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Zwei Jubiläen und ein Meilenstein der Orthoptik

Dr. Udo Hennighausen
Zwei Jubiläen und ein Meilenstein der Orthoptik

Wichtige Ereignisse der Orthoptik fanden Ende letzten Jahres statt: Der Bundeskongress des Berufsverbandes Orthoptik Deutschland (BOD) wurde vom 17. bis 20 November als Jubiläumskongress abgehalten, die Fachschule für Orthoptik Köln in Köln beging ihr Jubiläum am 27. Oktober mit einem Online-Update Strabologie und am 26. November wurde in Göteborg das European Diploma for Orthoptists (EDORTH) inauguriert.

50 Jahre Berufsverband Orthoptik Deutschland

„Ohne orthoptischen Status keine OP-Indikation, ohne morphologischen Befund keine ausreichende Befundbeurteilung und Therapiewahl.“ Mit dieser Botschaft eröffnete Melanie van Waveren als 1. Vorsitzende des Berufsverbandes Orthoptik Deutschland (BOD) den Bundeskongress ihres Berufsverbandes, zugleich Jubiläum 50 Jahre BOD, der coronabedingt online stattfinden musste.

Der BOD war am 5. Mai 1971 von 72 Orthoptistinnen gegründet worden, von denen aktuell noch neun beruflich aktiv sind. Der BOD ist auch Mitglied in der International Orthoptic Association (IOA) und hat als Mitglied im Verband „Orthoptistes de la Communauté Européenne (OCE) wesentlich zu dem Ziel der Vereinheitlichung der Ausbildung für Orthoptik in der Europäischen Union beigetragen. So wurde am 26. November das Europäische Orthoptik-Diplom in Göteborg aus der Taufe gehoben, wie nachstehend berichtet wird.

In der Diskussionsrunde mit dem Thema „Orthoptik 2050“ wurde der Wandel des Berufsbildes Orthoptik deutlich: Das Feld der Orthoptik, fester Bestandteil der Ophthalmologie, hat sich von der „Sehschulung“ zur Diagnostik in weiterem Sinne und Low-Vision-Betreuung bis hin zur Reha-Medizin verlagert. Traditionell eine Fachschulausbildung, steht die Orthoptik jetzt an der Schwelle zum Bachelor-Studium. Die wissenschaftlichen Themen dieser Tagung waren Cyclodeviation and Cyclofusion (Dr. Sara Flodin, Göteborg), OCT in der Neuroophthalmologie (Prof. Klaus Rüther, Berlin), Bilaterale Abduzensparese (Magarethe Fischer, Essen), Visueller Funktionstest in einem (Nacht-)Fahrtsimulator – abgefahren oder Zukunftsmusik?! (Prof. Ulrich Schiefer, Aalen/ Tübingen), Lichtschutzgläser und Kantenfilter (Norbert Gordt, Orthoptist, Blindenstudienanstalt (blista) Marburg), Abschlussergebnisse der EURO-SCREEN-Studie (Prof. Huibert Jan Simonsz, Rotterdam), Pupille (Priv.-Doz. Dr. Carina Kelbsch, Tübin-gen) und Vertikaltropie im Senium – Update zur Differentialdiagnostik“ (Bettina Roggenkämper, Köln).

50 Jahre Berufsfachschule für Orthoptik in Köln

In einer Online-Fortbildung zu Strabologie und Neuroophthalmologie wurden 50 Jahre Berufsfachschule für Orthoptik in Köln gewürdigt und damit verbunden auch an die Zeitge-schichte der damals noch jungen Bundesrepublik erinnert. Für wegweisende Forschungen und klinische Erkenntnisse im Bereich der Strabologie stehen für die Zeit vor 1933 im deutschsprachigen Raum die Namen der Augenärzte Carl-Hubert Sattler und Alfred Bielschowsky und der des Physiologen Armin von Tschermak-Seysenegg. Sattler erkannte den Wert der Okklusionsbehandlung bei Amblyopie, Bielschowsky gilt als der Begründer der klinischen Strabologie, von Tschermak-Seyssenegg wirkte als Mentor vieler klinisch tätiger Augenärzte. Bielschowsky wurde aufgrund seiner jüdischen Herkunft seines Ordinariats für Augenheilkunde in Breslau enthoben und emigrierte in die USA.

Insgesamt erfuhr die Strabologie während der Zeit des „Dritten Reiches“ wenig Beachtung, vermutlich auch kriegsbedingt, so dass nach Kriegsende der Anschluss an die internationale For-schung verlorengegangen war. Nach dem Vorbild der Orthoptik-Schulen in Bonn und Gießen wurde 1966 mit der Gründung einer „Sehschule“ in der damaligen Hausmeisterwohnung der Universitäts-Augenklinik Köln der Grundstein für die spätere staatlich anerkannte „Lehranstalt für Orthoptistinnen“ gelegt.

Das damalige Ziel, durch Schulung eine normale Netzhautkorrespondenz zu erreichen, wurde als nicht realisierbar erkannt, die zeitgerechte Okklusionstherapie zum Goldstandard der Amblyopiebehandlung. So reicht heutzutage das Feld der Orthoptik von der Diagnostik und konservativen Therapie der Motilitätsstörungen der Augen aller Altersgruppen, die Neuroophthalmologie einbeziehend und mit Beziehung zur pädiatrischen Ophthalmologie, über das Low-Vision-Management bis hin zur Ergophthalmologie und Reha-Medizin.

Claudia Schmitz stellte als Leitende Orthoptistin ihre Schule mit aktuell insgesamt zehn Auszubildenden vor, mit den Unterrichtskernfächern Orthoptik und Pleoptik, Blickmotorik und Motilitätsstörungen, Nystagmus, Refraktion, Kontaktlinsenanpassung und visuelle Rehabilitation einschließlich Low-Vision. „Strabologie im Wandel“ rundete die Jubiläumsfortbildung mit folgenden Themen ab: „Genetische Konzepte, „Diagnostischen Konzepte“, „Orthoptik, Pleoptik und Neurorehabilitation“ sowie „Operative Konzepte“.

European Diploma for Orthoptists (EDORTH)

Unter dem Vorsitz von Dr. Sara Flodin (Göteborg) wurde am 26. November 2021 im Rahmen eines Online-Meetings in Göteborg (Schweden) das European Diploma for Orthoptists (EDORTH) vorgestellt, die Frucht von insgesamt drei Jahren intensiver Arbeit des Education committee der OCE (Orthoptistes de la Communauté Européenne).

Educational Institutions aus insgesamt 15 europäischen Ländern haben an diesem vom Erasmus-Programm der EU geförderten Projekt zusammengearbeitet. In drei Phasen – Survey of orthoptic education in Europe, European competency profile und Online e-learning module and exams – wurde ein level grade 4 bezüglich Wissen (knowledge) und Kompetenz (skills) für ein europäisches Diplom erarbeitet und festgelegt.

Voraussetzung für die Teilnahme an der Prüfung zum EDORTH ist ein Orthoptik-Examen in einem Land der EU und die Absolvierung eines speziellen Online-CANVAS learning programs. Das erste Examen ist für März/April 2022 vorgesehen. Das nächste Ziel ist, das EDORTH in der OCE zu verankern, das Fernziel einen Standard für die orthoptische Praxis in Europa zu erreichen, die Orthoptic Education in Europa zu harmonisieren und freie Mobilität bei der Berufsausübung in Europa zu erreichen. Aktuell berechtigt das Diplom noch nicht zur freien Berufsausübung in Europa, kann aber als Beleg für Weiterbildung im Beruf der Orthoptik dienen.


Udo Hennighausen

Dr. med., praktiziert als angestellter Augenarzt in Heide (Holstein).
Sein wissenschaftliches Interesse gilt der Geschichte der Augenheilkunde, der Ophthalmo-Traumatologie, der Neuroophthalmologie sowie der Altersmedizin.

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