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Schule und Sehen

11. Fielmann Akademie Kolloquium
Schule und Sehen

Schülerinnen und Schüler haben eine Vielzahl von Informationen in relativ kurzer Zeit aufzunehmen und zu verarbeiten. Dem Sehsinn kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Störungen der visuellen Informationsaufnahme und -verarbeitung können den Lernfortschritt beeinträchtigen. Durch aufmerksames Beobachten der Schulkinder können Sehbeeinträchtigungen frühzeitig erkannt werden.

Interdisziplinärer Zusammenarbeit
Zur Begleitung der Kinder und ihrer Eltern ist ein professioneller Umgang unterschiedlicher Berufsgruppen geboten. Pädagogische, medizinische und optische Maßnahmen haben einander zu ergänzen: Lehrer, Augenärzte und Augenoptiker sind gefordert. Von interdisziplinärer Zusammenarbeit und gegenseitigem Verständnis profitieren Schülerinnen und Schüler. Welchen Einfluss auf die Schulleistungen nehmen die verschiedenen Sinne? Wie äußern sich Sehschwierigkeiten in der Schule? Was tun, wenn eine einfache Brille nicht reicht? Wie können Kinder mit Seheinschränkungen in den Unterricht integriert werden? Wie wichtig ist die Schulsportbrille?

Am 30. Oktober 2010 wurden diese und viele weitere Fragen beim 11. Fielmann Akademie Kolloquium im Schloss Plön diskutiert. Über 250 Teilnehmer, darunter Augenoptiker Norddeutschlands, Vertreter der augenoptischen Industrie, Studenten und Meisterschüler sowie zahlreiche Pädagogen folgten der Einladung der Fielmann Akademie Schloss Plön.
Eröffnung der Veranstaltung
Eröffnet wurde die Veranstaltung durch Lars Hellberg, Geschäftsführer der Fielmann Akademie Schloss Plön, und Prof. Dr. Hans-Jürgen Grein, Leiter des Bereichs Wissenschaft und Lehre der Fielmann Akademie Schloss Plön sowie Professor für Optometrie an der Fachhochschule Lübeck. Hellberg zeichnete kurz die bisherige Entwicklung der Fielmann Akademie Schloss Plön nach, die seit 2004 als gemeinnützige Bildungseinrichtung für die gesamte augenoptische Branche besteht und wies auf die lange optische Tradition der Optik in Plön hin. Prof. Grein gab einen Ausblick auf den Nachmittag und die Vielfalt der interdisziplinären Herausforderungen in Bezug auf gutes Sehen im augenoptischen und schulischen Alltag.
Landesförderzentrums Sehen
Der fachliche Teil des Nachmittags wurde durch den Schirmherrn der Veranstaltung, Dr. Ekkehard Klug, Minister für Bildung und Kultur des Landes Schleswig-Holstein, eröffnet. In einem Impulsreferat wies Dr. Klug auf die Herausforderungen hin, die sowohl ein fehlsichtiges Kind selbst, als auch die das Kind umgebenden Fachleute erwartet. Er erläuterte die Wichtigkeit des Landesförderzentrums Sehen in Schleswig, das als „Schule ohne Schüler“ seit fast drei Jahrzehnten die dezentrale, wohnortnahe Versorgung sehbehinderter Kinder in Schleswig-Holstein sicherstellt. Abschließend warb Dr. Klug für das Modell der inklusiven Beschulung und stellte seine Bedeutung zur Erhöhung der Bildungschancen sehbehinderter Kinder dar.
Verstehen, was andere nicht sehen
Olaf Schmidt, Dipl.-Ing. (FH) Augenoptik und Ralf Cordes, Dipl.-Ing. (FH) Physikalische Technik und Augenoptikermeister, beide Dozenten an der Fielmann Akademie Schloss Plön, machten in ihrem insbesondere an Pädagoginnen und Pädagogen gerichteten Vortrag „Verstehen, was andere nicht sehen“ die visuellen Auswirkungen einer nicht korrigierten Fehlsichtigkeit deutlich. Auf leicht verständliche und unterhaltsame Weise zeigten Schmidt und Cordes, wie die visuelle Leistungsfähigkeit durch nicht korrigierte Myopien und Hyperopien in schultypischen Situationen, wie dem Unterricht, dem Lesen des Tafelbilds und dem Schulsport, beeinträchtigt sein kann. Da das Sehen im Schulsport neben dem Antizipieren und der körperlichen Koordination auch einen Sicherheitsaspekt habe und bei schlechtem Sehen Verletzungsgefahr drohe, stand dieser Aspekt im Zentrum des Vortrags. Weiterhin wurde aufgezeigt, wie visuell induzierte Leistungseinschränkungen einer Schülerin bzw. eines Schülers besser und früher erkannt werden können. Abschließend wiesen die Vortragenden auf erkennbare Auffälligkeiten hin, die von einer Fehlsichtigkeit herrühren können.
Sehen im Schulsport
Dr. Gernot Jendrusch vom Lehrstuhl für Sportmedizin und Sporternährung der Ruhr-Universität Bochum betonte in seinem Vortrag „Sehen im Schulsport“ zunächst den Zusammenhang zwischen Sehleistung und motorischer Leistungsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler. Weiterhin stellte er die Studie „Fehlsichtigkeit im Schulsport“ vor, die von der Arbeitsgemeinschaft Sicherheit im Sport (ASiS) durchgeführt wurde. In der Studie wurden die motorische und visuelle Leistungsfähigkeit von insgesamt 274 Schülerinnen und Schülern untersucht. Dr. Jendrusch zeigte auf, dass 33% der getesteten Kinder, so wie sie am Schulsport teilnehmen, als „korrektionsbedürftig fehlsichtig“ einzustufen seien und dass Kinder, die als „fehlsichtig“ eingestuft wurden, eine signifikant schlechtere motorische Leistungsfähigkeit im Vergleich zu „Normalsichtigen“ erreichten.
Richtige Beleuchtung!
Anne Henriksen, Sonderpädagogin und Low Vision Trainerin am Landesförderzentrum Sehen in Schleswig wies in ihrem Vortrag auf die besondere Wichtigkeit der richtigen Beleuchtung bei der Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit Sehbehinderungen hin. Eine gute Beleuchtung sei in der Lage die Sehleistung zu verbessern, den Vergrößerungsbedarf zu vermindern und das Erkennen von schwachen Kontrasten zu ermöglichen. Umgekehrt könne eine schlechte Beleuchtung zu Blendung und damit zu einer Herabsetzung der Sehleistung und zu subjektiver Beeinträchtigung führen. Henriksen betonte, dass gutes Licht nicht nur bei Kindern und Jugendlichen mit Sehbehinderungen zu besseren Sehleistungen führe, sondern auch bei Lehrern und Mitschülern zu entspanntem Sehen, zu höherem Wohlbefinden und besseren Konzentrationsleistungen beitrage.
„Ich sehe so, wie Du nicht siehst“
Hilke Oberländer, Orthoptistin aus Hamburg zeigte in ihrem Vortrag „Ich sehe so, wie Du nicht siehst“ auf unterhaltsame Weise, wie individuell unterschiedlich die visuelle Wahrnehmung sein kann. Sie machte zunächst deutlich, dass das Reizmuster der Netzhaut, das bei der Abbildung einer visuellen Szene entsteht, keine bedeutungshaften und verlässlichen Hinweise über die Umwelt enthalte. Erst in Verbindung mit dem Gedächtnis- und Bewertungssystem und dem Bewusstsein würden die frühen, grundlegenden Verarbeitungsstufen schließlich zu kognitiven Prozessen, zu Wissen, zu einer Wahrnehmung. Das, was letztendlich wahrgenommen werde, sei allerdings interindividuell sehr verschieden und nur schwer vergleichbar. Mit diesem Bewusstsein könne man ein besseres Verständnis für die Kinder entwickeln, sie stärken und ihnen Hilfestellungen an die Hand geben, die den schulischen Alltag und das Leben erleichtern, so Oberländer.
Asthenopische Beschwerden
Volkhard Schroth, B.Sc. Optom., von der Opti-School Freiburg, erläuterte in seinem Vortrag den möglichen Zusammenhang zwischen unkorrigierter Fehlsichtigkeit, asthenopischer Beschwerden und Lese-Rechtschreibschwäche. Schroth ging zunächst auf Fehlsichtigkeiten, insbesondere Hyperopie und Heterophorie, die häufig mit asthenopischen Beschwerden vergesellschaftet sind, ein. Beim Vorliegen einer Heterophorie benötige das Gehirn einen erhöhten Energieaufwand zur Feinsteuerung und Verschmelzung der beiden Bilder. Er stellte dar, dass Prismenbrillen in diesem Fall ein geeignetes Mittel sein können, Sehstress zu minimieren und wieder ein anstrengungsfreies Sehen möglich zu machen.
Störungen des beidäugigen Sehens
Den Abschluss des ersten Teils bildete der Vortrag von Dr. Christian Kandzia von der Klinik für Augenheilkunde des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein. Er berichtete in seinem Vortrag von Störungen des beidäugigen Sehens aus augenärztlicher Sicht. Ziel des Vortrags sei, so Kandzia, das Bewusstsein aller an der Entwicklung des Kindes Beteiligter für binokulare Sehstörungen zu wecken. Es sei wichtig, dass Eltern wie Lehrer, aber auch umso mehr behandelnde Kinderärzte den Zusammenhang binokularer Sehstörungen mit den verschiedensten daraus resultierenden Symptomen kennen, um dem Kind den langen Weg durch verschiedene therapeutische Instanzen zu ersparen und frühzeitig den strabologisch versierten Augenarzt zu involvieren. Sehr häufig könne die therapeutische Intervention im Sinne einer Stabilisierung der Binokularität eklatante Symptome komplett zum Rückgang bringen und dem Kind nicht nur ein unbeschwertes Sehen, sondern darüber hinaus den Rückgang sekundärer Symptome verschaffen. Viele binokulare Störungen seien allerdings nur auf chirurgischem Wege zu lösen. Um so wichtiger sei es also, dass Eltern, Lehrern und den beteiligten Behandlern die Gefahrlosigkeit und die minimale Traumatisierung eines solchen Eingriffs bekannt sind, um dem Kind die weitestgehend unberechtigte Angst zu nehmen.
Workshops
Nach einer kurzen Pause wurde die Veranstaltung mit vier parallel veranstalteten Workshops fortgesetzt. Ein von Volkhard Schroth, B.Sc. Optom., Opti-School Freiburg, geleiteter Workshop beschäftigte sich mit „Refraktion bei Schulkindern“. Anhand von Beispielen wurden Verfahren zu Testung von Sehfunktionen und zur Refraktionsbestimmung bei Kindern vorgestellt und veranschaulicht. Schroth verdeutlichte die Wichtigkeit, ein Verständnis dafür zu entwickeln, wie man bei Schulkindern Sehfunktionen testen und dies in eine Routine integrieren kann.
Sabine Kampmann, Orthoptistin und Augenoptikerin sowie Geschäftsführerin der Low Vision Stiftung, und Ivonne Krawczyk, Dipl. Optometristin, M.Sc., Dozentin an der Fielmann Akademie Schloss Plön, leiteten den Workshop „Technische und optische Hilfsmittel für sehbehinderte Kinder“. Die Vortragenden wiesen darauf hin, dass zwar im Falle einer Sehbehinderung oft noch die Lesefähigkeit durch optisch und elektronisch vergrößernde Sehhilfen erreicht werden könne, der Umgang von Kindern mit solchen Hilfsmitteln sich aber wesentlich von dem der Erwachsenen unterscheide. In diesem Workshop wurden geeignete Hilfsmittel vorgestellt und die Besonderheiten im Gebrauch erläutert. Frank Laemers, Sehbehindertenpädagoge aus Dortmund leitete den Workshop „Sehauffälligkeiten in der Schule – pädagogische Aspekte der Unterstützung und Förderung bei Schüler/innen mit und ohne Sehbehinderung“. Er stellte nochmals heraus, dass Schülerinnen und Schüler mit Sehproblemen besonderer Unterstützung im Schulalltag bedürfen. Durch geschickte Gestaltung der Lernumgebung könne ein hohes Maß an Integration der Betroffenen erreicht werden. Vielfältige Hilfsmittel stünden zur Verfügung, so Laemers, und bedürften der Einbindung in das pädagogische Konzept. Dabei müsse Rücksicht auf Art und Ausprägung der Sehprobleme genommen werden, um eine individuelle Förderung möglich zu machen.
Der Workshop „Beurteilung des funktionalen Sehens – Bedeutung für den Schulalltag“ wurde von Anja Treumer, Sehbehindertenpädagogin und Orthoptistin, und Brigitte Kutsch, Sozialpädagogin und Orthoptistin vom Landesförderzentrum Sehen in Schleswig, geleitet. Es wurde herausgestellt, dass Variablen wie z. B. Helligkeit, Tageszeit, gesundheitlicher Allgemeinzustand oder Faktoren wie Vorerfahrungen und Motivation bei der Ermittlung, wie das Sehen bei alltäglichen Aufgaben eingesetzt wird, berücksichtigt werden sollten. Weitere wichtige Kriterien, die zum funktionalen Sehen gehören, seien die Auge-Hand-Koordination, die Farb- und Formerkennung sowie die Gesichts-, Bewegungs- und Kontrastwahrnehmung. Die gesammelten Informationen sollten Lehrern und Eltern helfen, pädagogische Maßnahmen zu planen und die Entwicklung der Kinder zu fördern.
Zusammenspiel der Wahrnehmungssinne
Prof. Dr. Eckhard Hoffmann vom Studiengang Augenoptik und Hörakustik der Hochschule Aalen erläuterte in seinem Vortrag die Wichtigkeit des Zusammenspiels der Wahrnehmungssinne beim Lernprozess. Er wies darauf hin, dass die Erkennung von Beeinträchtigungen des Wahrnehmungssystems notwendig sei, um Kindern die Chance zu geben, den Lernstoff uneingeschränkt aufzunehmen. Weiterhin berichtete Prof. Hoffmann von Ergebnissen des im Jahr 2007 gestarteten interdisziplinären Projekt „Schnecke – Bildung braucht Gesundheit“. Im Rahmen des Projekts wurden Hör- Seh- und Gleichgewichtsprüfungen bei mehr als 8.000 Schülern aller Altersklassen und aller Schulformen durchgeführt. Es zeigte sich, dass es bei allen drei getesteten Wahrnehmungssinnen einen Zusammenhang zwischen der Wahrnehmungsleistung und den Schulnoten in den Fächern Deutsch, Mathematik und Sport gibt. Als Konsequenz aus diesen Ergebnissen werde ein spezielles Programm zur neurosensoriellen Bildungsförderung entwickelt, um die Sinne auf verschiedenen Ebenen zu trainieren. Es sei so konzipiert, dass es in den Schulalltag problemlos integriert werden könne und damit allen Kindern eine Chance zur Verbesserung der Wahrnehmungsleistung biete und so eine Unterstützung des Lernprozesses darstelle.
Landesförderzentrum Schleswig
Den Abschluss des Nachmittags bildete der Vortrag von Ute Hölscher, 2. stv. Leiterin des Landesförderzentrums Sehen in Schleswig (LFS). Sie gab zunächst einen Überblick über grundlegende Begriffe aus dem Bereich der Sehbehinderung. Dann stellte Hölscher ausführlich das Landesförderzentrum Schleswig, seine Geschichte und seine vielfältigen Tätigkeitsbereiche vor. Das LFS betreue zurzeit mit 80 Mitarbeitern 903 Schüler und zeichne sich insbesondere durch seine Multiprofessionalität aus. Besonders stellte Hölscher das Konzept der Inklusion heraus, in dem sich das System im Gegensatz zur Integration, ganz auf die Bedürfnisse der Kinder einstelle. Bei der Umsetzung dieses Konzeptes sei Schleswig-Holstein zwar im Ländervergleich Vorreiter, es bestehe aber weiterhin deutlicher Nachholbedarf im europäischen Vergleich. Abschließend betonte Hölscher, dass die in Deutschland einzigartige Struktur des LFS sich seit fast 30 Jahren bewährt habe. Im Rahmen der Diskussion um Inklusion habe das LFS auch international Anerkennung gefunden und diene als Beispiel für ein gelungenes Unterstützungssystem zur gesellschaftlichen Teilhabe sehgeschädigter Menschen.
Podiumsdiskussion
In der anschließenden Podiumsdiskussion entwickelte sich ein interessantes Gespräch zwischen dem Auditorium und den Vortragenden. Hierbei ging es insbesondere um den Zusammenhang zwischen Wahrnehmungs- und schulischen Leistungen sowie um die Zusammenarbeit der verschiedenen Professionen, die zur optimalen Betreuung sehbehinderter Kinder beitragen. Bei einem Imbiss wurde dann noch eine Weile gefachsimpelt.
Auch das 11. Fielmann Akademie Kolloquium war ein kurzweiliger und vor allem informativer Nachmittag. Sehr erfreulich war die hohe Anzahl fachlich interessierter Augenoptiker und Pädagogen, die den Weg ins Schloss fanden und mit interessanten Fragen zum Gelingen der Veranstaltung beigetragen und für einen neuen Teilnehmerrekord in der Geschichte des Fielmann Akademie Kolloquiums gesorgt haben.
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