Startseite » News » Betrieb »

Party machen

Hoffmann & Ewert, Eberswalde
Party machen

Eberswalde liegt eine halbe Stunde hinter Berlin im Osten. Eine Stadt mit einer Arbeitslosenquote von 23 Prozent. Reichlich Augenoptiker vor Ort. Im Bahnhofsbereich baut man gerade um und daher wird man mit einem eher trostlosen Eindruck empfangen. Wenn dann das Wetter nicht mitspielt und es nieselt, neigt man dazu festzustellen: Hier steppt der Bär nicht! Hoffmann & Ewert lassen allerdings den Bär doch steppen. Zwei junge Augenoptiker, Rene Hoffmann (31) und Matthias Ewert (29), seit dem 2.5.2006 selbstständig.

Rene Hoffmann und Matthias Ewert sind mehr oder weniger zufällig Augenoptiker geworden. Der eine weil er Brillenträger war und bei einem sowieso fälligen Besuch seines Augenoptikers mal nach einer Lehrstelle fragen sollte und der andere, weil ihm das Arbeitsamt die Lehre empfohlen hatte. Getroffen haben sich beide beim gleichen Lehrherrn, allerdings ein Jahr in der Ausbildung auseinander. Kurz nach der Ausbildung trennten sich ihre Wege wieder. Der eine war beim Zivildienst, wurde anschließend nicht mehr übernommen, der andere leitete eine Filiale. Unglücklich war keiner von beiden – aber richtig glücklich eben auch nicht.

Zufällig trafen sie sich nach einigen Jahren wieder, unterhielten sich. Innerhalb kürzester Zeit beschlossen sie, sich zusammen selbständig zu machen. Und damit fing das bisher größte Wagnis ihres Lebens an. Umbaufähige Räumlichkeiten waren da, leider aber kein Geld. „Von der ortsansässigen Bank hatten wir die Unterstützung. Selbst die KW, eine Förderbank für Geschäftsgründer, hat zugesagt. Die ganze Sache musste aber von der Bürgschaftsbank Brandenburg/Potsdam genehmigt werden. Die hat uns zwei Mal vorgeladen. Das passiert in den seltensten Fällen. Normalerweise wird nach dem ersten Termin eine Entscheidung getroffen. Wir mussten ein zweites Mal hin. Das Problem war, in Eberswalde waren mehr Optiker als Bedarf da. Wir haben uns echt verkauft und die Hosen herunter gelassen.“
Die Genehmigung war noch nicht durch, da standen im Laden schon die Bauleute. Nichts war finanziell abgesichert. Schlaflose Nächte für die angehenden Jungunternehmer. Noch im Nachhinein sind beide enttäuscht: „Jeder verspricht Förderung und dann kommt nichts. Nicht von der Handwerkskammer, nicht vom Arbeitsamt. Sie bekommen höchstens eine Förderung, wenn sie Mitarbeiter einstellen und die auch erst nachher. Wir standen beide ja in Wartestellung, ich musste den Job kündigen und wir wussten teilweise nicht, wie es weitergehen sollte.“ Rene Hoffmann kann auch heute noch nicht darüber lachen.
Innerhalb von drei Monaten wurde der Laden komplett um- und ausgebaut. Die Werkstatt im Keller, das Büro, Kunden- und Mitarbeitertoiletten, der Wintergarten hintendran mit Refraktion und KL-Studio, der Laden. Beide legten mit Hand an, denn Eigenleistung war gefordert. Jeder eigene ersparte Cent steckte im Bau.
Es galt, sich im Ort bekannt zu machen. Matthias Ewert war einige Zeit weg gewesen, musste wieder neu Fuß fassen. Man hatte ihn vergessen. Rene Hoffmann war bekannt – allerdings als Mitarbeiter eines anderen Augenoptikers. Zufällig lernten sie auf einer Messe Carsten Stecher von tisco kennen, der ihnen das Brillenabo empfahl. „Wenn wir das am Anfang nicht gehabt hätten, wäre die Situation eine völlig andere geworden. Das hat uns schon sehr geholfen.“
Sehr geholfen hat auch eine andere Idee, die Rene Hoffmann schon bei seinem früheren Arbeitgeber hatte. Der Brillenball. Zu dieser Veranstaltung wurden Kunden eingeladen, die die jungen Unternehmer allerdings noch nicht vorzuweisen hatten. Daher wurde der Brillenball eine öffentliche Veranstaltung, zu der jeder kommen konnte, der Lust dazu hatte. Im regionalen Rundfunksender wurde professionelle Radiowerbung organisiert, Flyer verteilt, Zeitungsartikel lanciert. Die Party wurde ein voller Erfolg mit mehreren hundert Gästen. Sie ist heute eine feste Einrichtung.
Zur Jahresendveranstaltung wurden alle Kunden von Hoffmann & Ewert angeschrieben, es gab einen ganz normalen Kartenvorverkauf. Brillenhersteller, mit denen die jungen Augenoptiker arbeiten, stellen Fassungen aus. Zum festen Stamm gehören Conquistador, Flair und Pro Design. Auch Luxottica mit Dolce & Gabbana und K-Actor haben schon teilgenommen. Das wechselt jedes Jahr. Sponsoren und Eintrittsgeld sichern die Finanzen der Veranstaltung, die nicht gewinnorientiert ist.
Auch nach dem riesigen Anfangserfolg der jungen Firma Hoffmann & Ewert fand eine Party statt. Im Laden. „Nach 100 Tagen gibt es doch immer eine Regierungserklärung. Wir wollten so was auch, uns bedanken für die Geduld der Kunden und ihr Vertrauen. Weil wir alles selber machen, waren wir mit unseren Brillen in Verzug geraten, wir wollten uns auch entschuldigen.“ Zu dieser Party kamen von 800 angeschriebenen gleich 150 Kunden. Der Laden brummt. Es ist sicher die persönliche Atmosphäre, die zieht. Nicht nur Party machen ist angesagt, auch andere Veranstaltungen werden gemeinsam besucht. Nach Hamburg ins Musical, ins Tropical Island usw. Hoffmann & Ewert leben ihren Beruf, leben mit den Kunden, haben eine Beziehung zu ihnen. Erfolgreich.
Wie ist das mit Ihnen? Denken Sie doch mal über eine Brillenparty nach.
Ulla Schmidt
Aktuelles Heft


ao-info-Service

Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der ao-info-Service? Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:













Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum ao-info-Service freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des ao-info-Service.
AGB
datenschutz-online@konradin.de