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Treue (3)

Ergra Opticiens en Contactlensspecialisten, Den Haag
Treue (3)

Aller guten Dinge sind drei in unserer kleinen Reihe der ältesten ausländischen Abonnenten des AUGENOPTIKERs. Diesmal bin ich nach Holland gefahren. Nach Den Haag – dem Regierungssitz der holländischen Königin. Die Königin habe ich nicht gesehen, aber Gustave Dekker, den heutigen Inhaber von Ergra.

Gustave Dekker ist jünger als sein Abo. Deutlich jünger. Außerdem ist er Augenoptikermeister. Das ist in den Niederlanden auch nicht unbedingt selbstverständlich, selbst wenn man ein augenoptisches Fachgeschäft führt. Aber das erkläre ich später.

Zunächst fangen wir mit dem Großvater an, der nicht Dekker sondern Grates hieß und Deutscher war. Er tat sich zusammen mit einem Herrn namens Ern. Beide Namen zusammen ergaben das Kunstwort Ergra. Seit 1927 gab es dann einen Laden, der Optik und Eisenwaren (Besteck) im Programm hatte. Für die damalige Zeit durchaus üblich. Der Großvater wurde Niederländer, der Betrieb wuchs und hatte irgendwann ‚nur’ noch Optik.
Als Grates plötzlich starb, hatte sein Schwiegersohn zunächst ein Problem. Er war Bankkaufmann, arbeitete in West Afrika und war gar nicht begeistert. Trotzdem kam er zurück, übernahm die Geschäfte seines Schwiegervaters und stellte fest, dass sie dringend saniert werden müssten. Er hatte dann die Wahl, entweder weiterzumachen und die Läden zu verkaufen, wenn sie saniert waren oder einen großen Verlust in Kauf zu nehmen. Er sanierte und blieb dabei.
Solide Ausbildung
Irgendwann, 1996, war wiederum sein Sohn, der heutige Inhaber Gustave Dekker, alt genug, eventuell die Läden zu übernehmen. Dekker hatte BWL studiert und wollte eigentlich nur ein Praktikum absolvieren. In Holland ist der Meisterzwang aufgehoben. Jeder, der sich dazu berufen fühlt, kann ein augenoptisches Geschäft aufmachen. Die Dekkers hatten andere Pläne und bevorzugten eine solide Ausbildung. Der Junior sollte nach Berlin gehen und bei Söhnges – mit dessen Senior der Großvater Grates zur Schule gegangen war – lernen. Aus einem halben Jahr in Deutschland wurden drei Jahre Lehre. Anschließend die Meisterschule mit Prüfung in München. Acht Jahre Deutschland. „Die Holländer sind nicht so diszipliniert wie die Deutschen. Bei uns werden viele Sachen lockerer gesehen. Trotzdem haben wir gedacht, es bricht die Hölle los, als der Meisterzwang aufgegeben wurde. Aber nichts geschah. Keiner wollte sich in Sachen Optik selbständig machen. Das war ein viel zu kompliziertes Geschäft. Nur für die Großketten ist alles einfacher geworden. Die suchen überall Schulabgänger und schicken sie in eigene Kurse. Dann stehen die nach drei Wochen im Laden rum. Gut ausgebildete Leute sind extrem selten und kaum zu bekommen. Sogar Fielmann musste seine Pläne für die Niederlande aufgeben, weil er keine Leute bekommen konnte.“ Dekker erzählt, dass er den AUGENOPTIKER vor allem dazu nutzt, nach gut ausgebildeten deutschen Augenoptiker zu inserieren. Die bekommen dann einen Schnell-Sprachkurs verpasst und können nach ihrer Kündigungszeit direkt in Holland anfangen zu arbeiten. „Nur leider drängt nicht jeder gut ausgebildete deutsche Augenoptiker nach Holland.“
Von den insgesamt 21 Mitarbeitern der Firma kommen vier oder fünf Leute aus Deutschland. Ergra hat vier Filialen in Den Haag. Wenn auch die Pro-Kopf-Situation in Holland etwas günstiger aussieht als in Deutschland, sind doch vier Geschäfte eine große Aufgabe. „Ich hätte viel lieber einen großen Laden als vier kleinere“, meint Dekker. Er müsste eigentlich einige Läden mehr haben, um besser existieren zu können. Das in Ergras Marktposition zu händeln, ist sehr arbeitsintensiv. Die Zeiten sind schwierig – auch in den Niederlanden. Über eine Nachfolge macht sich der knapp 40-Jährige noch keine Gedanken. „Wer weiß, ob die Optik noch so interessant ist, wenn ich einmal 65 Jahre alt bin. Bis dahin kann noch ungeheuer viel passieren. Wir schaffen es bis zum Rentenalter. Was danach kommt, ist fraglich. Es gibt sicher immer noch das Nachwuchsproblem. Hier in den Niederlanden gibt es einige Geschäfte mit gutem Namen. Die Leute können sie aber nicht verkaufen, weil die jüngere Generation keine Lust hat – wahrscheinlich auch kein Geld.“
Dekker trifft sich regelmäßig mit seinen Optikerfreunden aus Deutschland. Großes Thema ist dann immer Betriebswirtschaft, was ihn auch im AUGENOPTIKER interessiert. Er liest gern Deutsch und findet die deutsche Sprache genauer. „Ich schätze aber, dass wir hier in Holland auf dem Gebiet Marketing weiter sind. Ich merke das auch bei den Gesprächen mit meinen Optikerfreunden. Wir sind auch weiter darin, mit der Konkurrenz umzugehen. Da könnten die deutschen Augenoptiker noch was von uns lernen.“
Sind Niederländer weiter?
Vielleicht können wir den Augenoptiker und Betriebswirtschaftler Dekker überreden, einen Beitrag für uns zu schreiben. Dann können Sie selbst feststellen, ob die niederländischen Augenoptiker ein Stückchen weiter sind. Weiter sind sie jedenfalls schon mit der EDV. Ungefähr sieben Zulieferer haben sich in einer virtuellen Infrastruktur zusammengeschlossen und bieten das Programm an, das in den Ergra-Läden im letzten Jahr installiert wurde. Darüber entsteht dann die Buchhaltung, es wird Glas bestellt, es werden Mailings erstellt usw. Alles funktioniert webbased. Das ist doch schon mal was!
Keine Frage ist für ihn die Berechnung seiner Dienstleistung. Im Laden hängt eine Aufstellung, was wie viel kostet. Jeder Kunde kann das einsehen und ist daran gewöhnt, für eine Dienstleistung zu zahlen. „Wenn Sie sich einen Wagen kaufen für 20.000,- Euro, kosten die Extras doch auch. Letztendlich landen Sie mit Überführungskosten, und den vielen notwendigen Extras ganz schnell bei ungefähr 30.000,- Euro. Da sagt kein Mensch was, weil er daran gewöhnt ist. Warum soll das bei der Brille anders funktionieren? Die Preise hängen hier aus, ob man im Einzelfall ganz streng alles berechnet, kann man immer noch abwägen.“ Darin sind den deutschen Augenoptikern die Niederländer wirklich voraus.
Ulla Schmidt
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