Startseite » News » Betrieb »

Die Markt- und Imagestudie

Der praktische Fall
Die Markt- und Imagestudie

Kaum jemand wird bestreiten, dass Wettbewerb – in fairer Form – Energien freisetzt, die ohne entsprechende Konkurrenzsituation nicht hätten mobilisiert werden können. Der alte Spruch „Wettbewerb hebt das Geschäft“ behält daher seine Richtigkeit, wenn unter „fairen Bedingungen“ gekämpft wird. In unserem neuen praktischen Fall wird dargestellt, wie sinnvoll, ertragreich und auch zukunftsgerichtet Wettbewerb nach innen stattfindet.

Die Ausgangssituation ist so gekennzeichnet, dass Augenoptik A in einer süddeutschen Mittelstadt ein Augenoptikgeschäft betreibt, das vor ca. 20 Jahren gegründet – und vom derzeitigen Inhaber vor ca. 10 Jahren – übernommen wurde. Die Mittelstadt verfügt insgesamt über ein Einzugsgebiet von ca. 20.000 Einwohnern. Nach einer positiven Geschäftsentwicklung wurde im ca. 10 km entfernten Nachbarort (etwa 10.000 Einwohner) ein Ladenlokal neu gebaut, in das Augenoptik A eine Filiale hineinsetzte.

Beide Geschäfte entwickelten sich prächtig und Augenoptik A wollte einmal dezidiert wissen, wie die jeweilige Marktposition, das Image der beiden Betriebe und die zukünftige Entwicklung sich zueinander verhielten. Da nämlich eine leichte Stagnation eingetreten war, bestand die Überlegung, möglicherweise ein drittes Geschäft hinzuzunehmen oder aber die bestehenden Geschäfte weiter zu optimieren und zu relaunchen.
Wettbewerb zwischen den Standorten
Bereits seit vielen Jahren ist bekannt, dass oft unter ganzen Städten und Regionen starke Wettbewerbssituationen herrschen. Dabei geht es also nicht nur um einzelne Geschäfte oder die Geschäfte einer bestimmten Branche, sondern um ganze Standorte. Denn eindeutig erkennbar ist der Trend, dass die Verbraucher heute durch hohe Mobilität immer wieder schnell entscheiden können, ob sie sich ins Auto setzen und in den 15 Minuten entfernten Nachbarort eine Einkaufsfahrt unternehmen, wenn dort etwas besonders Attraktives angeboten wird oder ein Event zu vermelden ist.
Auch im vorliegenden praktischen Fall kam es zwischen den beiden Orten zu einem nicht unerheblichen Konkurrenzkampf, so dass es durchaus naheliegend war, dass auch Augenoptik A seine beiden Geschäfte unter Konkurrenzgesichtspunkten betrachtete. Innerhalb der Mitarbeiter-Mannschaft wurde daher jährlich ein internes „Gewinnspiel“ durchgeführt, das sich an den Größen:
  • Umsatzentwicklung
  • Entwicklung der Wertschöpfung
  • Ertragsentwicklung
orientiert.
Einen Sonderpreis gab es für Spitzenreiter in der
  • Stückzahlentwicklung komplette Brillen
  • Stückzahlentwicklung Brillengläser
Während man die o. a. Zahlen aus der hauseigenen EDV-Statistik entnehmen konnte, waren selbstverständlich die Marktwerte wie beispielsweise:
  • Bekanntheitsgrad
  • Marktanteile
  • Imagefaktoren
der beiden Geschäfte unbekannt. Um hier zu dezidierten Werten zu kommen, ließ der Inhaber von Augenoptik A eine Markt- und Imagestudie durchführen, die zum Ziel hatte, einmal diese Positionen zu ermitteln und untereinander zu vergleichen. Selbstverständlich sollte auch erfragt werden, ob an den jeweiligen Standorten noch genügend Potenzial für zukünftiges Wachstum vorhanden ist, oder am einen oder anderen Platz das „Ende der Fahnenstange“ erreicht wurde. Hierbei werden naturgemäß aktuelle Situationen, Entwicklungstrends in der Branche und die subjektiven Einschätzungen der Verbraucher festgestellt. Aufbauend auf diesen Ergebnissen können dann Zukunftsprognosen erstellt und Maßnahmen entwickelt werden, die für die eigene Unternehmensstrategie von ausschlaggebender Bedeutung sind.
Systematisches Vorgehen ist dringend erforderlich
Bereits in früheren Ausführungen der Serie wurde darauf hingewiesen, dass ein systematisches Vorgehen im Rahmen der Befragung und auch der Auswertung von ausschlaggebender Bedeutung sind. Nur wenn bestimmte Standards eingehalten werden, kann das aus der Primärerhebung im Rahmen der Passantenbefragung gewonnene Datenmaterial in vernünftige Aussagen und Vorschläge münden. So zeigt beispielsweise die Grafik 1 den Zusammenhang zwischen Stichprobenumfang und der prozentualen Abhängigkeit der Ergebnisse bei einer statistischen Sicherheit von 95,5 Prozent. In der Praxis wird nämlich immer wieder gefragt, ob es denn tatsächlich ausreicht, wenn im Rahmen einer Befragung „nur“ 400 Personen befragt werden. So werden immer wieder Zweifel geäußert, ob denn hier eine repräsentative Aussage tatsächlich möglich ist.
Die nebenstehende Grafik veranschaulicht, dass bei einem Stichprobenumfang von 400 Interviews die Abweichung mit 95,5%iger Wahrscheinlichkeit nicht höher als 5 Prozent beträgt. Dies bedeutet z. B., dass wenn der Bekanntheitsgrad bei 50 Prozent liegt, dass sich hier eine Schwankungsbreite dieses Ergebnisses zwischen 47,5 und 52,5 einstellt. Für die letztliche Aussage und dem daraus abzuleitenden Maßnahmenschluß ist es jedoch durchaus tolerierbar, mit dieser Fehlerabweichung zu leben. Wichtig ist nämlich in jedem Fall das Heranziehen von Vergleichswerten aus ähnlich gelagerten Befragungen mit der gleichen Vorgehensweise. Wichtig ist auch, dass die befragten Passanten nicht entsprechend der tatsächlichen Bevölkerungsstruktur im Untersuchungsraum ausgewählt werden, sondern unter Berücksichtigung der auszuwertenden Teilgruppen quotenmäßig zusammengestellt werden.
So ist beispielsweise der Anteil der Personen in den mittleren Altersgruppen an der Gesamtbevölkerung weitaus geringer, als er im Rahmen der durchzuführenden Interviews gewählt wird. Die hier anzustellende Überlegung resultiert daraus, dass insbesondere interessant ist, die Position des Unternehmens und die Einstellung der Bevölkerung in den mittleren Altersgruppen stärker zu berücksichtigen und gewichten, da hier im Kaufverhalten ganz einfach „mehr zu bewegen ist“. Gleichermaßenn wird auch bei jüngeren Verbrauchern eine geringere Anzahl Personen befragt, da für die Augenoptik insgesamt geringeres Potenzial zur Verfügung steht. Wichtig ist natürlich, dass diese Gruppen nicht vernachlässigt und in ausreichendem Umfang mit berücksichtigt werden.
Für die diesem praktischen Fall zu Grunde liegende Hauptfragestellung wurden die Gesamt-Interviews selbstverständlich auf die beiden Standorte verteilt.
Zeitvorsprung schafft höheren Bekanntheitsgrad
Eine wichtige Frage im Rahmen der Markt- und Imagestudien ist die Frage nach dem ungestützten Bekanntheitsgrad. Wie der Leser dieser Serie weiss, unterscheidet man in der Praxis zwischen dem ungestützten und dem gestützten Bekanntheitsgrad. Während beim ungestützten Bekanntheitsgrad keinerlei Hilfestellung durch den Interviewer gegeben wird und ermittelt wird, wie spontan bekannt bestimmte Firmen oder Produkte sind, gibt man mit dem gestützten Bekanntheitsgrad eine Namensvorgabe und fragt gezielt nach, ob dieses Unternehmen oder Produkt bekannt sei.
Chart 1 vermittelt den ungestützten Bekanntheitsgrad der Augenoptikgeschäfte an den beiden untersuchten Standorten. Hier zeigt sich, dass Augenoptik A mit seinem Hauptgeschäft den zeitlichen Vorsprung, den das Unternehmen ja durch frühere Gründung besitzt, sich auch in einem höheren ungestützten Bekanntheitsgrad wiederspiegelt. So ist das Hauptgeschäft mit 29,2 Prozent zu 50 Prozent bekannter, als die Filiale (mit gleichem Firmennamen) im benachbarten Ort. Für Augenoptik A stellte sich hier keine Überraschung heraus, denn das Ergebnis war so in dieser Ausprägung erwartet worden. Überrascht war der Unternehmer allerdings über die Wettbewerber. So fallen die ungestützten Bekanntheitsgrade der Wettbewerber F und G, die sich am Standort der Filiale befinden, mit 32,0 Prozent bzw. 39,0 Prozent doch erheblich deutlicher aus, als vermutet worden war. Wenn man auch bedenken muss, dass diese Geschäfte ebenfalls zeitlichen Vorsprung durch frühere Gründung besitzen, war doch aufgrund der Tatsache, dass diese Unternehmen in der Werbung nicht so in Erscheinung treten, ein geringerer Bekanntheitsgrad vermutet worden.
Besonders erfreut war Augenoptik A über den Vorsprung im Bekanntheitsgrad gegenüber dem Filialisten 1, der aufgrund einer intensiven Fernsehwerbung eigentlich viel stärker erwartet worden war. Hier zeigt sich wiederum ganz deutlich, dass Aktivitäten vor Ort und der persönliche Einsatz durchaus gegen Filial-Unternehmen „anstinken“ lässt. Es bedarf keiner Erwähnung, dass hier die Wettbewerbssituation Augenoptik A auch zu besonderen Leistungen herausgefordert hat.
Ein Defizit im gestützten Bekanntheitsgrad
Während die Werte beider Geschäfte im ungestützten – also spontanen – Bekanntheitsgrad durchaus ansprechend hoch ausfallen, trifft dies beim gestützten Bekanntheitsgrad leider nicht zu.
Wie die beiden Charts 2 und 3 vermitteln, fallen die Bekanntheitsgrade mit 69,3 Prozent für das Hauptgeschäft und 59,0 Prozent für die Filiale nicht so toll aus. Unter Berücksichtigung von Ortsgröße, Ortsstruktur, Handels- und Versorgungssituation wie auch aufgrund der Tatsache, dass sich Augenoptik A ja bereits nicht erst seit gestern auf den beiden Märkten befindet, müssten die gestützten Bekanntheitsgrade deutlich höher ausfallen. So ist für den Standort X-Stadt (Hauptgeschäft) ein Zielwert von ca. 85 Prozent und für den Standort Y-Stadt (Filiale) von 75 Prozent zu nennen. Hier bleiben also beide Geschäfte deutlich hinter den Erwartungen zurück. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass das Hauptgeschäft gegenüber der Filiale wiederum einen Zeitvorsprung von 10 Jahren aufweist, schneidet daher die Filiale relativ gesehen sogar noch günstiger ab als das Hauptgeschäft. Hier gilt es, zu hinterfragen, woraus diese Defizite im Detail resultieren. Ein Blick in die Tabelle 1 ist hilfreich, denn hier ist eine Auswertung nach den einzelnen Teilgruppen wiedergegeben. So zeigt die Tabelle 1, dass das Unternehmen insgesamt (also beide Geschäfte zusammen) bei den Männern etwas bekannter ist als bei den Frauen. Erhebliche Defizite zeigen sich jedoch in den jüngeren Altersgruppen. So antworteten von den 16 bis 25jährigen lediglich 41,3 Prozent, dass sie Augenoptik A kennen. Mit fast 60 Prozent fällt die Zahl der Nicht-Kenner für Augenoptik A nahezu niederschmetternd aus!
Aber auch in den Kern-Zielgruppen der 26 bis 40jährigen und der 41 bis 60jährigen bleiben die Bekanntheitsgrade deutlich hinter den Erwartungen zurück. Geht man nämlich von der Überlegung aus, dass bei den 41 bis 60jährigen bereits ein hoher Brillenkäuferanteil anzutreffen ist, so müsste hier der Bekanntheitsgrad bereits deutlich über 80 Prozent wenn nicht gar über 90 Prozent liegen. Um nicht missverstanden zu werden, geht es an dieser Stelle noch nicht um Marktanteile, sondern lediglich darum, ob dass Unternehmen bekannt ist. Hier gilt es für die Zukunft in jedem Fall weitere Anstrengungen zu unternehmen, um den Bekanntheitsgrad in die o. a. Größenordnung zu manövrieren. Andererseits zeigen sich hier noch erhebliche Chancen für die Zukunft.
Darüberhinaus liegt ein Erklärungsansatz sicherlich auch in der Größenordnung des nachfolgend dargestellten Brillenkäuferanteils.
Der Brillenkäuferanteil als wichtige Kenngröße
Eine der entscheidendsten Fragen überhaupt im Rahmen von Markt- und Imagestudien ist die Frage danach, ob bereits eine Korrektionsbrille gekauft worden ist. Der Leser dieser Serie wird sich noch daran erinnern, dass in gravierender Weise zwischen „Brillen kaufen“ und „Brillen tragen“ unterschieden werden muss. So zeigt auch der aktuelle praktische Fall, welcher immense Unterschied zwischen den beiden Befragungsstandorten der beiden Geschäfte von Augenoptik A besteht. So vermitteln die Charts 4 und 5 auf eklatante Weise, dass der Standort X-Stadt des Hauptgeschäfts von Augenoptik A mit einem Brillenkäuferanteil von 71,3 Prozent in besonderer Weise „ausgeschöpft“ ist. Der Standort Y-Stadt dagegen, an dem sich die Filiale von Augenoptik A befindet, weist mit einem Brillenkäuferanteil von 64,0 Prozent eine deutlich geringere Marktausschöpfung auf. Hier steht ganz offensichtlich noch anzusprechendes Marktpotenzial zur Verfügung, denn wie die weiteren Charts zu den Brillenkäuferanteilen vermitteln (vgl. Chart 6 und 7), liegt Y-Stadt mit diesen Werten unterhalb des BGW-Durchschnittswertes, der bundesweit zur Zeit aktuell 67,5 Prozent beträgt.
Betrachtet man in den genannten Charts 6 und 7 die direkten Vergleiche des BGW-Durchschnitts mit den in X- und Y-Stadt ermittelten Werten, so lassen sich noch deutliche Unterrepräsentanzen in folgenden Teilgruppen aufzeigen:
  • Frauen
  • 16 bis 25jährige
  • über 60jährige
Für die eigene Unternehmensstrategie von Augenoptik A sind diese Informationen sehr wertvoll und fließen in das eigene Strategiekonzept für die Zukunft ein.
Hartmut Melzer
Aktuelles Heft


ao-info-Service

Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der ao-info-Service? Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:













Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum ao-info-Service freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des ao-info-Service.
AGB
datenschutz-online@konradin.de