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Wie werden Kredite kalkuliert?

Basel II und Rating
Wie werden Kredite kalkuliert?

Kreditinstitute treten als Anbieter von Produkten, hier im besonderen Fall Kredite, auf dem Kapitalmarkt auf. Wie alle wirtschaftlich tätigen Unternehmen müssen auch die Kreditinstitute zu einen Aufwand und Ertrag in ein sinnvolles Verhältnis bringen und sich mit ihren Produkten gleichzeitig der am Markt vorliegenden Angebots- und Nachfragesituation sowie der Konkurrenzsituation anpassen.

Bei der Vergabe eines Kredites fallen unterschiedliche Kosten an, die in einer Deckungsbeitragsrechnung wie folgt erläutert werden. Die Kosten einer Kreditvergabe lassen sich in vier Gruppen gliedern.

  • Refinanzierungs- und Opportunitätskosten
  • Standardstückkosten
  • Risikokosten
  • Eigenkapitalkosten
Gruppe 1: Refinanzierungs- oder Opportunitätskosten
Diese Kosten dienen als Basis für die Kalkulation des Kredites. Dabei sollte der Differenzbetrag zwischen Refinanzierungs- bzw. Opportunitätskosten und Kreditzins mindestens zur Abdeckung der Standardstückkosten, der Risikokosten und der Eigenkapitalkosten ausreichen. Des Weiteren sind diese Kosten unabhängig von „Basel II“.
Die Differenz zwischen den Kreditzinsen und den Refinanzierungskosten sollte idealerweise die mit der Kreditgewährung zusätzlich entstandenen Kosten decken.
Statt einer Kreditvergabe könnte ein Kreditinstitut denselben Betrag in ein risikoloses Wertpapier investieren. Der Kreditzins sollte daher neben diesem risikolosen Kapitalertrag zusätzlich die mit der Kreditgewährung entstandenen Kosten decken.
Gruppe 2: Standardstückkosten
Die Standardstückkosten sind der Kreditgewährung direkt zurechenbar. Sie fallen als Sachbearbeitungskosten an, die je nach Umfang variieren. Dabei spielt die Bonitätsprüfung eine nicht unwichtige Rolle, denn bei guter Bonität des Kreditnehmers ist die Abwicklung der Kreditgewährung mit verhältnismäßig geringem Aufwand verbunden und wirkt sich somit günstig auf die Kreditzinsen aus. Bei schlechter Bonität, wobei eventuell auch noch eine permanente Bonitätsüberwachung vorgenommen werden muss, sind unter Umständen mehrere Sachbearbeiter an der Kreditgewährung beteiligt. Diese Tatsache führt verständlicherweise zu einer Verteuerung des Kredites. „Basel II“ verursacht durch umfangreichere Überprüfungen der Kreditnehmer somit indirekt eine Verteuerung der Kredite.
Gruppe 3: Risikokosten
Die Risikokosten sollen das Ausfallrisiko eines Kredites abdecken. Dieses Ausfallrisiko beinhaltet nicht nur die tatsächlichen Forderungsausfälle sonder auch zusätzliche Kosten durch Zinsausfälle, verspätete Zahlungen oder Verluste aus der Verwertung von Sicherheiten. Die Risikoprämie drückt den erwarteten Verlust durch den Ausfall eines Kreditnehmers aus. Diese Risikokosten verhalten sich unabhängig vom Rating des Kreditnehmers.
Die Stellung von Sicherheiten, sofern sie anerkannt sind, kann die Höhe der Risikokosten und somit die Kreditkosten merklich reduzieren. Dabei werden nur auf der Basis von dem nicht durch die Sicherheit abgedeckten Teil des Kreditbetrages Risikokosten berechnet.
Gruppe 4: Eigenkapitalkosten
Die Hinterlegung von Eigenkapital bei der Kreditvergabe verursacht zusätzlichen Mehraufwand durch die Kreditinstitute. Das Kreditwesengesetz schreibt den Kreditinstituten vor, einen bestimmten Betrag an Eigenkapital für die Sicherung der gewährten Kredite vorzuhalten. Diese Eigenkapitalhinterlegung verursacht höhere Kosten, die in die Ermittlung des Kreditzinssatzes mit einfließen. Bisher war die Hinterlegung von Eigenkapital zur Kreditsicherung pauschal geregelt. Diese pauschale Hinterlegung soll nun komplett aufgegeben werden und durch eine individuelle, an den Kreditrisiken orientierten Eigenkapitalhinterlegung ersetzt werden.
Die für die Ermittlung der Ausfallwahrscheinlichkeit eines Kreditnehmers und somit den Risikokosten verwendeten Ratingverfahren sollen nun auch für die Eigenkapitalanforderungen verwendet werden. Die Schwelle für Eigenkapitalverbesserungen liegt bei 0,7 Prozent Ausfallwahrscheinlichkeit nach dem derzeitigen Stand. Demnach müssen für geringere Ausfallwahrscheinlichkeiten als 0,7 Prozent weniger Eigenkapital hinterlegt werden als bisher. Dieser Ausfallwahrscheinlichkeit ist von der Bankenaufsicht ein Risikogewicht zugeordnet, das mit den bereits bekannten 8 Prozent Eigenkapitalhinterlegung multipliziert die tatsächliche Eigenkapitalanforderung ergibt.
Im Ergebnis bedeutet ein schlechtes Rating also erhöhte Eigenkapitalkosten des Kreditinstitutes und somit auch einen erhöhten Kreditzinssatz für den Kreditnehmer und umgekehrt.
Die Stellung von Sicherheiten, sofern sie anerkannt sind, kann die Höhe der Eigenkapitalhinterlegung und somit die Kreditkosten merklich reduzieren. Dabei wird nur von dem nicht durch die Sicherheit abgedeckten Teil des Kreditbetrages eine Eigenkapitalhinterlegung gefordert.
Die verschiedenen Kreditinstitute verwenden unterschiedliche Ratingsysteme, die zwar mit grober Näherung ähnliche Aussagen treffen, jedoch können die damit ermittelten Kreditzinssätze dennoch variieren. Ziel ist aber eine möglichst zutreffende Beurteilung der Bonitätssituation des beurteilten Unternehmens. Je feiner ein Ratingverfahren abgestuft ist, desto präziser kann eine Einstufung vorgenommen werden und desto einfacher lassen sich ähnlich fein abgestufte Ratingverfahren miteinander vergleichen.
Unterschiedliche Ratingverfahren
Neben unabhängigen Ratingagenturen, wie z.B. der großen amerikanischen Agenturen und Marktführer Moody’s und Standard & Poor’s, hat jede Bank ihr eigenes Verfahren.
Das Rating mittelständischer Unternehmen nimmt unter Berücksichtigung der aktuellen gesamtwirtschaftlichen Lage eine systematische Abschätzung der Fähigkeit eines Unternehmens seinen zukünftigen Kreditverpflichtungen nachzukommen vor. Die quantitativen Faktoren werden dabei von qualitativen Faktoren ergänzt. Unter dieses Ratingverfahren fallen alle bilanzierenden Unternehmen mit weniger als fünf Millionen Euro gemittelten Jahresumsätzen. Des Weiteren werden die privaten Finanzverhältnisse der haftenden Gesellschafter bzw. des Unternehmers berücksichtigt. Die private Finanzlage der haftenden Gesellschafter bzw. des Unternehmers haben einen sehr großen Einfluss auf die Gesamtbonität.
Die Ergebnisse dieses Ratings werden auf einer in 25 Ratingklassen eingeteilten Skala eingestuft. Den einzelnen Ratingklassen sind Ausfallraten zugeordnet. Diese hohe Anzahl an Klassen macht eine differenzierte Risikoeinteilung bzw. Risikoabschätzung möglich.
Das Rating ist in sieben Ratingbereiche unterteilt:
Die Scoring-Funktion, eine Bewertungsfunktion, die den einzelnen Ratingkriterien einen repräsentativen Zahlenwert zuordnet, schätzt die wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens anhand von Daten, die aus der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung gewonnen werden.
Folgende Kennzahlen werden zur Bewertung herangezogen:
  • Kennzahl der Vermögenslage: Entspricht der bilanziellen Eigenkapitalquote zuzüglich der gesamten Rückstellungen. Die Rückstellungen der Unternehmen stehen hauptsächlich langfristig zur Verfügung und können als Eigenkapital angesehen werden. Die Kennzahl gibt die Substanz eines Unternehmens an, wobei die Substanz umso besser ist, je höher die Kennzahl ist. Der Zahlenbereich liegt normalerweise zwischen –0,1 (-10 Prozent) und 0,4 (40 Prozent). Bei Werten unter 0 muss auf bilanzielle Überschuldung geprüft werden.
  • Kennzahl 1 der Ertragslage: Entspricht der um die gewöhnliche Abschreibung berichtigte Gesamtkapitalrentabilität. Bei dieser Kennzahl ist zu beachten, dass das Finanzergebnis voll als betriebsbedingt angesehen wird. Sie gibt an, wie effektiv das eingesetzte Kapital zur Erzielung des Ertrages genutzt wird. Je höher der Zahlenwert ist, desto besser ist die Ertragssituation des Unternehmens. Liegt die Kennzahl unter null, so wird im operativen Geschäft ein Verlust erwirtschaftet. Der Wert liegt gewöhnlich zwischen 0,02 (2 Prozent) und 0,2 (20 Prozent).
  • Kennzahl 2 der Ertragslage: Entspricht der Gesamtkapitalrentabilität, die um Personal-, Kapital- und Steueraufwendungen korrigiert wurde. Diese Kennzahl gibt ergänzend zur betrieblichen Gesamtkapitalrentabilität statistisch wichtige Zusatzinformationen. Der Zahlenwert liegt typischerweise zwischen 0,25 (25 Prozent) und 0,9 (90 Prozent).
  • Kennzahl Liquiditätslage: Stellt die Über- oder Unterdeckung der gesamten Forderungen und der finanziellen Mittel des Unternehmens dar. Der Nenner wird auch als „Working Capital“ (Angabe in Euro) bezeichnet. Um verschiedene Unternehmen vergleichen zu können wird das „Working Capital“ ins Verhältnis zum Gesamtkapital gesetzt. Je größer diese Kennzahl ist, desto besser sind die kurzfristigen Verbindlichkeiten im Unternehmen durch die finanziellen Mittel abgedeckt. Diese Kennzahl liegt gewöhnlich zwischen –0.41 (-41 Prozent) bis 0,1 (10 Prozent).
  • Kennzahl Finanzlage: Stellt die Zinsbelastung des Gesamtkapitals dar. Normalerweise ist das Zinsergebnis negativ, da der Zinsaufwand größer ist als die Zins- bzw. Beteiligungserträge. Je weniger negativ dieses Ergebnis ist, desto besser ist die Zinsdeckung. Typischerweise liegt die Kennzahl zwischen –0,03 (-3 Prozent) und 0 (0 Prozent).
Der Großteil der Firmenkunden haftet durch die Geschäftsform bedingt auch mit dem Privatvermögen. Deshalb ist es notwendig, auch die privaten Finanzverhältnisse in das Rating mit einzubeziehen.
Hierbei werden folgende Faktoren bewertet: Hat das Kreditinstitut einen möglichst vollständigen Einblick in die Kontobewegungen des Kreditnehmers? Wie sieht die Saldenbewegung über den betrachteten Zeitraum hinweg aus? Fallen bestimmte negative Sachverhalte auf?
Eine aktuelle Analyse der wirtschaftlichen Situation des Kreditnehmers erhält man mit der laufenden betriebswirtschaftlichen Analyse, während man mit dem Jahresabschluss und der Bilanz nur die Verhältnisse der vergangenen Geschäftsjahre erhält. An der laufenden betriebswirtschaftlichen Analyse kann sehr genau abgelesen werden, wie sich die wirtschaftliche Situation des Kreditnehmers seit dem letzten Jahresabschluss verändert. Diese Ergebnisse werden mittels eines Bewertungsbogens, einer sogenannten Scorecard, vergleichbar mit einem Fragebogen, bewertet. Es wird auch sehr genau beobachtet, wie umfassend und mit welcher zeitlichen Verzögerung der Kreditnehmer die Informationen an das Kreditinstitut weiterleitet. Untersucht werden von den Kreditinstituten, ob während des Geschäftsjahres betriebswirtschaftlichen Analysen erstellt, ob sie auch regelmäßig den Kreditinstituten zur Verfügung gestellt werden und ob sich Änderungen bezüglich des letzten vorliegenden Jahresabschlusses bezüglich Umsatz und Aufwendungen ergeben haben.
Dieser Bewertungsbogen (Scorecard) befasst sich mit dem branchenbezogenen marktwirtschaftlichen Umfeld des Unternehmens. Beurteilt wird die Abnehmer- und Lieferantenstruktur hinsichtlich der Anzahl der Kunden, der Umsatzhöhe des Hauptkunden bzw. der drei wichtigsten Kunden, der Anzahl der Lieferanten, der Zahl der Kunden, auf die der Hauptmaterialaufwand bzw. der Hauptwarenumsatz erfolgt, der Existenz bedeutender Liefer- und Absatzverträge und den Anteil der Umsätze, die in Fremdwährung abgewickelt werden. Des Weiteren wird die Anzahl der direkten Konkurrenten des Unternehmens erfasst. Abschließend wird noch der Bereich Produkt/Sortiment untersucht auf die Anzahl der Produktgruppen des Unternehmens und die Lebenszyklen der jeweiligen Produkte.
Im Fokus dieses Bereiches stehen die fachliche und persönliche Kompetenz des Geschäftsführers bzw. der haftenden Gesellschafter sowie die Organisationsstruktur des Unternehmens. Betrachtet werden insbesondere die Gesellschafterstruktur und die Geschäftsführung. Des Weiteren wird die Mitarbeit bei der Informationsbeschaffung, das Verhalten bei Absprachen und das Rechnungswesen beurteilt. Die Risiken, denen der Kreditnehmer ausgesetzt ist, werden hinsichtlich vorhandener Versicherungen wie z.B. Feuerversicherung, Haftpflichtversicherung, Betriebsunterbrechungs- und Forderungsausfall-Versicherungen beurteilt.
Der Bereich Unternehmensplanung wird bezüglich Art und Umfang einer vorhandenen Planung untersucht. In einer weiteren Ergänzung wird zukünftig der Umstand Planungsrechnung hinzugefügt werden. Die einzelnen Teilbereiche umfassen Bilanz, Ergebnis, Investitionen, Finanzen und Liquidität. Detailfragen bewerten einen formalen jährlichen Planungsprozess, den Umfang, die Qualität und die Häufigkeiten der Planungen.
Die Bereiche eins bis vier beinhalten die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Vergangenheit und der Gegenwart. Die Bereiche fünf bis sieben betrachten die voraussichtliche zukünftige Entwicklung des gerateten Unternehmens. Als Kernrating werden die Bereiche eins und zwei bezeichnet, während die Bereiche drei bis sieben als Modifikatoren des Kernratings fungieren. Die Modifikatoren können sowohl positiv als auch negativ ausfallen.
Um die betrachteten Sachverhalte zahlenmäßig und somit mathematisch rechenbar machen zu können, werden ihnen sogenannte Bewertungs-Funktionen zugeordnet. Insbesondere die Jahresabschlüsse werden mit einem statistischen Regressionsverfahren in einheitliche Zahlenwerte, sogenannte Scores, umgerechnet. Dies geschieht zur Vereinfachung EDV-gestützt. Um auch die subjektiven oder auch weichen Faktoren bewerten zu können, sind eindeutige Fragen in Form von Fragebögen vorgegeben. Damit wird die Beurteilung unempfindlich gegen eine Beeinflussung zur Erreichung eines bestimmten Ratings gemacht. Sie ist objektiv und weitgehend unabhängig vom Sachbearbeiter. Die Fragen sind so gestaltet, dass sie in den meisten Fällen eindeutig beantwortet werden können.
Die gerateten Unternehmen werden abschließend einer Ratingklasse zugeordnet, die sich von 1a = sehr gute Bonität bis 5e = Zwangsweise Abwicklung/Ausbuchung ausdrückt.
Diese Ratingklassen weichen in ihrer Bezeichnung stark von denen der großen Agenturen ab. Die Ratingklassen der großen Agenturen aber gelten als Standard und werden von den meisten Agenturen und Banken verwendet.
Bernd Kittel
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