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Ernsthafte Bedrohung?

Brillenverkauf über Internet
Ernsthafte Bedrohung?

Als Optiker mit Tradition kann man schon manchmal verzweifeln! Da gibt man sich Mühe, sorgfältig die Stärken zu messen und die exakte Zentrierung zu ermitteln und gibt dem Kunden noch einen Brillenpass für optimalen Service mit – und erfährt dann, dass er sich die nächste Brille im Internet gekauft hat.

Im Folgenden geht es darum, eine Übersicht über die verschiedenen Vertriebsformen und deren Vor- und Nachteile zu bekommen – ohne Anspruch auf Vollständigkeit! Ausserdem stellt sich die drängende Frage: Was kann ich dagegen tun, wenn meine Kunden abwandern?

Früher – als die Welt aus augenoptischer Sicht noch in Ordnung war – wurden die Brillen noch im Fachgeschäft gekauft. Punkt!
Alles begann mit dem Preisdumping der Filialketten, die aus unternehmerischer Sicht unverändert erfolgreich agieren und sich vermehren. Schon seit 15 bis 20 Jahren gibt es nun die Fertiglesebrillen in Drogerien und Tankstellen, die einige Optiker ebenfalls ins Sortiment aufgenommen haben, um den Kundenkreis zu vergrössern. Aber das war alles relativ harmlos im Vergleich zu der Vielzahl der neuen Vertriebsformen, die in den letzten fünf Jahren wie Pilze aus dem Boden schossen:
  • Kontaklinsen über Internet
  • Fassungskauf in Drogerien
  • Brillenanprobe im Internet
  • Brillenversteigerung ebenfalls im Internet
  • Brillentouristik nach Ungarn oder Hongkong usw.
  • Brillenverkauf beim Augenarzt
  • Mobile Optik
  • Brillenparties und –Events
Was ist dran an diesen Vertriebsformen und wie erfolgreich können Sie werden? Ich werde mich in dieser Ausgabe im Wesentlichen auf den Brillenverkauf über Internet beschränken. Auf Wunsch können wir diese Betrachtungen gerne noch erweitern.
Exemplarisch für den aktuellen Brillenverkauf über Internet seien hier drei Anbieter genannt:
Bei diesen Anbietern kann der Kunde die Fassungen im Netz betrachten, teilweise in Rundumsicht oder auf verschiedenen Gesichtern, ausserdem ist es möglich, das eigene Foto hochzuladen und die Brille darauf virtuell „anzuprobieren“.
Da das offenbar noch nicht aussagekräftig genug ist, wird eine Auswahlsendung von ausgewählten Brillenfassungen zugesandt, die dann im heimischen Wohnzimmer verglichen werden können. Das funktioniert bei Kleidung ja schon seit Jahrzehnten hervorragend!
Da gibt es nur einen klitzekleinen Unterschied: Die Kleidung ist sofort gebrauchsfertig, anders ist das – zum Glück – bei einer Brillenfassung! Und dieses Bewusstsein haben wohl auch die Anbieter. Nur so ist es zu erklären, dass diese Brillen zu absoluten Dumpingpreisen angeboten werden, bei denen auch den Filialisten die Ohren schlackern: Zum Beispiel werden hier komplette Brillen mit SuperET und Hartbeschichtung ab 19,- Euro angeboten! (Da fragt man sich doch, wie solche Anbieter existieren können…)
Ebenso wie der Kontaktlinsenkauf im Internet ist auch der Brillenverkauf immer auf eine vorangegangene Messung bzw. Anpassung und deren Daten angewiesen. Ausserdem fehlt die nachträgliche Anpassung der Fassung.
Das heisst, der Augenoptiker bekommt zumindest die Chance, diese Kunden zu beraten und seine Erfahrung und Persönlichkeit einzusetzen (sofern man nicht direkt mit einem Augenarztrezept im Internet bestellt, dann fehlen aber in der Regel die Zentrierdaten).
Diese Chance kann und muss ich nutzen, um die Kundenbindung zu vertiefen. Wichtig ist hier vor allem Beratung über die Gefahren und Nachteile von falsch angepassten Linsen oder Brillen. Wenn ich es schaffe, dass mein Kunde mich als kompetenten Partner und modischen Berater akzeptiert, wird er in der Regel genau das beim anonymen Kauf vermissen.
Dazu gehört aber auch, dass ich bei allem mit offenen Karten spiele, um sein Vertrauen nicht zu enttäuschen. Auch zum Beispiel bei der Frage, ob ich ihm die randlose Brille aus der Drogerie verglasen würde. Wenn ich mich aus Standesdünkel weigere, bin ich diesen Kunden los und er sucht sich einen anderen Optiker.
Das heisst, ich sollte schon stichhaltige Argumente aus der Sicht des Kunden parat haben, zum Beispiel die Ersatzteilbeschaffung im Reparaturfall oder bei einer Beschichtungsreklamation. Und dann ihn entscheiden lassen, ob ihm eine alternative Fassung nicht sicherer erscheint.
Meiner Erfahrung nach ist einfach Folgendes entscheidend:
Nicht der billigste Optiker wird sich durchsetzen, sondern der, der für seine Kunden zum Freund und Partner in Sachen Augen wird.
Und da haben wir es vor Ort natürlich einfacher als der Versender im Internet, ein intensives Verhältnis aufzubauen, vor allem, wenn ich mit einem portablen Laden arbeite, der mir ermöglicht, auch beim Kunden zuhause zu messen! Damit sind wir bei der mobilen Optik, einem wachsenden Marktsegment, das genau diese Kundenbindung am erfolgreichsten umsetzen kann. Aber dazu später an dieser Stelle mehr…
Im Anschluss ist hier ein „Dialog“ in einem Forum „Augen“ aus 2005 abgedruckt, dem eigentlich nichts hinzuzufügen ist:
Zitat Forum:
„20.06.05 18:59
Brille aus dem Internet oder aus Tschechien
Es ist soweit… ich brauche erstmalig eine Gleitsichtbrille
Nachdem ich mir nun das vierte Angebot geholt habe und keines unter 520 Euro dabei war (Fassung kommt noch dazu), überlege ich, im Internet oder in Tschechien zu kaufen.
Ich benötige hochbrechende Kunststofflinsen (>= 1,6).
Hat jemand Erfahrungen damit, speziell was die Problematik der Anpassung bei Kauf im Internet betrifft? Man verzichtet ja da auf jeglichen Service, denk ich mir.
Weiß jemand, wie die Ersparnis bei Brillen aus Tschechien ist, also ob sich das lohnt ?
Antwort eines anderen Forum-benutzers
Also ich glaube eher nicht, dass Du in Tschechien viel sparen würdest. Habe selber eine Zeitlang im Ausland gelebt (zwar nicht in Tschechien, aber in einem Land mit „vergleichbaren Preisen“), und bei Brillen habe ich da kaum Unterschiede im Preis feststellen können. Denn sofern Du eine gewisse Qualität willst, verwenden die auch im Ausland die gleichen Markengläser der internationalen Hersteller zu mehr oder weniger den gleichen Preisen. Das gleiche gilt für die Brillenrahmen. Lediglich die „Arbeitskosten“ des Optikers sind vielleicht etwas günstiger, was aber bei einer Gleitsichtbrille nicht viel ausmachen wird.
Und was das Internet betrifft: Also ich würde mir nie eine Brille übers Internet anfertigen lassen (obwohl ich sonst recht viel im Internet einkaufe, also diesbezüglich durchaus „offen“ bin). Und jetzt zwar nicht sosehr wegen des „Services“, aber wie willst Du denn da sicher sein, dass die Gläser richtig zentriert sind Und gerade bei einer Gleitsichtbrille mit höheren Werten kommt es meines Wissens wirklich auf eine exakte Zentrierung an – und die wäre im Internet wohl ein Glücksspiel.“
Abschliessend lässt sich hier Folgendes festhalten:
Der Gleitsichtkauf, die Haupteinnahmequelle des Optikers, ist und bleibt Vertrauenssache! Komplette Brillen übers Internet funktionieren nur, wenn Sie gnadenlos günstig sind, da wichtige Elemente einer professionellen Anpassung nach wie vor nur vor Ort möglich sind – und das ist den meisten Brillenträgern durchaus bewusst!
In der nächsten Ausgabe werden die Chancen und Risiken von Formen der mobilen Optik und der Brillenverkauf beim Augenarzt näher betrachtet.
Jürgen Fladung, Augenoptikermeister, Brillendesigner und -produzent
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