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Analyse ist unentbehrlich

Der Weg zur starken Marke (Teil 2)
Analyse ist unentbehrlich

„Wo wollen Sie in fünf Jahren stehen?“ Das fragen gern Banker, Vorgesetzte, Investoren sowieso. Die erwartete Antwort soll belegen, dass der Befragte nach vorne will. Und wo ist vorne? Nun, vorne ist da, wo das Wachstum ist, hört man oft aus Politik und Wirtschaft. Was aber Wachstum ist, darauf gibt es viele komplexe Antworten, die sich nicht allein auf die Größe eines Unternehmens beziehen, sondern auf seine komplexe Entwicklung. Und für die Entwicklung eines Unternehmens gibt es verschiedene Richtungen.

Wachstum ist Entwicklung, das gilt ebenso für Automobil-Hersteller wie für Augenoptik-Fachgeschäfte. Für Entwicklungsszenarien gibt es verschiedene Ansatzpunkte. Voraussetzung ist aber stets die Analyse des Ist-Zustandes. Das soll unser heutiges Thema sein.

Im ersten Teil dieser Reihe haben wir die Markenstärke eines Unternehmens betrachtet und sie als das Zusammenspiel von Markenbekanntheit, Markenklarheit (das innere Bild der Marke – das Image), rationalem Markennutzen (Preis, Qualität, Service, Erreichbarkeit) und dem emotionalen Markennutzen (Vertrauen, Sympathie, Glaubwürdigkeit, Geborgenheit, Zuverlässigkeit) definiert.
Die zusätzliche Chance des mittelständischen Augenoptikers, bezogen auf den Wettbewerb vor Ort, besteht darin, die eigene Markenstärke seiner Person (Bekanntheit, Image, Sympathie, Vertrauen, Glaubwürdigkeit) in sein eigenes Unternehmen einzubringen und damit die Markenstärke des Gesamtunternehmens zu erhöhen.
Wie in allen Bereichen des Einzelhandels, so haben auch in der Augenoptik unterschiedliche Unternehmenskonzepte ihre Berechtigung. Man kann sehr wohl als Discounter, als Generalist oder als Premium-Anbieter wirtschaftlich erfolgreich sein, wenn es die Größe des örtlichen Marktes erlaubt. Allerdings gilt: Wo ALDI plakatiert ist, muss auch ALDI gelebt werden. Je genauer man seine Zielgruppe definiert, desto einfacher ist es herauszufinden, mit wem man tatsächlich im Wettbewerb ist.
Will man sein Profil schärfen oder strebt man eine grundsätzliche Neupositionierung an, dann bedarf dies einer professionellen Vorgehensweise. Von entscheidender Bedeutung ist hierbei, welches Image gestärkt oder neu angestrebt wird. Mit wem steht man dann im Wettbewerb? Begegnet man diesem Wettbewerber auf Augenhöhe? Gibt der Markt aus betriebswirtschaftlicher Sicht diese Veränderung überhaupt her?
Einfach Preise rauf oder runter hieße aus einem Ackergaul ein Rennpferd zu machen oder das Rennpferd vor einen Pflug zu spannen. Man kann sich den Ausgang solch eines Handels schön reden, aber den Einzigen, den es freuen wird, ist der Pferdemetzger.
Das Flussdiagramm in Abb. 1 zeigt die systematische Vorgehensweise bei der Markenbildung. Zuerst gilt es, den Ist-Zustandes zu bilanzieren. Um den Ist-Zustand ernsthaft zu analysieren, müssen wir uns als erstes deutlich über den augenoptischen Tellerrand hinweg bewegen und uns allgemein über die unterschiedlichen Verbrauchertypen mit ihren finanziellen Möglichkeiten und das Marktvolumen der Augenoptik informieren.
Verbraucher
Setzt man Preis und Qualität eines Produktes ins Verhältnis, so kann man grob vereinfacht sagen, dass für ein Viertel der Verbraucher die Qualität im Vordergrund steht, für ein weiteres Viertel steht der Preis an erster Stelle, ein weiteres Viertel entscheidet von Produkt zu Produkt unterschiedlich und das letzte Viertel steht dem Thema gleichgültig gegenüber.
Diese Aufteilung zeigt deutlich, dass der Wunsch nach Qualität fast durchgängig vorhanden ist. Jedoch nicht alle Verbraucher sind bereit oder in der Lage, die gewünschte Qualität unabhängig vom Preis zu sehen. Die Gründe sind einfach. Betrachtet man die Netto-Einkommen deutschsprachiger Bevölkerung ab 14 Jahre, so sieht man, dass fast 70 % der Bevölkerung über ein monatliches Netto-Einkommen kleiner als 1500 Euro verfügen. Knapp 24 % haben ein monatliches Netto-Einkommen zwischen 1500 und 2500 Euro (s. Abb. 2).
Nach Abzug aller Fix- und Lebenshaltungskosten verbleibt für fast 40 % der Bevölkerung ein Konsumspielraum von 0 bis 100 Euro/mtl. Wenn die Parole ausgegeben wird, „Ihr müsst die Kunden mit Gleitsichtbrillen zum Komplettpreis von 49 Euro anlocken, um danach hochwertig zu verkaufen“, dann kann dies zumindest bei dieser Verbrauchergruppe mangels Masse nicht gelingen. Fakt ist: Knapp 20 % müssen bei der Erfüllung ihrer Konsumwünsche nicht auf den letzten Euro achten. Gut 40 % haben einen monatlichen Spielraum von 100 bis 300 Euro (s. Abb. 3).
Wenden wir uns noch mal der Gruppe mit einem monatlichen Konsumspielraum von 100 bis 300 Euro zu. Traut man den Medien, so sind wir „Deutsche“ Reiseweltmeister, lieben Events kultureller oder sportlicher Art und investieren allgemein gern in Freizeitaktivitäten. Bei dieser Gruppe der Verbraucher konkurriert die Brille sowohl mit der Reise nach Mallorca, dem Besuch auf Schalke, einem guten Essen beim Italiener als auch den angebotenen Wellness- und Fitnessaktivitäten.
In dieser und auch in der darüber angesiedelten Gruppe mit einem monatlichen Konsumspielraum höher als 300 Euro bis Ende offen – im Ruhrgebiet würde man sagen „Kohle ohne Ende“ – liegt die Wiege der Smart-Shopper. Für den Händler die unangenehmste Verbrauchergruppe. Sie wollen den Porsche, aber bitte zum kleinstmöglichen Preis. Diese Gruppe besucht in der Regel fünf Augenoptiker, um den zu entdecken, der sich bei der Preisfindung am weitesten herunter handeln lässt. Eigentlich ist diese Gruppe klein! Treten diese Smart-Shopper jedoch dreimal in der Woche auf, so ist man schnell geneigt zu glauben, ohne Rabattierung läuft gar nichts mehr.
Augenoptischer Markt
Was landet von dem gesamten Konsumspielraum der Verbraucher im augenoptischen Markt? Wem darf man glauben? Wessen Zahlen sind richtig? Welche Werte sind nahe an der Wahrheit?
Im Branchenbericht des ZVA vom April 2009 wurde ein Branchenumsatz von brutto 3,879 Mrd. Euro für das Jahr 2008 angegeben.
Im April 2010 veröffentlichte der ZVA für das gleiche Jahr 2008 einen Branchenumsatz von brutto 4,73 Mrd. Euro. Eine wunderbare Brotvermehrung wie in Kanaan oder doch die Einsicht, dass man die zu veröffentlichen Werte den Werten des Statistischen Bundesamtes annähern sollte?
Die offizielle Version des ZVA begründet diesen Zuwachs mit der Anzahl der zusätzlichen Betriebsstätten, die sich bei einer neuerlichen Zählung durch die Handwerkskammern ergeben hätten. Na ja, der Glaube versetzt manchmal Berge. Wichtiger jedoch ist das Ergebnis.
Das Statistische Bundesamt weist für 2008 unter der Nummer 52.49.3 Augenoptiker einen Branchenumsatz aus der Umsatzsteuerstatistik von netto 4,3235 Mrd. Euro aus. Dies entspricht einem Bruttoumsatz von 5,145 Mrd. Euro. Damit liegt der Wert des ZVA um 415 Mio. Euro unter dem des Statistischen Bundesamtes. Das entspricht einer Differenz von knapp netto 350 Mio. Euro. Nun gilt allgemein das Finanzamt als sehr zuverlässig, wenn es darum geht, Umsatzsteuern zu kassieren und zu verbuchen. Leider veröffentlicht das Statistische Bundesamt mit einer Verzögerung von zwei Kalenderjahren.
Bereits heute freut sich der Verfasser auf Leserbriefe, die diese Differenz durch Umsätze im Bereich der Hörakustik erklären. Allerdings sind vom ZVA in den Veröffentlichungen 2009 bereits netto 100 Mio. Euro für diesen Zweck eingerechnet.
Unterstellt man, dass der Umsatz 2008 (Statistisches Bundesamt) gleich 2010 ist, so ergibt sich ein Pro-Kopf-Umsatz, bei gerundeten 82 Millionen Einwohnern, von netto 52,73 Euro. Glaubt man dem ZVA, dann entfallen 81,4 % auf die Brillenoptik. Damit würden netto 42,92 Euro pro Kopf und Jahr an Umsatz zu erzielen sein.
Bei einer Stückzahl von 34,04 Mio. Brillengläsern und 11 Mio. Brillenfassungen wären pro Einwohner und Jahr 0,208 Aufträge (komplette Brillen, 2 Gläser in eigene Fassung, eigene Gläser in neue Fassung) zu erzielen.
Der durchschnittliche Wert eines Auftrages beträgt demnach Netto 206,78 Euro.
Bilden wir nun den augenoptischen Markt in einer Musterstadt mit 10000 Einwohnern ab.
Beispiel 1
Einwohner: 10 000
Zentralität: 1
Kaufkraftindex: 1
Gesamtmarkt Augenoptik: 10000 x 52,73 Euro/netto = 527.300 Euro/netto
Gesamtmarkt Brillenoptik: 10000 x 42,92 Euro/netto = 429.200 Euro/netto
Aufträge/Stück: 2080
Durchschnittswert
pro Auftrag: 206,78 Euro/netto
Beispiel 2
Einwohner: 10000
Zentralität: 1,4
Kaufkraftindex: 1,2
Einwohner: 10000 x 1,4 = 14000
Kaufkraftindex: 52,73 Euro/netto x 1,2 = 63,28 Euro/netto
42,92 Euro/netto x 1,2 = 51,50 Euro/netto
Gesamtmarkt Augenoptik: 14000 x 63,28 Euro/netto = 885.920 Euro/netto
Gesamtmarkt Brillenoptik: 14000 x 51,50 Euro/netto = 721.000 Euro/netto
Aufträge/Stück: 2912
Durchschnittswert pro Auftrag: 247,60 Euro/netto
Beispiel 1 setzt voraus, dass alle Einwohner ihren augenoptischen Bedarf vor Ort decken und kein zusätzlicher Umsatz von außen zufließt. Das entspräche einer Zentralität gleich 1. Ebenso setzt es voraus, dass der einzelhandelsrelevante Kaufkraftindex 100 oder in manchen Darstellungen dem Wert 1 entspricht.
Ist die Zentralität einer Stadt wie in Beispiel 2 ungleich 1, so muss die Einwohnerzahl mit diesem Faktor multipliziert werden. Ist der einzelhandelsrelevante Kaufkraftindex ungleich 1, so muss der mögliche Durchschnittswert Augenoptik und Brillenoptik mit diesem Faktor multipliziert werden.
Kennziffern hierzu findet man häufig in Veröffentlichungen der örtlichen IHK.
Diese Betrachtungen waren nötig, um jetzt den Ist-Zustand vor Ort bilanzieren zu können. Man setzt nun einfach seinen jeweiligen Umsatz ins Verhältnis zum möglichen Umsatz vor Ort. Damit kennt man seinen Marktanteil. Nun bewertet man seinen Wettbewerb. Man beurteilt dabei, ob der jeweilige Wettbewerber das Image eines Discounters, eines Generalisten oder eines Premium-Anbieters hat.
Vernetzt man nun das Wissen um den örtlichen Markt mit den Erkenntnissen des Verbraucherverhaltens und dessen Konsumspielräume mit Branchenpublikationen (GfK, Spectaris, Fielmann AG) so kann man folgende Aussage bezogen auf die Musterstadt mit 10000 Einwohnern treffen: Das Marktvolumen im Discount-Bereich beträgt knapp 165.000 Euro bei einer Stückzahl von 1450 Aufträgen. Der Premium-Bereich hat bei 620 Aufträgen ein Volumen von knapp 264.000 Euro.
Ermittelt man nun den Durchschnittswert der eigenen Aufträge, ist eine Positionierung nach Auftragswert möglich. (s. Abb. 4.1) Die gleiche Systematik gilt für Einstärkengläser und Gleichsichtgläser. (s. Abb. 4.2 + 4.3)
Nachdem man nun die eigene Positionierung objektiviert hat, wird klar, in welcher Liga man heute spielt. Liegen die jeweiligen Durchschnittswerte in Richtung Discount, so spielt man in der Stückzahl-Liga. Tendieren die Werte in Richtung Premium, so tritt man in der Wert-Liga an. Sind die Durchschnittswerte im Bereich des Generalisten, so bewegt man sich in der Champions-League und steht damit im Wettbewerb zum Gesamtmarkt.
Auf welchem Tabellenplatz steht man in seiner Liga und wie ausgeprägt ist der Wille, Tabellenführer zu bleiben oder werden zu wollen? Möchte man gar die Liga wechseln, um dies dort zu erreichen?
Wer sich für Fußball interessiert, kennt die dort üblichen Vorgehensweisen. Entweder feuert man den Trainer oder sucht auf dem Transfer-Markt gegen „horrende“ Summen Top-Spieler, um die eigene Spielstärke zu steigern.
Augenoptisch gesehen bedeutet, den Trainer zu feuern, den Inhaber vor die Tür zu setzen. Den Gedanken aber schnell verwerfend, begeben wir uns auf die Suche nach Top-Spielern und betrachten gleichzeitig die Spielstärke der konkurrierenden Mannschaften.
Wer hat die Nase vorn, wenn es um
  • 1. Lage, Fläche, Ambiente
  • 2. Sortiment
  • 3. Mitarbeiter
  • 4. Preis
  • 5. Werbung, Kommunikation
geht?
An dieser Stelle befinden wir uns in der Phase der „Analyse und Beratung der Ergebnisse“ und „Ermittlung der Gründe für Positiv- oder Fehlentwicklungen“. (s. Abb. 1)
Wenn es nun in die „Diskussion der angestrebten Veränderung“ geht, sollte man die Worte des FOCUS-Herausgebers, Helmut Markwort, ernst nehmen: „Fakten, Fakten, Fakten und immer an den Leser denken“.
In unserem Fall also: Alle fünf Marketing-Mixfaktoren und dabei immer an den Verbraucher denken. Und zwar an den Verbraucher, den man morgen bedienen und begeistern will. (s. Abb. 3)
„Festlegung der strategischen Ziele“ kann daher nur die Beantwortung folgender Fragen bedeuten:
  • Wen will man zukünftig bedienen und begeistern?
  • Welche Marktstellung in welcher Liga wird angestrebt?
  • Wann will man dieses Ziel erreicht haben?
Auf die notwendigen Handlungsweisen zur Erreichung dieser Ziele werden wir im nächsten Teil dieser Serie eingehen.
Hans-Wilm Sternemann
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