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Von Ames-Räumen und Backhäusern

Optometrie
Von Ames-Räumen und Backhäusern

Ein Ames-Raum ist ein trapezförmiger Raum mit unterschiedlicher Höhe gegenüberliegender Wände, bei dem Fenster und Einrichtungsgegenstände so schief gestaltet sind, dass der Raum insbesondere bei monokularem Blick ohne Bewegungsparallaxe normal rechtwinklig erscheint. Normale Gegenstände in diesem Raum erscheinen verzerrt, und eine sich in dem Raum bewegende Person scheint ihre Größe zu ändern.(aus Wörterbuch der Optometrie, Enke Verlag)

Ulla Schmidt Fotos: Frank Herrmann

Prof. Bernd Lingelbach (FH Aalen)/www.leinroden.de
Ein Backhaus ist schlicht ein Haus, in dem gebacken wird.
Ames-Räume und Backhäuser haben nichts miteinander zu tun. Im allgemeinen. Hier im besonderen gibt es einen gemeinsamen Nenner: Prof. Bernd Lingelbach von der FH Aalen. Wie es dazu kam, ist eine lange Geschichte und die fing in den 70er Jahren an.
„Mein Diplom in Physik hatte ich gerade in der Tasche. Ich machte was mit Farben und wollte da doch mehr lernen“, erinnert sich Bernd Lingelbach. „Damals konnte man sich noch für ein Zweitstudium in Medizin bewerben, was ich dann getan habe. Ich hatte einen Platz und hätte sogar ein Stipendium bekommen, dafür musste mir nur jemand bescheinigen, dass ich nicht ganz blöd bin.“
Er kam in das physiologische Institut zu Prof. Haberich in Marburg und war im gleichen Augenblick mit der Augenoptik verbunden, ohne auch nur etwas davon zu ahnen. Denn Prof. Haberich bestimmte dem jungen Mann: „Sie studieren nicht Medizin, sondern fangen nächste Woche bei uns als Assistent an und studieren nebenbei Humanbiologie.“
Da für Lingelbach die Medizin nur ein Umweg gewesen wäre, um in die Physiologie zu kommen, war er einverstanden; als er seinem Professor dann noch erklärte, er wolle am liebsten ‘Optik machen’, wusste dieser sein Glück kaum zu fassen. Prof. Haberich erhoffte sich den Aufbau einer Optikabteilung von seinem jungen Mitarbeiter. „Am Anfang war ich total auf mich allein gestellt. Ich war blutiger Anfänger und alles hat enorm Zeit gekostet,“ wundert sich Bernd Lingelbach im nachhinein über seine Anfangsjahre in der physiologischen Optik. „Ich kann mich nicht so dumm angestellt haben,“ erzählt er weiter, „denn etwas später bekam ich ein Stipendium für ein Jahr Berkeley und habe dort zum ersten Mal ein richtiges Labor gesehen. Ein Labor dazu mit Weltruf. In dieses Labor kam jeder von dem man dachte, er sei ein richtiges Denkmal. Als ich mit ‘Hi, this is Francis’ telefonierte, mußte ich hinterher feststellen, dass es Francis Crick gewesen war, der mit der Jahrhundertentdeckung DNS! Weil er am nächsten Tag ins Labor kommen wollte, wurde alles abgedeckt, was er nicht sehen sollte und zur Krönung des nächsten Tages ein Fast-Food-Lokal mit Francis Crick aufgesucht.“
An diesen selbstverständlichen Umgang mit der optischen Prominenz gewöhnte sich Bernd Lingelbach recht schnell, nachdem u.a. auch Bela Julesz, Christopher Tylor, Richard Gregory, Stuart Anstis und viele andere Gäste in Berkeley gewesen waren. Die Umstellung auf die ‘Isolation’ in Marburg fiel dementsprechend schwer aus. „Man konnte schon mal in eine depressive Phase kommen.“
Zu einer damals von Peter Fanti organisierten VDC-Tagung kam er zum ersten Mal nach Aalen, einem Ort, den er erst auf der Landkarte suchen musste. Dort traf er auf Rudi Hilz und Heinz Diepes, die er beide natürlich schon lange kannte. „An der Uni ist die wirkliche Augenoptik doch recht fern,“ bestätigt Bernd Lingelbach. Ein Jahr später erfuhr er zufällig, dass eine Stelle ausgeschrieben war. Er bewarb sich – einen Tag zu spät – konnte durch habilitatinsäquivalente Arbeiten und die Promotion in physiologischer Optik überzeugen und trat ‘seinen Dienst’ 1985 an. In diesen Jahren pendelte er vom nordhessischen Marburg in das württembergische Aalen. Das änderte sich kurz nach seiner Heirat mit seiner besten Studentin. In Abtsgemünd, einem selbst für württembergische Verhältnisse kleinen Ort, stand ein altes Bauernhaus zum Verkauf, das erworben und liebe- und kostenintensiv aus- und umgebaut wurde. „Ausschlag für den Kauf des Hauses,“ versichert Bernd Lingelbach glaubhaft, „war das Backhaus im Garten.“ Heute ist er Besitzer einer Hubknet-Maschine mit Drehstrom-Anschluss und backt das Brot für Familie und Freunde selbst.
Auf einem der berühmten Feste in der familieneigenen Scheune mit viel Bier und Schwärmerei über Berkeley wurde dann eine Idee geboren, die die Existenz des Ames-Raums erklärt. Im Exploratorium in San Francisco steht ein Ames-Raum und ein Student erklärte in bierseliger Laune, einen solchen Ames-Raum in der Scheune bauen zu wollen.
1994 wurde eine Diplom-Arbeit daraus, der Raum stand und steht noch. „Im Frühjahr letzten Jahres luchsten Vertreter des Museum Ludwig in Köln uns die Pläne ab, um einen Ames-Raum für eine Sonderausstellung zu bauen,“ ist Bernd Lingelbach stolz und fährt fort: „Das war damals der Einstieg. Dann kam eine Idee nach der anderen.
Einen großen Sprung gab es 1999. Auf dem Wissenschaftsjahrmarkt in Stuttgart anlässlich der Sonnenfinsternis zeigten wir optische Täuschungen, die wir heute auch an Augenoptiker ausleihen.“
Zu Hause sind die optischen Täuschungen in der großen Lingelbach-Scheune, zu jeder Festivität anzusehen und auszuprobieren. Auf Anfrage und nach Absprache gibt es aber auch Führungen durch Haus und Scheune. Dort kann sich jeder gern informieren, was Ames-Räume und Backhäuser miteinander zu tun haben.
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