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Die Mittelschicht schrumpft – sinkt auch der Umsatz?

Einkommensentwicklung in Deutschland, Teil 1
Die Mittelschicht schrumpft – sinkt auch der Umsatz?

Eine Pressemitteilung des DIW (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung) in Berlin lässt aufhorchen. Die Überschrift lautet: „Einkommensentwicklung in Deutschland: Die Mittelschicht verliert.“ Aber wer oder was ist die Mittelschicht und welche Auswirkung hat die Veränderung in diesem Bevölkerungssegment für die Kaufkraft, die letztlich Ziel jedes unternehmerischen Handels sein muss.

Unter dem Aspekt der Konsumausgaben hat der Durchschnittsverdiener, der statistisch gesehen in die so genannte Mittelschicht eingeordnet wird, vom Volumen her eine hohe Bedeutung. Dies bezieht sich sowohl auf den absoluten Bevölkerungsanteil, wie auch das Einkommen und letztlich damit den Anteil, der für Konsumzwecke ausgegeben wird.

Die Mittelschicht
In dem zuvor genannten Beitrag wird weiterhin darauf hingewiesen, dass in zunehmender Weise die Mittelschicht bevölkerungstechnisch schrumpft. Die Schicht der Bezieher mittlerer Einkommen geht im Vergleich zu den Jahren zuvor sogar alarmierend rasch zurück.
Während der Anteil der Mittelschicht an der Gesamtbevölkerung bis zum Jahre 2000 acht Jahre lang stabil bei 66 Prozent lag, sackte er in den folgenden sechs Jahren bis 2009 auf 56 Prozent ab. Das entspricht einem Rückgang von 49 Millionen auf 44 Millionen Personen. Dabei war auch festzustellen, dass die so genannte Abwärtsmobilität – also der Fall in niedrigere Einkommensgruppen – stärker ausgeprägt war, als der Aufstieg in die höheren Einkommensklassen, mit den entsprechenden Auswirkungen auf die Konsumausgaben.
Ein Stützpfeiler der sozialen Marktwirtschaft gerät also ins wanken. Ausgerechnet die Mittelschicht, die wie keine andere soziale Gruppe Deutschland nach dem Krieg geprägt hat, leidet unter akuter Auszerrung.
Um Missverständnisse gleich vorzubeugen, hier eine kurze Erläuterung des Begriffs Mittelschicht, wie er in diesem Beitrag verstanden und angewendet wird: Die Mittelschicht wird in den nachfolgenden Ausführungen allein über den Verdienst definiert, also ökonomisch! Bildung, sozialer Status oder Herkunft werden nicht berücksichtigt. Weiterhin wird in den nachfolgenden Ausführungen immer wieder Bezug auf das verfügbare Einkommen genommen. Auch diese Größe wollen wir an dieser Stelle zunächst kurz erläutern. Der Begriff ist nicht mit dem Haushaltsnettoeinkommen zu verwechseln, das sich zum Beispiel nach der GfK (GeoMarketing) für das Jahr 2009 wie in Tabelle 1 dargestellt.
Verfügbares Einkommen
Das Bruttoeinkommen bildet die Gesamtheit aus Bruttoeinkommen aus nicht-selbständiger Arbeit und Bruttoeinkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen. Hierzu addiert man die so genannten Transferzahlungen, wie Alters- und Sozialrenten, Pensionen und Kindergeld. Abgezogen werden die Steuern, Abgaben und Sozialversicherungsbeiträge. Es bleibt das verfügbare Nettoeinkommen oder auch „disponible“ Einkommen übrig.
Das verfügbare Einkommen stellt somit einen besonders aussagekräftigen Indikator für den monetären Wohlstand der Bevölkerung dar und ist als der Betrag zu verstehen, der den in einer bestimmten Region lebenden Menschen für Konsumzwecke oder zur Ersparnisbildung zur Verfügung steht.
Grundlagendaten der Mittelschicht
Die Einkommenssituation für die Bundesrepublik Deutschland wird in einer Zusammenarbeit des Deutschen Instituts der Wirtschaft (DIW) in Berlin und dem Infratest Sozialforschungs-Institut auf der Basis eines Panels analysiert. Dies ist eine repräsentative Wiederholungsbefragung privater Haushalte, die seit 1984 in Westdeutschland und seit 1990 in Ostdeutschland jährlich durchgeführt wird.
Bei dieser Untersuchung weicht man etwas von der allgemeinen Definition des verfügbaren Einkommens ab, da in diesem Fall unterschiedliche Haushaltsgrößen berechnet werden. Hierzu erhält zum Beispiel der Haushaltsvorstand ein Gewichtung von 1, alle weiteren erwachsenen Haushaltsmitglieder werden mit 0,5 und alle Kindern bis 14 Jahre mit je 0,3 gewichtet.
Ergebnisse und Aussagen zur Mittelschicht
Aber wie hoch liegt nun das mittlere tatsächliche verfügbare Jahreseinkommen um die Mittelschicht näher charakterisieren zu können?
Bis 1998 – bei einem schwachen wirtschaftlichen Wachstum – wurde ein Wert von rund 14.900 Euro (mtl. 1.243 Euro) ausgewiesen. Im anschließenden Aufschwung stieg der Wert auf rund 15.600 Euro (1.300 Euro) im Befragungszeitjahr 2003, um sich danach wieder geringfügig in der Tendenz abzuschwächen. Im Jahre 2009 lag der Wert bei 15.700 Euro.
Weiterhin wurde für den Zeitraum 1992 bis 2006 ein Steigen des Median bei den bedarfsgewichteten verfügbaren Nettoeinkommen um rund 900 Euro ausgewiesen. Betrachtet man zum Vergleich das Arithmetische Mittel, so wird ein Wert von 1.700 Euro berechnet.
Der Unterschied im Verlauf zwischen dem arithmetischen Mittel und dem mittleren Einkommen (Median) deutet darauf hin, dass die zwischenzeitlich erzielten Wohlfahrtsgewinne nicht der gesamten Bevölkerung gleichermaßen zugute kommen. Die Einkommen der oberen Hälfte der Einkommensbezieher sind schneller gewachsen als die der unteren Hälfte, d.h. die Einkommensungleichheit hat zugenommen.
Dies wird auch durch die nachfolgenden Daten unterstrichen, die einer Veröffentlichung des DIW entnommen wurden. Lagen die Mittelwerte der Einkommensgruppen im Jahre 1993 noch bei 643 Euro (niedrige Einkommen), 1.222 Euro (mittlere Einkommen und 2.372 Euro (hohe Einkommen), so stellten sich die Werte im Jahre 2009 wie folgt dar: 677 Euro (niedrige Einkommen), 1.311 Euro (mittlere Einkommen) und 2.672 Euro (hohe Einkommen). Lag die Abweichung zwischen niedrigem und mittlerem Einkommen im Jahre 1993 noch bei 579 Euro, so wurde für das Jahr 2009 eine Abweichung von 634 Euro ermittelt. Beim Vergleich der mittleren und höheren Einkommen lagen die Abweichungswerte bei 1.149 Euro (1993) und 1.360 Euro (2009)
Die Entwicklung von 2000 zu 2009 unterstreicht auf der Basis der Betrachtung des bedarfsgerechten Haushaltsnettoeinkommens und dem Median, die Entwicklung der Mittelschicht weg zur Unter- und Oberschicht – jeweils nur auf der Basis der ökonomischen Betrachtung! Dies ist aus der Darstellung in Tabelle 2 zu entnehmen.
Wie der Tabelle 2 zu entnehmen ist, lassen sich die Einkommensschichten bezogen auf den Median grob in drei Klassen unterteilen, die ‚Unterschicht‘ mit ‚weniger als 50 Prozent bis unter 90 Prozent‘ des durchschnittlich verfügbaren Einkommens; die ‚Mittelschicht‘ mit einer Spannbreite von 90 Prozent bis unter 150 Prozent‘ des durchschnittlich verfügbaren Median-Einkommens und die ‚Oberschicht‘ mit ‚150 Prozent und mehr‘ des durchschnittlich verfügbaren Median-Einkommen.
Nehmen wir nunmehr den Durchschnittsverdiener, also die Gruppe ‚90 Prozent bis unter 110 Prozent‘ exemplarisch aus der Teilgruppe ‚Mittelschicht‘ heraus, so weist diese insgesamt die stärksten Verluste mit einem Rückgang von rund 7 Prozentpunkten aus. Im Vergleich 2000 zu 2009 verringert sich die zugehörige Bevölkerungszahl – wie bereits zu Beginn dieses Beitrags genannt – von 49 Millionen auf 44 Millionen.
In der Oberschicht beschränkt sich die Zunahme fast ausschließlich auf die Gruppe derer mit den höchsten Einkommen (> 200 Prozent des Median), wobei diese Gruppe 2009 lediglich 9 Prozent der Gesamtbevölkerung repräsentierte.
Aber für die weitere Betrachtung ist die Vergangenheit nicht von so großem Interesse, sondern es stellt sich die Frage, wie sich die Zukunft entwickeln wird.
Auf welche Zielgruppen in der Bevölkerung soll man sich aber in Zukunft einstellen?
Wir werden die Zielgruppen unter zwei unterschiedlichen Aspekten betrachten. Einmal die Ausgaben und das verfügbare Einkommen in Bezug auf Einkommensgruppen und auf der anderen Seite nach Haushaltsgrößen und –typen.
Konsumausgaben und verfügbares Einkommen auf Einkommensgruppen bezogen
Die Daten lassen die Auswertung der Beziehung zwischen verfügbarem Einkommen und Konsumausgaben zu, siehe Tabelle 3. Hieraus lassen sich dann relativ einfach die für den einzelnen Betrieb möglichen Zielgruppen ermitteln. Wichtig ist aber auch die Berücksichtigung der räumlichen Lage und die Bevölkerungsstruktur.
Bei einem verfügbaren Einkommen von ‚unter 900’ werden Konsumausgaben von 790 Euro getätigt. Dies trifft auf rund 2,8 Mio. Haushalte zu. Nimmt man den Indikator Gesundheitspflege, so ergibt sich ein prozentualer Anteil von 2,2 Prozent. 4,6 Mio. der Haushalte verfügen über ein verfügbares Einkommen von ‚900 bis 1.300 Euro’ und geben für Konsumzwecke rund 1.081 Euro aus.
Der Anteil von 3,3 Prozent für Gesundheitspflege entspricht 33 Euro pro Haushalt. Und Monat. Die nächste Erfassungsgruppe umfasst ein verfügbares Einkommen von ‚1.300 – 1.500 Euro’.
Die Ausgaben für Konsumgüter und Dienstleistungen belaufen sich durchschnittlich auf 1.316 Euro und die Ausgaben für Gesundheitspflege betragen 38 Euro oder 2,9 Prozent.
Eine weitere Gruppe beinhaltet ein verfügbares Einkommen von ‚1.500 – 2.000 Euro und mit 5,3 Mio. der Haushalte eine überdurchschnittliche Gruppe. Ausgegeben werden 1.557 Euro für Konsumzwecke und davon durchschnittlich 50 Euro oder 3,2 Prozent für die Gesundheitspflege.
Auch die Gruppe ‚2.000 – 2.600 Euro’ mit 5,6 Mio. Haushalten und Ausgaben in Höhe von 1.948 hat einen recht großen Marktanteil. Die anteiligen Ausgaben für die Gesundheitspflege belaufen sich auf 64 Euro oder einem Prozentwert von 3,3 Prozent.
Auch das verfügbare Einkommen im Bereich ‚2.600 – 3.600 Euro’ und einem Konsumausgabeblock von 2.418 Euro weist für Gesundheitspflege 3,3 Prozent aus, jedoch in absoluten Zahlen in diesem Fall durchschnittlich 80 Euro. In dieser Gruppe befinden sich 7,3 Mio. der Haushalte.
Die vorletzte Gruppe umfasst den Bereich ‚3.600 – 5.000 Euro’ mit 5,6 Mio. Haushalten und Konsumausgaben von 3.008 Euro. Die Gesundheitspflege umfasst 123 Euro oder 4,1 Prozent.
Abschließend gibt es noch die Gruppe des verfügbaren Einkommens mit ‚mehr als 5.000 Euro’. 4,6 Mio. der Haushalte fallen unter diese Kategorie und jeweils mit Konsumausgaben in Höhe von durchschnittlich 4.197 Euro. Der Indikator Gesundheitspflege wiest einen absoluten Betrag von 239 Euro oder 5,7 Prozent aus.
Von besonderem Interesse ist natürlich der direkte Vergleich der jeweiligen Anteilswerte für die Einkommensgrößen und die von diesen ausgelösten Umsätzen für die Gesundheitspflege, die wiederum als Referenzgröße für die Ausgaben für Brillen und Kontaktlinsen stehen.
Durchaus erstaunlich ist, dass die Einkommensgruppen mit einem verfügbaren Einkommen über 2.600 Euro mehr als die Hälfte der Ausgaben tätigen, obwohl sie ‚nur’ rund 25 Prozent der Haushalte repräsentieren.
Im unteren Viertel der Haushalte, die über ein verfügbares Nettoeinkommen von bis zu 1.500 Euro verfügen, wird dagegen ein Ausgabenanteil von ‚lediglich’ rund 9 Prozent ausgewiesen.
Diese Zahlen zeigen noch einmal deutlich, dass nicht allein die Anzahl der Haushalte oder der Wohnbevölkerung für Planungen hinsichtlich von Marketingaktivitäten und Kundenansprache relevant sind, sondern dass parallel auch das Ausgabeverhalten und die Kaufkraft mit in die Überlegungen einbezogen werden sollten.
Die Konsumausgaben nach Haushaltsgrößen und -typen
Nach Schätzungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung wird sich die Einwohnerzahl in der Bundesrepublik Deutschland bis zum Jahre 2050 von gegenwärtig 82,5 Millionen auf 76,4 Millionen reduzieren.
Diese Reduzierung geht einher mit einer nicht zu übersehenden Verschiebung in der Alterststruktur. Der Anteil der Kinder und Jungendlichen unter 20 Jahren wird auf rund 16 Prozent sinken, der Anteil der 65-Jährigen und Älteren von 18 Prozent auf rund 30 Prozent ansteigen.
Für den Augenoptiker zunächst vermeintlich eine durchaus positive Nachricht, liegt das Alter der Kundschaft in den meisten Fällen eher über als unter 45 Jahren.
Natürlich muss bei dieser Betrachtung auch wieder berücksichtigt werden, dass letztlich die Konsumausgaben und die Konsumstruktur – neben dem Alter der Konsumenten – von der Höhe des zur Verfügung stehenden Einkommens und von der Haushaltszusammensetzung abhängen.
Kommen wir zunächst zum privaten Verbrauch und dem daraus resultierenden verfügbaren Einkommen (in Mrd. EURO). Die Entwicklung dieser Größen wird auf der Basis der vorliegenden Daten aus dem Jahre 2003 dargestellt, so dass die Gruppenunterschiede deutlich werden.
Die Eingruppierung erfolgt auf der Basis des/der Haupteinkommensbeziehers/ -bezieherin von … bis unter … Jahren. Hieraus kann man die Gesamtbedeutung der einzelnen altersgruppendefinierten Haushalte erkennen.
Die zur Verfügung gestellten Daten für das Jahr 2003 machen einige gravierende Unterschiede deutlich. Die Ausgaben für Gesundheitspflege – eine weitergehende differenziertere Darstellung liegt leider nicht vor – werden als Indikator für die Ausgabebereitschaft für z.B. Brillen und Kontaktlinsen angenommen und nachfolgend weiter interpretiert.
Die Einteilung der Haushalte nach der Altersstruktur richtet sich nach dem Alter des Haupteinkommensbeziehers bzw. -bezieherin.
  • Junge Haushalte unter 35 Jahren: Diese bestehen zu zwei Dritteln aus Alleinstehenden und Paaren ohne Kinder, wobei Alleinstehende einen prozentualen Anteil von 47 Prozent und Paare ohne Kinder von 22 Prozent ausweisen.
  • Haushalte im Alter von 35 bis unter 50 Jahren: Die Haushaltsstruktur zeichnet sich zu zwei Dritteln durch Alleinerziehende Paare und Haushalte mit älteren Kindern aus.
  • Haushalte im Alter von 50 bis unter 60 Jahren: Diese Altersgruppe ist gekennzeichnet durch Familienhaushalte mit älteren Kindern und Paarhaushalten ohne Kinder, die einen Anteil von 33 Prozent ausweisen. Der Anteil der Hoch- und Niedrigeinkommen ist vergleichbar der Altergruppe zuvor.
  • Haushalte im Alter von 60 bis unter 65 Jahre: Die Angehörigen dieser Altergruppe befinden sich häufig im Übergang zwischen Erwerbstätigkeit und Rente und weisen durchschnittlich geringere Ausgaben für Konsumgüter aus als die zwei Gruppen zuvor. 52 Prozent der Gruppe sind als Paarhaushalte ohne Kinder klassifiziert und 35 Prozent als Alleinstehende.
  • Haushalte im Alter von 65 bis unter 75 Jahren: Diese werden auch die „jungen Alten“ genannt und zeichnen sich durch ein etwas reduziertes durchschnittliches Einkommen aus. Auch diese Gruppe hat einen Anteil von 52 Prozent Paarhaushalte ohne Kinder aber bereits 42 Prozent Alleinstehende.
  • Haushalte der 75-Jährigen und Älteren: Diese Haushalte sind durch einen hohen Anteil von Alleinstehenden gekennzeichnet, so dass die durchschnittliche Haushaltsgröße mit 1,39 Personen deutlich niedriger als der Durchschnitt mit 2,12 ist. Bei den Alleinstehenden handelt es sich zu 53 Prozent um Frauen.
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