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Fluch oder Segen?

Rating-Agenturen
Fluch oder Segen?

Jeder von uns hat schon einmal die Auswirkungen einer Rating-Agentur erlebt: Die Schule! Sie ist die Rating-Agentur der besonderen Art, die weitreichende Auswirkungen für unser zukünftiges Leben hat – und seien wir ehrlich, wer hat die vielfach nach eigener Auffassung, „ungerechten“ Noten nicht beklagt?

Von erheblich größerer wirtschaftlicher Bedeutung sind jedoch – wie wir fast täglich den Medien entnehmen können – die Einschätzungen der institutionalisierten und weltweit tätigen Rating-Agenturen hinsichtlich der wirtschaftlichen und finanziellen Lage von Unternehmen, Finanzinstituten und/oder ganzen Ländern.

Eine Bewertungsstufe hinauf oder herab kann ganze Länder in ein wirtschaftliches Desaster führen – oder umgekehrt. Gleiches gilt für Unternehmen oder den Bankensektor.
  • Woher haben diese Rating-Agenturen ihre Macht oder sind sie nur die Überbringer der schlechten Nachricht, die selbst von den Ländern oder Unternehmen verursacht, anderen – also den Rating-Agenturen – zur Last gelegt werden?
  • Warum gibt es diese Institutionen fast ausschließlich in den USA?
  • Welche Kontrollmöglichkeiten und Beschränkungen für Rating-Agenturen gibt es?
  • Müssen wir uns oder unsere Regierungen und Finanzinstitute eigentlich nach den Ergebnissen dieser Institutionen richten?
  • Haben diese Ratings auch direkten Einfluss auf unser Leben?
Viele Fragen, die nachfolgend – soweit dies möglich ist – einer Antwort näher gebracht werden sollen.
Doch welche Institutionen führen diese Ratings eigentlich durch und wie sind sie entstanden? Machen wir also zunächst einen kleinen Ausflug in die Historie.
Gründung und Entwicklung der Rating-Agenturen
Bereits 1936 wurde durch die US-Bankenaufsicht die Auflage gemacht, dass Banken nur noch Emissionen und Forderungen mit einem Mindestrating übernehmen dürfen. Dies hatte natürlich unweigerlich zur Folge, dass es zu einem Zwangsrating durch externe Unternehmen kommen musste.
In 1975 wurden diese Auflagen noch einmal verschärft, da nunmehr explizit die Rating-Agenturen Standard & Poor’s Moody’s und Fitch als alleinige Rating-Agenturen zugelassen wurden. Eine weitere „Einschränkung“ erfuhr dieser Prozess dadurch, dass immer zwei Rating-Agenturen einbezogen werden müssen. Zwischenzeitlich bestehen in den USA zwar einige weitere Unternehmen, die als staatlich anerkannte Rating-Agenturen fungieren, so dass hinsichtlich der Auswahlmöglichkeiten vermeintlich eine gewissen Entspannung eingetreten ist; in der Realität treten aber mehr oder weniger nur die drei zuvor genannten Rating-Agenturen in der Öffentlichkeit in Erscheinung.
Natürlich gab es in der Vergangenheit auch Versuche, Rating-Agenturen in Deutschland oder in der Europazone zu gründen, doch waren diese Ansätze von nur sehr geringem Erfolg gekrönt. 1991 entstand die Projektgesellschaft für Europäisches Rating mbH, eine Rating-Initiative unter Federführung der Deutschen Bank. Dieser Versuch, wie auch ein Ansatz der Kreditwirtschaft gemeinsam mit Bertelsmann im Jahre 1996, scheiterten. Auch aktuelle Ansätze lassen nicht erwarten, dass sich die Bandbreite der Rating-Agenturen verbreitern wird.
Die bedeutendsten Ratingagenturen
Lassen Sie uns nun die drei größten und den Markt dominierenden Rating-Agenturen –die zuvor schon genannt wurden – etwas näher betrachten, um ihre Strukturen, ihre Arbeitsweisen und ihre Ziele besser einschätzen zu können. Sie führen rund 95 Prozent der Ratings durch. Beeindruckend ist dabei, dass rund 80 Prozent allein durch die beiden Rating-Agenturen S&P und Moody’s erfolgen.
  • Standard & Poor’s Ratings Service
  • Moody’s Investors Service
  • Fitch Ratings
Die wesentlichen Eckdaten der drei Rating-Agenturen können der Übersicht 1 entnommen werden.
Zudem ist bei näherer Betrachtung der Eigentümerstruktur festzustellen, dass Standard & Poors und Moody’s sich auf das Verlagshaus McGraw-Hill und dessen Anteilseigner zurückverfolgen lassen. Eine sicherlich sehr interessante und bemerkenswerte Verbindung. Wir erinnern uns: in den USA müssen immer zwei Rating-Agenturen eingeschaltet werden.
Bei der Einschätzung der Bedeutung der Rating-Agenturen muss auch berücksichtigt werden, dass es sich nicht (!) um staatliche Organisationen handelt, sondern um gewinnorientierte private Unternehmen.
Das Rating der Rating-Agenturen
Wikipedia stellt zur Beschreibung der Arbeitsweise der Rating-Agenturen eine sehr gute Definition zur Verfügung:
„Die Agenturen fassen das Ergebnis ihrer Untersuchung (Rating) in eine Buchstabenkombination zusammen, die in der Regel von AAA bzw. Aaa (beste Qualität) bis D (zahlungsunfähig) reicht.
Die Ratingcodes spiegeln dabei zunächst nur eine Rangfolge wieder. Außerdem wird im Rating auch die Widerstandsfähigkeit gegen Konjunkturschwankungen berücksichtigt, so dass zumindest ein höheres Rating auch auf ein dauerhaft stabiles Unternehmen hinweist. Ratinagenturen bewerten auch die Ausfallwahrscheinlichkeit von Forderungen.“ Quelle: Wikipedia
Man spricht in diesem Zusammenhang auch von den ‚Bonitätsstufen’, siehe Übersicht 2.
Lassen Sie uns einige aktuelle Ratings (Stand: 17.09.2012) betrachten, um ein Gefühl für die jeweilige Einordnung einiger Länder zu erhalten. Da haben wir zunächst Deutschland mit den Bewertungen AAA(Fitsch), AAA (S&P) und Aaa (Moody’s). Dieser Gruppe werden auch Länder zugeordnet, wie Dänemark, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Kanada, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Österreich, Schweden, Schweiz, Singapur und die USA.
Viele andere Länder sind mit dem Kennbuchstaben B in den verschiedensten Ausprägungen gekennzeichnet – und wen wundert es, Griechenland liegt mit der Einschätzung der Rating-Agenturen bei CCC. Selbst Aserbaidschan, Armenien, Botswana, Bangladesch, Ghana, Kamerun oder Ruanda, um einige Vergleichsstaaten zu nennen, werden besser bewertet als Griechenland. Angemerkt sei, dass die Werte sich bis zur Veröffentlichung dieses Beitrags natürlich schon wieder geändert haben können, da die Ratings sehr schnelllebig sind.
Warum Rating-Agenturen?
Neben der Überprüfung und Einordnung der Bonität von Unternehmen aller Branchen – ob national oder international –, werden auch Staaten oder deren Gliederungen einem Rating unterzogen.
Hintergrund ist der natürliche Wunsch der Investoren und Gläubiger, die finanzielle Leistungsfähigkeit der Schuldner von „unabhängigen“ und gleichzeitig hoch qualifizierten Fachleuten prüfen zu lassen. Auf den Begriff der Unabhängigkeit kommen wir noch unter dem Gliederungspunkt „Kritische Punkte beim Rating-Verfahren“ zu sprechen.
Hauptkriterium der Untersuchung ist eine Aussage darüber zu treffen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass das verliehene Geld oder aber die erwartete Zinszahlung am Stichtag auch an die Gläubiger fließt.
Ablauf eines Rating-Vorgangs
Ausgangspunkt ist der Auftraggeber – sei es ein Unternehmen, Finanzinstitut oder ein Staat -, der auf eine oder mehrere Rating-Agenturen zugeht – je nach dem, welche Forderung hinsichtlich der Anzahl der einzubeziehenden Rating-Agenturen in dem Staat erhoben wird – um dann einen so genannten Mandatsvertrag abzuschließen. Bei dieser Form des Ratings werden sowohl die frei in der Öffentlichkeit verfügbaren Informationen wie auch die internen Informationen in die Untersuchung einbezogen.
In der darauf folgenden Analyse geben ein Junior- und ein Senior-Analyst eine Ratingempfehlung ab. Danach beschließt ein so genanntes Rating-Komitee über diese Empfehlung. Ist dieses Verfahren abgeschlossen, werden die Ergebnisse dem Auftraggeber zur Verfügung gestellt und – nach Zustimmung des Auftraggebers – veröffentlicht. Hierbei kann es sich jedoch nur um eine Formalie handeln, da, wird das Rating-Ergebnis nicht veröffentlicht, natürlich die Geldgeber oder Gläubiger daraus ihre Schlüsse ziehen können. Bei Länder-Ratings wird den Regierungen ein Vorlauf von 12 Stunden bis zur Veröffentlichung eingeräumt.
Daneben gibt es so genannte Sekundär-Ratings, die nur auf öffentlich zugänglichen Unternehmensinformationen basieren
Auswirkungen des Ratings
Warum schauen die Länder, aber auch die von den Rating-Agenturen bewerteten Unternehmen, so „ängstlich“ auf die Beurteilungen und Klassifizierungen der Agenturen? Zumal die Rating-Agenturen selbst ihre Ratings schlicht als „Meinung“ einstufen, die keinerlei Kauf-, Halte- oder Verkaufsempfehlung darstellen. Bei Rating-Agenturen handelt es sich demnach um Zertifizierer ohne eigenes Risiko.
Zur wirtschaftlichen Bedeutung der Aussagen dieser Institutionen lassen Sie uns auf ein Beispiel zurückgreifen, das auf der Rating-Agentur Standard & Poor’s basiert. Dabei ist natürlich zu berücksichtigen, dass auch Aspekte wie Kundenbeziehung und/oder Konkurrenzangebote Einfluss auf die Kreditkonditionen haben, siehe Übersicht 3.
Allgemein kann man für Länder-Ratings feststellen, dass, wird ein Land herabgestuft, die Geldgeber das Ausfallrisiko als steigend einschätzen. Bei höherem Risiko werden naturgemäß höhere Zinsen erhoben, was wiederum dazu führt, dass die Beschaffung von Kapital über Staatsanleihen höhere Kosten verursacht und damit erschwert wird.
Bemerkenswert ist, dass die Zinsaufschläge bei Ländern nicht allein durch die Herabstufung der Rating-Note ausgelöst werden können, sondern dass es vielfach schon reich, wenn eine Senkung des Ratings möglicherweise in Aussicht gestellt wird, oder die Aufnahme auf eine so genante ‚Watchliste’ erfolgt, die auf eine mögliche Veränderung hindeuten kann. Hieraus wird deutlich, wie sensibel dieser Bewertungsbereich ist.
Diese Entwicklung setzt sich natürlich auch auf den Kreditmärkten für Unternehmen und Privatpersonen fort, so dass letztlich die gesamte Wirtschaft eines Landes betroffen ist. Bei Unternehmen kommt es dann zusätzlich noch zum so genannten ‚Sovereign Ceiling’. Dies bedeutet, dass das Rating eines Unternehmen aus einem Land Y, immer unter dem Rating des Landes Y liegt, also die Länder-Rating-Note eine Obergrenze bildet, selbst wenn das Unternehmen über hohe Umsätze, satte Gewinne und eine solide Finanzbasis verfügt.
Kritische Punkte beim Rating-Verfahren
Die Ratings werden seit jeher von eklatanten Fehleinschätzungen begleitet, sieht man zum Beispiel auf die Finanzmarktkrise 2007/2008 mit der US-Imobilienkrise, aber auch Lehmann Brothers, Euron, Worldcom, Parmalat und wie sie alle heißen. Diese unvollständige Liste unterstreicht, dass die Rating-Agenturen nicht unfehlbar sind.
Vor allem die Intransparenz des eigentlichen Ratings mit fehlenden Hinweisen,
  • wie vorgegangen wird,
  • mit welchen Daten gearbeitet wird
  • und welche Bewertungen unterstellt werden,
macht eine Einschätzung kaum möglich. Über allem wird das Deckmäntelchen des Betriebsgeheimnisses ausgebreitet.
In den ersten Geschäftsmodellen der Rating-Agenturen war geplant, die Einnahmen über den Verkauf von Publikationen zu erzielen. Heute werden die Umsätze größtenteils durch die Gebühren der bewerteten Unternehmen und staatlichen Emittenten abgedeckt
Bemerkenswert im wahrsten Sinne des Wortes ist, dass zum Beispiel Athen oder Lissabon hunderttausende Euro im Jahr an die Rating-Agenturen zahlen, um Bewertungen zu erhalten, die das Regieren nicht gerade leicht machen. Aber ohne diese Bewertungen ginge gar nichts!
Auf der anderen Seite bekommen einige Länder ihre Ratings kostenlos, da diese Staaten wichtig im weltwirtschaftlichen Gefüge sind und dementsprechend nicht ignoriert werden können, würden sie Zahlungen an die Rating-Agenturen verweigern. Bei Standard & Poor’s sind dies zum Beispiel 15 Länder, darunter Deutschland, Frankreich und Italien.
Aber es gibt auch bei Rating-Agenturen Problemfelder, die im „tatsächlichen“ wirtschaftlichen Leben immer wieder vorkommen können und nochmals deutlich machen, dass wir uns im privatwirtschaftlichen Bereich bewegen.
So kann es persönliche Interessen von Mitarbeitern der Rating-Agenturen geben, da sie hoffen, zukünftig in den zertifizierten Unternehmen eine Anstellung zu finden. So hat es durchaus schon Abwerbungsversuche von Mitarbeitern aus Rating-Agenturen durch Investmentbanken gegeben, die durch diese Mitarbeiter hofften, gezielter Informationen an die Rating-Agenturen geben zu konnten und damit gezielten Einfluss auf das eigene Rating zu erhalten.
Aber auch private Aktienspekulationen – was wäre menschlicher – könnten Ratings möglicherweise beeinflussen.
Weiterhin kann das Auftragsvolumen zur Erstellung eines Ratings mittelbar Einfluss auf die Rating-Agentur nehmen, will man den Auftraggeber bei einem sehr negativen Rating nicht verlieren. So könnte eine Herabstufung zu Streitigkeiten oder gar den Verlust des Gebühren zahlenden Schuldners und zum Wechsel zu einer anderen Agentur führen.
Aber auch die Transparenz der zur Verfügung gestellten Informationen vom Auftraggeber kann erhebliche Probleme beinhalten. Wie in der Volkswirtschaft üblich, gibt es dazu sogar eigene Theorien, wie z.B. die ‚Aerlof’sche adverse selection theory’, nach der die Schuldner dazu neigen, „schlechte“ oder „kritische“ Informationen zurückzuhalten, zu verharmlosen, zu spät oder gar nicht bekannt zu geben. Nichts ist menschlicher.
Abschließend sei noch auf den Teufelskreis ‚trigger event’ hingewiesen, nach dem negative Bewertungen wirtschaftlicher Entwicklungen in der Form von Herabstufungen wirtschaftliche Entwicklungen bedingen, die wiederum zu noch negativen Bewertungen führen, die wieder eine Herabstufung nach sich zieht, usw.
Fazit
Die aufgeführten Fakten haben gezeigt, dass die Rating-Agenturen durchaus mit anderen „normalen“ Unternehmen zu vergleichen sind, die profitorientiert auf dem Markt agieren. Deshalb sollte man sich bei den veröffentlichen Ratings immer die nachfolgenden drei Punkt vergegenwärtigen:
  • 1. Obwohl in der Öffentlichkeit der Eindruck erweckt wird, dass die Ratings der Rating-Agenturen einen verbindlichen Charakter haben, muss man sich immer wieder vergegenwärtigen, dass die Aussagen mehrheitlich nicht objektiv sind.
  • 2. Die großen Rating-Agenturen haben trotz der unter 1. gemachten Aussage einen großen Einfluss und hohe Macht auf den Märkten.
  • 3. Stellen Sie immer die Richtigkeit und die Werthaltigkeit eines Ratings in Frage und versuchen Sie auch über andere Quellen Informationen und Einschätzungen zu erhalten.
Dr. Rolf Guddorf,
Frankfurt am Main
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