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Der Bekanntheitsgrad als Expertenvermutung

Erfolgreich in die Zukunft durch Spezialistentum
Der Bekanntheitsgrad als Expertenvermutung

Alexander Christiani zählt als Europas Top-Experte für Verkauf und Persönlichkeit zu den gefragtesten Beratern führender Spitzenkräfte aus Wirtschaft, Wissenschaft und Sport. Bereits in Ausgabe 7/03 des Magazins „DER AUGENOPTIKER“ hat er einen Beitrag zum Thema „Expertenstatus“ verfasst. Jetzt und in den nächsten Ausgaben geht er ins Detail.

Manager, die an Dialektikseminaren teilgenommen haben, wissen, dass man unser logisches Denkvermögen mit einfachen Mitteln austricksen kann.

Stellen Sie sich vor, jemand sagt zu Ihnen: „Golfbälle sind rund, Tennisbälle sind rund, Handbälle sind rund, …Mit einem Wort: alle Bälle sind rund.“ Zwei Sätze weiter fährt der Sprecher fort: „Aber nicht nur Bälle sind rund. Denken Sie auch einmal an Murmeln oder Perlen und Sie werden schnell erkennen: Alles, was rund ist, ist eine Kugel.“ An dieser Stelle hat sich nun ein Denkfehler eingeschlichen: Richtig ist zwar, dass Bälle und andere Kugeln rund sind, aber das heißt noch lange nicht, dass alles, was rund ist, auch die Form einer Kugel hat: Eheringe, Markstücke, Eier und viele Hundert andere Dinge sind rund, aber keine Kugel.
Was uns bei diesem übersichtlichen Sandkasten-Beispiel leicht ins Auge springt, erkennen wir bei komplexen Sachverhalten des Alltags weniger gut: Die meisten Experten sind sehr bekannt. Unser Gehirn ist deswegen leicht geneigt, vom Bekanntheitsgrad eines Menschen vorschnell auf seinen Expertenstatus zu schließen.
Seeler und die Suppe
Denken Sie zum Beispiel an die Anzeigenwerbung, in der Uwe Seeler Maggi-Suppe in sich hin-einlöffelt und deren guten Geschmack lobt. Gibt es nach Ihrer Ansicht einen Erfahrungssatz, der besagt, dass wenn jemand vor 40 Jahren sehr gut Fußball spielen konnte, seine Geschmacksnerven heute besser sind als Ihre oder meine?
Offensichtlich gibt es einen solchen Erfahrungssatz nicht. Und deshalb wäre es von der sachlichen Folgerichtigkeit viel einleuchtender, wenn die Maggi-Werbung uns einen wahren Geschmacksexperten präsentieren würde: zum Beispiel den 3-Sterne Koch Eckehard Witzigmann. Da Eckehard Witzigmann außerhalb der Fangemeinde echter Gourmets nur wenigen bekannt ist, vertrauen die Maggi-Marketingexperten zu Recht auf die Zugkraft von Uwe Seeler: Wer so bekannt ist, auf dessen Expertenurteil vertrauen wir halt… Apropos Witzigmann: Eckehard Witzigmann ist einer der renommiertesten deutschen Starköche. Er hat sich über mehr als zwei Jahrzehnte auch als Kochbuchautor einen exzellenten Namen gemacht. Er galt in der Branche deshalb nicht nur als Starkoch, sondern auch als Starautor.
Doch dann hat ihn die Unfairness des Lebens stark erwischt: Denn auf einmal ging am Himmel der Kochbuchautoren ein Stern auf, in dessen hellem Licht das Genie von Eckehard Witzigmann innerhalb weniger Monate zu verblassen drohte.
Peinlicherweise ist der neue Kochbuch-Star im Vergleich zu Eckehard Witzigmann bestenfalls ein ambitionierter Hobby-Koch. Als Amateur reinsten Wassers beschreibt der neue Autoren-Star im übrigen nicht seine eigenen Kochrezepte, sondern die, die andere ihm zugetragen haben: TV-Talkmaster Alfred Biolek hat in kürzester Zeit mit Büchern wie „Über die Nachtische meiner Gäste“ aufgrund seines Bekanntheitsgrades eine Verbreitung als Kochbuch-Autor erreicht, von der Eckehard Witzigmann bis an den Rest seines Lebens vermutlich nur träumen kann. Die Moral von der Geschicht: Es ist gut, ein wahrer Experte zu sein. Und es ist noch besser, einen Bekanntheitsgrad zu genießen, der in anderen den Glauben an unser Universalgenie weckt.
Magnet-Marketing sichert den Erfolg
In nahezu jeder deutschen Großstadt gibt es eine Bäckerei, die bis vor wenigen Jahren genauso unbekannt war wie all ihre Mitbewerber. Dann wurde dieser Backbetrieb vom Vater auf den Sohn übertragen. Und der junge Diplom-Kaufmann schaffte dann in wenigen Jahren, was dem Handwerker-Vater zeitlebens versagt blieb: Er nahm einige Tausend oder Zehntausend Mark in die Hand und gab dem Handwerksbetrieb seines Vaters ein frisches Gesicht, das er überall bekannt machte. Viele Bäckereien verdanken es weder ihren größeren Brötchen noch ihren günstigeren Preisen oder ihrem freundlichen Service, dass sie heute 18 Filialen betreiben können. Schlüssel ihres Erfolges war allein die Bereitschaft des Inhabers, den Bekanntheitsgrad zu optimieren in einer Branche, in der die meisten anderen Marketingaktivitäten keine so große Bedeutung zumessen.
Beispiel Time-System
Ein klassisches Beispiel für die Strategie „Erfolg dank überragenden Bekanntheitsgrades„ liefert die Firma Time-System in Hamburg: Klaus-Jochen Schaeffer, der Time-System 1982 gründete fiel auf, dass amerikanische Zeitplanbuchspezialisten bis zu 40% ihres Umsatzes in Werbung investierten, während deutsche Anbieter es regelmäßig bei 5% des Umsatzes bewenden ließen. Herr Schaeffer entschloss sich, diese Lücke zu nutzen. Er sagte sich, wenn ich 25% meines Umsatzes für Marketing ausgebe, dann werde ich bei gleichem Umsatz wie meine Mitbewerber im deutschen Management bewusst oder unbewusst den Eindruck erwecken, schon fünf Mal größer, bekannter und erfolgreicher zu sein. Eines zeigt dieses Beispiel sehr deutlich: Wem es gelingt, bei gleicher Leistung einen höheren Bekanntheitsgrad zu erzielen, der hat im Wettbewerb die Nase vorn.
Ein besonders gelungenes Beispiel für einen Expertenstatus, der zum Teil auf seinen überragenden Bekanntheitsgrad zurückzuführen ist, liefert auch der Münchener Orthopäde Dr. Hans Wilhelm Müller-Wohlfahrt. Er ist ca. 80% meiner Seminarteilnehmer von Flensburg bis Berchtesgaden ein Begriff.
Was zeichnet Dr. Müller-Wohlfahrt aus? Ist er tatsächlich der beste deutsche Orthopäde? Eines steht sicher fest: Wie ich aus der Einschätzung vieler Bundestrainer und einiger Top- Athleten weiß, die sich bei Sportverletzungen von Dr. Müller-Wohlfahrt behandeln lassen, ist er ein hervorragender Arzt. Aber das allein kann seinen Erfolg nicht erklären. Sein Marketinggeheimnis: Müller-Wohlfahrt ist der Vereinsarzt von Bayern München, der Betreuer der deutschen Fußballnationalmannschaft und der Sporthausarzt einiger Superprominenter wie Boris Becker. Das Geheimnis seines Marketingserfolges:
Star-Kunden sind oft Sprungbrett zum eigenen Star-Status!
Das Marketingkonzept von Dr. Müller-Wohlfahrt in München kann jeder Orthopäde ebenfalls für sich nutzen: vielleicht hat der VFL Bochum sich schon für einen Vereinsarzt entschieden, so dass diese Position nicht mehr zu vergeben ist. Dann ist halt etwas Kreativität angesagt: Wie wäre es zum Beispiel mit der örtlichen Eishockeymannschaft? Da wird härter gespielt als im Fußball und deshalb geht dort auch öfter etwas kaputt. Ein Sportarzt, der mit seinem Eishockeyteam die Deutsche Meisterschaft gewinnt, dürfte für die meisten Freizeitsportler überzeugend nachgewiesen haben, dass er ein Experte ist… Reinhard Rauball, der frühere Präsident von Borussia Dortmund, ist im Hauptberuf Rechtsanwalt und – wie mir erzählt wurde – Inhaber einer der führenden Anwaltskanzleien in Dortmund. Er selbst hat sich nicht nur als Spezialist der deutschen Sportgerichtsbarkeit einen Namen gemacht, sondern profitiert auch davon, dass viele Menschen, die einen Anwalt brauchen, sich an seine Kanzlei wenden. Eine Erfahrungsregel: „Wer viel Zeit als Sportfunktionär investiert, der wird auch ein hervorragender Rechtsanwalt sein„ ist sicher nicht Bestandteil der allgemeinen Lebenserfahrung. Aber wir wollen unserem Anwalt vertrauen. Und wenn wir nur einen Anwalt kennen, der in einem anderen Kontext einen exzellenten Ruf genießt, dann vertrauen wir ihm auch sonst.
Zusammengefasst: Der Aufbau eines Expertenstatus verlangt von uns allen mehr als harte Arbeit. Wir müssen auch bereit sein, unseren teuersten Sprachfehler abzustellen, nämlich: Unsere Unfähigkeit, nein sagen zu können. In der Beschränkung auf das Wesentliche zeigt sich der Meister, sagt der Volksmund. Und damit hat er Recht. Wer in den zunehmend transparenter werdenden Märkten der Welt von morgen die Nase vorn haben will, der muss einer bestimmten Zielgruppe ein sichtbar besseres Nutzenangebot machen als die Konkurrenz. Gelingt ihm dies, wird er nach den Gesetzen des Magnetmarketing einen Sog auslösen, der im Hochgeschwindigkeits-Netzwerk der neuen Wirtschaft ihm schneller und preiswerter neue Kunden zuführt als je zuvor. Wer diese Chance verschenkt und weiter hofft, mit seinem Bauchladen-Angebot bestehen zu können, in dem er von einer scheinbar interessanten Zielgruppe zur nächsten hüpft, der wird die Schlacht um die Märkte von morgen verlieren. Kluge Zielgruppenbesitzer bestimmen ihr Marktsegment so, dass sich Mund-zu-Mund-Propaganda zu ihren Gunsten auf natürlichem Wege fortsetzen kann.
Alexander Christiani
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