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Schwarzer Mann hat’s oft schwer

Sport und Optik
Schwarzer Mann hat’s oft schwer

Der Fußballschiedsrichter ist „Herrscher und Verdammter“ in einer Person. Er führt das Spiel, er hat die Macht. Er ist mutig genug, einen Job zu machen, der ihm jede Menge Feinde bringt, selten Freunde. Er lobt nicht, sondern verteilt nur Strafen und sorgt für Disziplin. Um sich bemerkbar zu machen, pfeift er – oder neuerdings auch sie.

Nur Fußballbegeisterte kennen den Unterschied zwischen Freistoß und Strafstoß. Aber spätestens seit der letzten WM im eigenen Land wissen alle, was ein Elfmeter ist, eine gelbe und eine rote Karte.

Die Spiele im professionellen Fußballsport werden durch ein Schiedsrichterteam geführt. Ein Schiedsrichter auf dem Feld und zwei Schiedsrichterassistenten, die auf je einer Seitenlinie dem Schiedsrichter zu arbeiten. Während der Schiedsrichter auf dem Platz pfeift, haben die Assistenten jeweils eine Fahne, mit deren Hilfe sie anzeigen, welches Vergehen vorliegt.
An erster Stelle liegt hier die Beurteilung des Abseits. Ob ein Dreierteam eingesetzt wird, entscheiden in den Amateurklassen die jeweiligen Verbände eigenständig. Um Jugendliche an diese Aufgabe heranzuführen, werden oftmals auch in niedrigen Spielklassen Assistenten eingesetzt, damit sie Spielerfahrung sammeln können. In der Profiliga gibt es sogar einen vierten Schiedsrichter, der die Situation um das Spielfeld im Auge behält. Dieser zeigt auch die Nachspielzeit an und hat weitere Kontrollaufgaben.
Um Schiedsrichter zu werden, muss man nicht unbedingt schon Fußballspieler gewesen sein. Böse Zungen behaupten sogar, es wäre besser, wenn man kein Fußballer war. Interesse an diesem Sport genügt.
Schon ab 12 Jahren kann man sich zu einem Schiedsrichterlehrgang anmelden. Es wird sowohl eine theoretische, wie eine praktische Prüfung abgenommen. Je nach Können gilt auch hier das Prinzip des „sich nach oben Arbeitens“. So pfeift der Unparteiische erst bei Jugendspielen und steigt dann langsam auf. Um die Leistung zu beurteilen, gibt es einen Schiedsrichterbeobachter. Schiedsrichter, die von ihrer Tätigkeit leben können, gibt es nicht. Selbst Schiedsrichter, die die ganz großen Spiele pfeifen, haben einen Beruf, da auch in dieser Klasse das Einkommen nicht zum Leben reicht.
Um die ca 100000 Spiele pro Wochenende in Deutschland mit Schiedsrichtern zu bestücken, reichen die derzeit rund 80.000 Schiedsrichter nicht aus. Deshalb ist es nicht selten, dass der eine oder andere Unparteiische auch zwei oder drei Spiele an einem Wochenende pfeift. In Anbetracht dessen, dass man von einem Ehrenamt spricht, bei dem auch die Spesen bei ca. 99 % der Schiedsrichter die 50-Euro-Grenze nicht überschreitet, sollte man den Hut ziehen. Erst in der Bundesliga und auf internationaler Ebene sind die Einkommen nennenswert.
Um Fehlentscheidungen zu verhindern, werden immer häufiger Headsets eingesetzt, die die Assistenten mit dem Schiedsrichter akustisch verbinden. Das alles hilft zwar, doch die Schiedsrichter und Assistenten bleiben alleine wegen der steten Konzentration einer hohen und konstanten Belastung ausgesetzt.
Auch die körperliche Beanspruchung während des Spiels bedarf einer stabilen Kondition. Während sich der Schiedsrichter am Platz in einer s-förmigen Linie bewegt, laufen die Assistenten von der Mittellinie bis zur Torlinie, damit ist die gesamte Fläche abgedeckt. Ein exaktes Sehen ist auf eine Länge von bis zu 90 Metern nötig. Und das alles während der eigenen Bewegung. Die ist bei den Assistenten so, dass sie meist seitliche Bewegungen machen, um das Geschehen am Platz auch richtig bewerten zu können.
Besonders Abseits ist optisch korrekt nur zu erkennen, wenn er sich wirklich auf der gleichen Linie wie der angespielte Spieler befindet. Ein Blick von weiter hinten führt zu einer Fehleinschätzung der Situation. Zur gleichen Zeit muss er aber im peripheren Bereich sehen können, ob es zu einem korrekten Abspiel kommt. Die optischen Anforderungen an den Schiedsrichterassistenten bräuchten die Fähigkeiten eines Chamäleonauges, das überall zur gleichen Zeit ist.
Der Schiedsrichter selbst ist ein „unsichtbarer Mann“ auf dem Platz. Seine Aufgabe besteht darin, den Ball immer vor oder neben sich zu haben. Er muss erkennen, ob Hand gespielt wurde, das Foul kein Foul, sondern eine Schwalbe war, eine gelbe Karte nötig ist, oder ein kurzes Gespräch ausreicht. Immer muss er sich verteidigen, denn eine Mannschaft ist immer gegen ihn. Wenn’s bei derMannschaft nicht so läuft, sind die Trainer schuld – oder die Schiris. Der meistgenannte Vorwurf gegen die Unparteiischen ist sicher: Der sieht doch gar nichts!
Aus diesem Grund verzichten Schiedsrichter prinzipiell auf Brillen und tragen Kontaktlinsen oder gar nichts. Nicht aus Verletzungsgründen, denn zu einer Ballberührung oder zu körperlichen Berührungen kommt es nicht, sondern aus psychologischen Gründen. Mit Brille wird suggeriert : „Der kann doch nicht richtig pfeifen, der ist doch sowieso blind!“
In der Nähe muss der Schiedsrichter nichts sehen können. Zum einen gibt es so gut wie keine Schiedsrichter über 45 Jahre und zum anderen ist das Sehen in die Ferne das, was den Schiedsrichter ausmacht. Gutes räumliches Sehen, gutes peripheres Sehen, gutes Entfernungseinschätzen. Das Aufstellen der Mauer wird zwar geschätzt, aber auch durch Abschreiten der Entfernung unterstützt. Routine ist hier das Zauberwort.
Der DFB, der die Schiedsrichterausbildung übernimmt, verhält sich sehr diplomatisch. Auf die Frage, ob sich die Schiedsrichter einer Augenkontrolle unterziehen müssen, erhält man zur Antwort, dass sie einmal im Jahr zum körperlichen Cheque gehen und dabei die Augen sicher auch kontrolliert werden. Eine Auflage dafür gibt es jedoch nicht. Da möchte man doch gleich wieder den Fans Glauben schenken, die da lauthals schreien: „Der hat doch Tomaten auf den Augen!“
Elisabeth Schiller
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