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Lässt Du Dich noch von ihr überraschen?

Zukunft gestalten
Lässt Du Dich noch von ihr überraschen?

Lässt Du Dich noch von ihr überraschen?
Stephan Meyer
Ganz plötzlich und völlig überraschend hatte die Firma Sennheiser ein Problem: Ihr Markt war verschwunden. Sennheiser gilt als Marktführer für Funkmikrofone. Funkmikrofone tragen nicht nur Musiker auf der Bühne, sondern z.B. auch Redner wie ich, wenn sie gerade einen Vortrag halten. Es gab eine regelmäßige Nachfrage an Funkmikrofonen, und die war plötzlich weg. Was war geschehen? Der Bedarf war immer noch vorhanden, doch durch die Presse geisterte die Nachricht, dass die Regierung den Funkmikrofonen andere Frequenzen zuweisen wolle. Vielleicht, irgendwann, irgendwelche. Viele potenzielle Käufer warteten also erst mal ab. Konnte ja sein, dass das frisch gekaufte Mikro binnen weniger Wochen wertlos wurde. Die Hersteller von Funkmikrofonen konnten nicht angemessen reagieren. Solange sie nicht wussten, welche neuen Frequenzen bereitgestellt würden, konnten sie auch nicht mit dem Entwickeln neuer Geräte anfangen. Von einem Tag auf den anderen hatten sich in diesem Markt die Spielregeln geändert.

Egal, in welchem Markt man sich bewegt: Märkte verändern sich. Sie wachsen, sie schrumpfen, manchmal verschwinden sie auch ganz. Das kann jeden treffen. Wie geht man damit um? Kann man sich darauf vorbereiten? Man kann.

Von der Zukunft reden, tun das nicht alle? Allerdings, aber sich angemessen auf die Zukunft vorbereiten, das wiederum machen nur die wenigsten. Es ist mit Arbeit verbunden.
Keine Sorge, das ist kein Hexenwerk und man braucht auch keine Glaskugel dafür. Zukunftsgestaltung ist ein solides Handwerk, das jeder erlernen kann. Auch der Zeitaufwand hält sich in Grenzen. Geübte Entscheider berichten davon, dass sie im Schnitt etwa 2% ihrer Arbeitszeit mit der systematischen Vorbereitung auf die Zukunft verbringen. Wenn man den zusätzlichen Gewinn, der sich dadurch in den Folgejahren erwirtschaften lässt, in Beziehung dazu setzt, ist das eine hochrentabel investierte Zeit. Eigentlich sollte jeder Zukunftsgestaltung betreiben. Wer sich zudem in einem besonders umkämpften oder gar schrumpfenden Markt befindet, hat keine Ausrede, es nicht zu tun.
Warum machen es dennoch so wenige? Zum einen braucht man dafür eine langfristige Perspektive. Der Eigentümer-Unternehmer, der seine Firma auch in fünf Jahren noch florieren sehen will, tut sich damit naturgemäß leichter als der angestellte Manager mit dem Zweijahresvertrag.
Außerdem ist Zukunftsgestaltung schweißtreibend: Es gilt, Entscheidungen zu treffen, um die man sich lange Zeit gerne gedrückt hat. Entscheiden ist nun mal anstrengend, selbst wenn man später rückblickend sagen wird, dass es sich gelohnt hat. Und dann führen manche als dritten Grund noch auf, dass sie gar nicht wissen, wie Zukunftsgestaltung geht. Dabei ist das ganz einfach.
Nicht in Prognosen denken
Wer die Zukunft besser verstehen will, sollte sich vom Denken in Prognosen verabschieden. Wer eine Prognose abgibt, liegt meistens falsch, wie uns die aktuellen Ereignisse aus der Weltwirtschaft gezeigt haben.
Wer dagegen in Szenarien denkt, der hat eines verstanden: Es gibt mehrere mögliche Zukünfte. Die Kunst liegt darin, die Entwicklungen in die richtige Richtung zu lenken. Das bedeutet, nicht die Zukunft vorherzusagen, sondern sie aktiv zu gestalten. Wem das gelingt, der kann die Zukunft sehr gelassen sehen. Ein mögliches Szenario der Zukunft bewertet man dann mit dem nötigen Selbstvertrauen: „Wir wissen nicht genau, wann es kommt, und wir wissen auch nicht zu 100%, ob es kommt. Aber wenn das Szenario kommt, dann sind wir gut vorbereitet.“
Es reicht leider nicht aus, Szenarien bloß zu entwerfen. Das mag hilfreich sein, mögliche Entwicklungen der Zukunft besser zu verstehen. Es hilft aber keinen Deut weiter bei der Frage, wie man denn damit umgeht, falls das Szenario eintritt. Manche Dinge kann man nicht auf theoretischer Ebene allein begreifen. Dafür ist die Zukunft mit ihren unzähligen Entwicklungsmöglichkeiten einfach zu komplex. Grau ist alle Theorie, farbig ist nur die Praxis.
Simulationsverfahren
In der psychologischen Forschung weiß man schon seit langem: Wie gut ein Mensch mit einer komplexen Situation zurechtkommt, das testet man am besten mit einer Simulation. Gleiches gilt auf Unternehmensebene: Wer für die Zukunft gerüstet sein will, der muss sie in einer Simulation vorwegnehmen. Wirtschaftssimulationen für Unternehmen, darin sind sich die Experten einig, sind groß im Kommen. Hier drei Beispiele für Simulationen, die bereits erfolgreich angewandt werden.
Beim ersten Simulationsverfahren überlegen sich die Mitarbeiter eines Unternehmens verschiedene mögliche Strategien, mit denen sie der Zukunft begegnen wollen. Dann teilen sich die Spieler auf in Teams. Jedes Team vertritt eine der Strategien.
Die Teams treten gegeneinander an und versuchen, sich über mehrere Runden hinweg Marktanteile abzuluchsen. Ein Computersystem unterfüttert das Geschehen mit realistischen Kennzahlen des Marktes. Am Ende der Simulation zeigt sich, welche der Strategien erfolgreicher war als die anderen.
Die zweite Simulationsart beginnt mit einem weißen Blatt, einer tabula rasa. Die Entscheider des Unternehmens entwickeln gemeinsam ihr Verständnis des eigenen Marktes. Sie führen Schritt für Schritt Faktoren ein, die den Markt beeinflussen. Dies wird mit einer kinderleicht bedienbaren grafischen Oberfläche an die Wand projiziert: „Wenn ich hier den Rohstoffpreis erhöhe, dann passiert folgendes…“ So entsteht ein Modell von zunehmender Komplexität, mit dem man bewusst spielen kann: „Nehmen wir mal an, an dieser Stelle ändern sich die gesetzlichen Rahmenbedingungen, dann wird…“
Der dritte Weg zu Simulieren ist besonders „Action-reich“. Hier spielt man bewusst Krisensituationen durch. Man begibt sich in Szenarien, in denen sich Vertrautes radikal ändert. Dazu versetzt man die Teilnehmer auch in die Schuhe ihrer Wettbewerber und gibt ihnen den Auftrag, ihr „wirkliches“ Unternehmen anzugreifen. So kann man testen, ob die eigene Strategie wirklich krisensicher und zukunftstauglich ist. Erst in einer „gespielten“ Krise zeigt sich, wie viele überlebenswichtige Fragen man sich im Unternehmen bislang nicht gestellt hat: Wofür stehen wir? In welchem Markt bewegen wir uns? Wie weit sind wir bereit zu gehen? Welche Unternehmensethik und Unternehmenskultur leben wir?
Die Zukunft in einer Simulation spielerisch vorweg zu nehmen, ist mehr als ein Spiel. Es ist eine der besten Methoden, mit komplexen Situationen umzugehen. Das bestätigt auch die psychologische Forschung. Und natürlich gibt es dafür inzwischen ein Modewort: „Corporate Foresight“ nennt sich der Weg, Unternehmensentscheidungen mit Zukunftsentwicklungen systematisch zu verknüpfen. Auch im Hause Sennheiser betreibt man mittlerweile Corporate Foresight. Man will sich ja nicht nochmal überraschen lassen.
Warum man sich mit der Zukunft beschäftigen sollte? Weil es hilft, sich auf das Wesentliche zu fokussieren, im beruflichen wie im privaten. Wer dem Leben einen Sinn verleihen will, der stellt sich selbst gelegentlich die drei elementaren Fragen menschlichen Daseins:
  • Wer bin ich?
  • Was mache ich hier?
  • Und was hatte ich eigentlich einmal vor mit meinem Leben?
Stephan Meyer
Über den Autor:
Stephan Meyer – Sein Handwerk ist das Schlachten „heiliger Kühe“. Als studierter Wirtschaftspsychologe bewegt er sich stets am Schnittpunkt zwischen Psychologie und Zukunft. Vielen Unternehmern hat er bereits geholfen, die blumigen Worte der Zukunftsforscher in die klare Sprache des Managements zu übersetzen.
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