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Optometrie und Kontaktlinsen gehören zusammen

Tagungsbericht
Optometrie und Kontaktlinsen gehören zusammen

Optometrie und Kontaktlinsen gehören zusammen – mehr als je zuvor. Kontaktlinsenanpassung ist ein Tätigkeitsfeld, mit dem man dem Kundenauge und der Kundenpersönlichkeit meist näher kommt als in der Brillenoptik. Verantwortung des Optometristen für die Augengesundheit wird vom Kontaktlinsenkunden eher erwartet und muss nicht aufwändig begründet und erworben werden wie im Brillengeschäft. Unter diesem Aspekt erhalten die Worte des VDCO-Vorsitzenden Prof. Dr. Manuel Fraatz Gewicht, der sich zur Eröffnung der VDCO-Frühjahrstagung 2013 in Aalen für die vollständige Einbindung und Anerkennung von Augenoptikern/Optometristen als Erstanlaufstelle für Seh- und Augenprobleme aussprach.

Forum Myopie
Nach den sechs praxisnahen Workshops zu verschiedenen Gebieten der angewandten Optometrie am Vortage eröffnete die Optometrie ´13 mit einem Forum zu „Vision Therapy“, das Manuela Friedrich, Klaus Schopp und Jörg Bartolmäs mit Leben und Substanz erfüllten.

Den Kontakltinsenspezialisten interessierte mehr das Myopie-Forum, weil es hier unter den Stichworten der Myopieprävention und Myopiekontrolle ganz konkrete Ziele und neue Aufgaben für die Kontaktlinsenoptik gibt. Als Starreferenten traten Prof. Dr. rer. nat. Frank Schaeffel aus Tübingen und Dr. Anne Seidemann, Rodenstock München auf.
Scheffel ist seit vielen Jahren schon ein bedeutender Myopieforscher und nicht nur durch seine Kückenversuche weltbekannt geworden (die ihm den lustigen Beinamen „Kücken-Schaeffel“ einbrachten).
Die Versuche zeigten damals, dass die Augenlänge bei Kücken zunimmt, wenn man die Augen durch Minuslinsen hyperopisiert. Diese Ergebnisse regten viele weitere Versuche an, die dann schließlich zu den heutigen Erkenntnissen über die Rolle der positiven und negativen peripheren Aberration führten.
Dass Myopie nicht gleich Myopie ist, verstehen schon Azubis der Augenoptik, denn schon sie bekommen den Unterschied zwischen Längen- und Brechwertmyopie mit. Aber das führt leicht zu einer Denkweise nur entlang der optischen Achse.
Die Vorstellung, dass die Steuerung für das Längenwachstum von der Bildqualität im dreidimensionalen Raum zwischen der Netzhaut-Rezeptorschale und der Bildschale des myopen oder myopie-korrigierten Auges abhängen könnte, verlangt schon ein beträchtliches Abstraktionsvermögen.
Ohne die Erkenntnis aus Tierversuchen, dass bei Primaten die Steuerung des Augenlängenwachstums von der retinalen Peripherie ausgeht, kommt man zu falschen Schlüssen. So könnte man erwarten, dass eine Unterkorrektion der Myopie das Längenwachstum bremse, weil damit ja besser in der Nähe fokussiert wird und weniger Notwendigkeit zur Achsenverlängerung bestehe. Das trifft aber nur für den achsennahen Raum zu. In der Peripherie entsteht bei achsialen der Unterkorrektion eine peripher flachere Bildschale, also eine positivere Aberration, die wahrscheinlich das Längenwachstum anregt.
Eine Vielzahl von Studien besonders aus dem asiatischen Raum und aus Amerika beschäftigt sich mit der Myopie und sucht Erklärungen für deren allgemeine Akzelleration, besonders in Asien. Wegen unterschiedlicher Zielstellungen, verschiedener Studiendesigns und Auswertungsmethoden sind vergleichende Schlussfolgerungen sehr unsicher. Sind es wirklich hauptsächlich die Bildlage und die periphere Aberration, die Einfluss auf das Myopiewachstum nehmen? Welche Rolle spielet das Licht? Hat es mehr Einfluss auf den retinalen Stoffwechsel oder mehr auf die Pupillenweite und damit auf die Aberration?
Wirken sportliche Outdooraktivitäten regulierend die Myopie wegen der überwiegend weiteren Einstellentfernungen oder wegen der allgemeinen Stärkung des Organismus? Ist die zweifellos auch genetische Komponente der Myopie beeinflussbar? Viele Fragen – viele Antworten. Eines ist gewiss. Die Entwicklung und Beeinflussung der Myopie ist ein multifaktorielles Geschehen. Und wir haben ein wirksames Mittel in der Hand, das Myopiewachstum zu bremsen: Myopiekontrolle durch Kontaktlinsen mit positiver Aberration! Am wirksamsten ist Ortho-K, gefolgt von multifokalen formstabilen Linsen. Weniger wirksam sind bis heute weiche multifokale Kontaktlinsen und multifokale Brillengläser.
Der Vortrag von Timo Kratzer über die in Asien bereits angewendeten Zeiss Myovision Brillengläser stellte hier einiges in Aussicht.
Beeindruckend war der Erfahrungsbericht von Stephan Lahme über Myopiekontrolle bei Kindern durch multifokale Kontaktlinsen mit peripherer Nahzone. Er konnte bei einer Gruppe seiner jungen Probanden über einen Beobachtungszeitraum von mehreren Jahren eine Verlangsamung des sonst üblichen Myopiewachstums um etwa zwei Drittel beobachten. Allerdings haben seine Beobachtungen noch keinen Anspruch auf wissenschaftliche Signifikanz.
Pathologiescreening
Das Pathologiescreening, insbesondere die Funduskopie nahm sowohl in den hochkarärigen Fachvorträgen als auch in den Seminaren und der Herstellerausstellung einen wichtigen Platz ein. Anleitung zur systematischen Vorgehensweise und umfangreiches Wissen vermittelten unter anderem Prof. Holger Dietze, Dr. Paul Artes und Wolfgang Cagnolati. Besonders beeindruckend war die Präsentation der Möglichkeiten, die durch die Ultra-Weitwinkel Bilddarstellung des Optomap-Fundusscanners geöffnet werden.
Einige Verunsicherung gibt es immer wieder darüber, was Augenoptiker/Optometristen tun dürfen und was nicht. Hierzu folgende Pressestimmen: Erst jüngst stand in der Augenoptikerzeitung Focus (Nr.6–2013) eine Stellungnahme des BVA: “Weder der so genannte Optometrist noch der Augenoptiker verfügt über die Berechtigung, das Auge zu untersuchen oder zu „screenen“, um Krankheiten festzustellen oder auszuschließen. Derartige Angebote sind rechtlich unzulässig und sind durch das örtlich zuständige Gesundheitsamt mit rechtlichen Konsequenzen zu unterbinden.
Deshalb kann und darf ein Dipl.-Ing. der Fachhochschule Augenoptik/Optometrtist oder ein BSc oder MSc eines entsprechenden Studienganges das kranke vom gesunden Auge nicht unterscheiden. Zu leicht kann auch ein krankhafter Befund übersehen werden, wobei die Untersuchungstechnik (Kamerasystem oder Funduskopie) hierbei unerheblich ist“.
Entbehrt diese Darstellung nicht jeder Logik? Eine Aufforderung zum „Wegsehen“, weil man etwas „übersehen könnte“? Eine Aufforderung, entgegen besseren Wissens eine Hilfeleistung zu unterlassen? Und das vor dem Hintergrund, „dass die Erst-Kontaktlinsenanpassung und -Abgabe durch Augenärzte in den letzten drei Jahren von 30 auf 19% gesunken ist und bei Augenoptikern von 67 auf 80% stieg“! (Dr. Schnell in Zeitschr. Aktuelle Kontaktologie, Juni 2013).
Eine ganz andere Sicht hierzu vermittelt Dr. Jan Wetzel ZVA, Abteilung Recht in DOZ 04–2013: „Ja, Augenoptiker dürfen sich den Fundus ihrer Kunden im Rahmen einer optometrischen Augenuntersuchung anschauen und diesen auch bewerten. Dieser Vorgang wird vom Augenoptiker allerdings mit einem anderen Ziel durchgeführt als dies beim Augenarzt geschieht. Es geht nicht um Diagnose, also um die Feststellung ob eine bestimmte Augenerkrankung vorliegt, sondern um das Aufspüren von Auffälligkeiten. Weiter dienen alle optometrischen Untersuchungen des Augenoptikers – und damit auch die Ophthalmoskopie – dem Ziel festzustellen, ob das Sehproblem des Kunden überhaupt mit einer Sehhilfe zu beheben ist. Die optometrischen Untersuchungen des Augenoptikers sind sinnvoll, da durch das Aufspüren von Auffälligkeiten und die Verweisung dieser Kunden an den Augenarzt chronisch-degenerative Augenerkrankungen wie zum Beispiel Glaukom, AMD und Katarakt frühzeitig erkannt und behandelt werden können.
Dies ist bei dieser Art von Augenerkrankung insbesondere deshalb so bedeutsam, weil der Betroffene von der Erkrankung regelmäßig zunächst nichts bemerkt. Treten Beschwerden auf, dann ist bereits häufig eine irreparabler Gesundheitsschaden eingetreten. Weiter haben die optometrischen Untersuchungen auch den Zweck, Kunden für solche, ihnen oft völlig unbekannten Augenerkrankungen zu sensibilisieren.
Da nicht jedes „auffällige“ Auge krank und nicht jedes „unauffällige“ Auge gesund ist und da der Augenoptiker nicht befugt ist, Diagnosen zu stellen und Erkrankungen zu behandeln, muss er seinen Kunden auf Art, Ziel und Umfang seiner Untersuchung hinweisen. Dem Kunden muss also klar sein,, dass die augenoptische keine ärztliche Untersuchung darstellt oder ersetzt. Es ist ausreichend, wenn dieser Hinweis mündlich erfolgt“.
Wolfgang Cagnolati zitierte zur Optometrie ´13 erneut die Wasem-Studie, nach der gegenwärtig die primäre Augenversorgung noch durch Augenärzte und Augenoptiker/Optometristen sichergestellt sei, aber angesichts der demographischen Entwicklung künftig nicht ohne ein verstärktes Engagement und verstärkte Einbeziehung der Optometristen in diesen Prozess aufrecht zu erhalten sei. Dies erfordere aber weiterführende Vorleistungen auf dem Gebiet der Weiterbildung. Nur durch eine adäquate hochrangige, auch klinische Ausbildung seien künftig diese Ziele erreichbar.
Diesen Gedanken nahm auch Prof. Dr. Moest von der Beuth-Hochschule Berlin auf, der aus Anlass des Empfangs des Optometrie-Preises der VDCO 2013 für sein außergewöhnliches Engagement im Bereich der optometrischen Ausbildung leidenschaftlich an den Berufsnachwuchs appellierte, den höchstmöglichen Qualifizierungsweg zu gehen und die augenoptischen Arbeitgeber eindringlich beschwor, der jungen, bestausgebildeten Optometristengeneration die Arbeitsmöglichkeiten zu geben, die unseren Beruf voranbringen.
Man sollte die Qualifikation der jungen Leute schätzen und als Chance nutzen, besonders dann, wenn sie höher ist als die eigene.
In der Summe war die Optometrie ´13 eine interessante und inspirierende Tagung, besonders unter dem Aspekt „Optometrie für Kontaktlinsenspezialisten“ und durch den wenige Wochen später in Heidelberg stattfindenden „2. Tag der Optometrie“ kaum zu toppen.
Ulrich Maxam
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