. D. Kalder, „Gleitsichtgläser“, S. 168, WVAO-Bibliothek Band 16 Mainz (2003)
  • 8. A. M. F. Wong, “Listings’s Law: Clinical Significance and Implications for Neural Control,” Survey of Ophthalmology 49. 563–575 (2004).
  • 9. C. M. Schor, “Neuromuscular Plasticity and Rehabilitation of the Ocular Near Response,” Optom. Vis. Sci. 86: 788–802 (2009).
  • 10. M. S. Banks, I. T.C. Hooge, B. T. Backus, “Perceiving slant about a horizontal axis from stereopsis,” J. Vision 1. 55–79 (2001).
  • 11. R. Dorsch, F. Seve, H. Altheimer, P. Baumbach, „The significance of Listing´s Law on the design of spectacle lenses,” Vision and its Applications, OSA Technical Digest (Opical Societey of America, 2000), paper MB2
  • 12. L. Ferman, H. Collewijn, AV van den Berg, „A direct test of Listing´s law I. Human ocular torsion measured in static tertiary positions,” Vision Res. 27(6):929–38 (1987)
  • 13. L. Ferman, H. Collewijn, AV van den Berg, „A direct test of Listing´s law II. Human ocular torsion measured under dynamic conditions,” Vision Res. 27(6):939–51 (1987)
  • 14. G. Esser, D. Uttenweiler, “Die Performance individueller Gleitsichtgläser,” DOZ 12 (2005)
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