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Vom Preisen der Preise

Unterhaltsames Buch in besonderem Stil
Vom Preisen der Preise

Vom Preisen der Preise
Geert Müller-Gerbes und Hans-Uwe Köhler sprachen über das Thema „Verkaufen“. Herausgekommen ist ein unterhaltsames und gut verkäufliches Buch.
Hans-Uwe Köhler (auf dem Foto rechts) ist nicht nur ein bekannter Management- und Verkaufstrainer, er hat auch einen besonderen Bezug zur Augenoptik. Seine Frau ist Augenoptikerin, sein Bruder der Berliner Professor Joachim Köhler. Und – Hans-Uwe Köhler kam eher zufällig mit dem aus der Fernsehsendung „Wie bitte…?“ bekannten Geert Müller-Gerbes zusammen. Das Gespräch der beiden wurde aufgezeichnet, die wörtliche Rede verfeinert – und fertig war ein neues, unterhaltsames Buch zum Thema „Verkaufen“.

Müller-Gerbes: Schon im Volksmund wird gesagt: Alles hat seinen Preis. Alles muss seinen Preis wert sein. Welche Rolle spielt der Preis?

Hans-Uwe Köhler: Er spielt
die zentrale Rolle im Verkaufsgespräch.
Spielt er von Anfang an die entscheidende Rolle? Oder spielt er erst im Laufe eines Verkaufsgesprächs eine immer stärker werdende Rolle?
Hans-Uwe Köhler: Beides. Er kann von Anfang an eine ganz dominante Rolle spielen, er kann aber auch im Laufe des Verkaufsgesprächs eine Rolle gewinnen oder seine Rolle verlieren. Also mindestens drei Möglichkeiten. Das hat folgenden Grund: Wenn ein Kunde von einer Sache überzeugt ist, wenn er den Wert beurteilen kann, wird er kaum über den Preis reden wollen, weil die Preisfrage nicht überraschend ist.
Kommen wir auf eine Definition des Wortes „preiswert“. Wie sieht die aus?
Hans-Uwe Köhler: Die sieht so aus, dass wir sie alle falsch schreiben. Wir schreiben ja preiswert mit einem kleine p und einem kleinen w als ein Wort und verstehen unter preiswert preisgünstig oder …
Häufig verstehen wir darunter sogar billig.
Hans-Uwe Köhler: In der Welt von Hans-Uwe Köhler wird preiswert mit einem großen P geschrieben und mit einem großen W – also „PreisWert“.
Das heißt, Ihnen geht es um den Wert des Preises.
Hans-Uwe Köhler: Ja klar! Und dabei gibt es ein Problem: Die meisten Menschen sind dann, wenn sie einkaufen, Laien. Sie können den Wert
einer Sache oft genug gar nicht richtig einschätzen.
Oder nur sehr bedingt.
Hans-Uwe Köhler: Aber eines ist doch auch klar – kein Kunde sagt: „Herr Verkäufer, ich bin so etwas von blöd, Sie glauben es gar nicht! Ich habe überhaupt nicht verstanden, was Sie da erzählen! Können Sie das alles noch mal wiederholen?“ Er kürzt das ab und fragt: „Was kostet das?“ Die Frage nach dem Preis ist also in Wirklichkeit eine Frage nach dem Wert! Im Umkehrschluss: Wenn der Kunde den Wert einer Sache erkennt und anerkennt, dann ergibt sich ein automatischer Rückschluss auf den Preis, was sogar bedeuten kann, dass gar nicht mehr gefragt wird, was das kostet.
Also kann der Preis durchaus egal sein, wenn ich etwas um jeden Preis haben will. Wenn
jemand den übermächtigen Wunsch hat, ein Haus an der Nordspitze von Sylt zu besitzen, dann wird er jeden Preis dafür bezahlen.
Hans-Uwe Köhler: Völlig richtig. Wenn jemand über relativ große finanzielle Möglichkeiten verfügt, dann kann der für dieses, mit unverbaubarem Bergblick in Kampen gelegene Haus, mit Reetdach und allem drum und dran, mit Möwengeschrei und was er sich sonst auch immer noch vorstellt, 14 Millionen Euro bezahlen …
Müller-Gerbes kichert … und unverbaubarem Bergblick ist wunderbar …
Hans-Uwe Köhler: … unverbaubarer Bergblick mit täglich zweimal Flut für 14 Mill. Euro. Jeder andere würde vielleicht sagen: „Völlig irre!“ Doch dieser stolze Besitzer antwortet: „Wieso? Ich habe einen unverbaubaren Blick bis Dänemark. Das ist es mir allemal Wert!“
Was ich gerne einmal wissen möchte, warum gibt es in allen Lebensbereichen so extrem überteuerte Dinge?
Hans-Uwe Köhler: Das ist ein ganz interessanter Aspekt. Es wird ein Kundentyp häufig vergessen, nämlich der Kunde, der den hohen Preis braucht. Am Beispiel einer Uhr wird das sehr schön deutlich: Eine funktionierende Uhr, die auf die Sekunde genau geht und das über zehn Jahre, kostet höchstens 20 Euro. Mehr Intelligenz bei einer Uhr braucht eigentlich kein Mensch.
Aber die Rolex mit Diamantzifferblatt hat einen Wert von 35000 Euro.
Hans-Uwe Köhler: Natürlich könnte man sagen, wer braucht das schon. Es gibt Menschen auf dieser Welt, die sagen: „Ich brauche an meiner Hand eine Uhr, wo jeder sofort sieht, die ist 35000 Euro wert!“. Diesen Kunden gibt es. Und jetzt sage ich: Es wäre zynisch, für diesen Kundenwunsch nicht eine entsprechende Uhr anzubieten.
Ich halte so etwas trotzdem für Wahnsinn!
Hans-Uwe Köhler: Nein, das ist kein Wahnsinn! Kein Verkäufer der Welt hat das Recht, seinen Kunden zu bevormunden. Wenn zu mir ein Mensch kommt und sagt: „Ich hätte so gern eine Uhr für 200.000 Euro, können Sie mir so eine Uhr organisieren?“ Sage ich: „Aber gerne doch. Für die linke oder rechte Hand? Was halten Sie von zwei Uhren?“ Und wenn der damit seine Potenzprobleme kompensieren muss, leide ich nicht drunter, dann kriegt der die Uhr.
Nun besteht die Welt ja nicht nur aus Luxusgütern und verrückten Millionären. Welche
Position nehmen Sie bei dem Thema Billig ein?
Hans-Uwe Köhler: Man treibt damit Schindluder, wenn man glaubt, alles auf dieser Welt müsse noch billiger hergestellt werden. Es gibt gute Gründe darüber ernsthaft nachzudenken, ob man der Welt – das hört sich jetzt sehr theatralisch an – ob man der Welt und der Natur wirklich etwas Gutes tut, wenn man versucht, Waren permanent billiger zu machen.
Warum?
Hans-Uwe Köhler: Lassen Sie mich das am Beispiel eines Huhnes deutlich machen: Stellen Sie sich vor, Sie gehen in einen Supermarkt und Sie sehen in einer Gefriertruhe ein Huhn für 1,99 Euro liegen. Würden Sie das Huhn kaufen?
Also, ich bin nicht sicher. Ich würde lieber meinen Metzger fragen: „Kann ich das Huhn kaufen?“
Hans-Uwe Köhler: Ein anderer Punkt: Ein gängiges Schmerzmittel kostet in der 100 Stück-Packung 13.98 Euro. Das selbe Medikament, das mit einem Zwillingspärchen wirbt, kostet 4.30 Euro. Der Verbraucher muss sich doch im Grunde genommen verarscht vorkommen. Und dennoch greift er eher zum teureren, was im Zweifel seinen Preis nicht wert ist, statt das Billig-Produkt zu wählen.
Na ja, an dieser Geschichte wird natürlich das Phänomen der Marke ganz deutlich. Ein Kunde – oder ein Patient in diesem Fall – kauft eben nicht nur eine Acetylsalicylsäure.
Hans-Uwe Köhler: Sondern, er kauft …
Er kauft Vertrauen, Sicherheit, Gewissheit. Er kauft alles das, was er mit dem Wort BAYER verbindet.
Hans-Uwe Köhler: Jetzt kommt folgender Punkt: Ich halte das für absolut legitim, dass das so ist. Ich glaube, dass das aus marktpsychologischer Sicht sogar erforderlich ist, dass es das gibt. Das ist eine notwendige, natürliche Vielfalt. Und außerdem sollten Sie beim Öffnen mal riechen! Das Bayer-Produkt riecht völlig neutral, das andere nach Essig!
Was macht der Verkäufer, wenn der Kunde sagt: „Jawoll, das ist genau das, was ich mir vorgestellt habe, aber der Preis ist mir noch zu hoch.“ Dann muss er nachgeben können, oder?
Hans-Uwe Köhler: Nein, Einspruch. Nicht nachgeben. Wenn der Kunde sagt: „Ich finde Dein Produkt erstklassig, aber mir ist der Preis zu hoch“, dann ist der logische Schritt zu sagen: „Einverstanden, wenn Du einen anderen Preis bezahlen willst, musst Du auch einen anderen Wert akzeptieren. Dann kriegst Du nicht dieses Produkt. Für Deinen Wunschpreis gibt es einen anderen Wert.“ Wenn ein Verkäufer mit dem Preis runtergeht, dann macht er den größten Fehler, den es überhaupt gibt.
Der deutsche Handel leidet unter einer beispiellosen Konsumflaute. Glauben Sie, dass sich die Konsumenten mit der Parole „Geiz ist geil“ wieder zum Kaufen ermuntern lassen?
Hans-Uwe Köhler: Das eine sehr paradoxe Kampagne. Denn man möchte die Menschen mit der Behauptung, extreme Konsumzurückhaltung – nichts anderes ist ja Geiz – sei etwas Tolles, eben zum Konsum anregen. Das wird nur kurzfristig funktionieren. Langfristig sind solche Aussagen problematisch, weil sie die Kaufentscheidung auf die Wahl des Billigsten vom Billigen reduzieren. Schlimmer noch: Wer jetzt mit zum Teil aberwitzigen Preisabschlägen auf sich aufmerksam macht, riskiert, dass die Kunden seiner Preisgestaltung überhaupt misstrauen. „Geht es nicht noch billiger?“, fragen sich die Kunden. Oder: „Sind wir früher übers Ohr gehauen worden?“ Für kurze Zeit führt so eine aggressive Preispolitik vielleicht zu Umsatzsteigerungen, aber langfristig zu schlechter Ware.
Was wäre Ihre Strategie, um aus dem Konsumkeller zu kommen?
Hans-Uwe Köhler: Jetzt schlägt die Stunde des Verkäufers! Ein guter Verkäufer hat gelernt, seinen Kunden verständlich zu machen, warum ein Produkt einen bestimmten Preis Wert ist und warum auch ein auf den ersten Blick höherer Preis angemessen sein kann.
Wir haben das Rabattgesetz nicht mehr in der bisherigen Form, aber wir haben die Möglichkeit des Handelns. Ein Kunde geht in ein Elektrogeschäft und sagt: „Ich möchte gern diesen Staubsauger kaufen. Sie haben ihn mit 325 Euro ausgezeichnet, ich kaufe ihn für 299 Euro.“
Wissen Sie, wenn ein Kunde sagt: „Sie haben da einen Staubsauger für 350 Euro, ich würde den gern für 290 Euro kaufen.“, dann bewundere ich jeden Verkäufer, der antwortet: „Wissen Sie was, bevor Sie das machen, schauen Sie doch bitte mal einen Staubsauger für 1.000 Euro an.“
Wunderbar. (lacht)
Hans-Uwe Köhler: Vielleicht sagt der Kunde: „Sie sind völlig irre, ich bin Student, ich habe eigentlich noch nicht mal die 290 Euro.“ Da muss man zu ihm sagen: „Wissen Sie was, dann sind Sie hier falsch. Dann müssen Sie in einen Secondhand-Laden gehen, da gibt es, wenn Sie Glück haben, für 15 Euro einen gebrauchten alten Vorwerk-Sauger, den nehmen Sie als Student.“
Müller-Gerbes lacht. Wenn man dieses Gespräch verfolgt, dann ist Verkaufen ja doch – egal, unter welchem Aspekt man es betrachtet – eine unglaublich spannende Sache. Was ist das für eine Vielfalt! Von dem schandbar behandelten Huhn bis zu dem Staubsauger. Eine unglaubliche Bandbreite. Macht Ihnen das eigentlich wirklich soviel Spaß – wie Sie hier vorgeben –, sich damit zu beschäftigen?
Hans-Uwe Köhler: Das ist pures Vergnügen. (lacht) Das ist pures Vergnügen!
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