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Drei Wochen Paris und Elsass

Leonardo-da-Vinci-Projekt 2008
Drei Wochen Paris und Elsass

Drei Wochen Paris und Elsass
Im Frühjahr 2008 war es wieder einmal soweit. Elf Schülerinnen und vier Schüler der Städtischen Berufsschule für Augenoptik fuhren zusammen mit einem Lehrer für drei Wochen nach Paris und ins Elsass. In den ersten beiden Wochen wurden in Paris am Lycée Technique Fresnel aus Acetatplatten selbstentworfene Brillen gefertigt und in der letzten Woche arbeiteten alle Schülerinnen und Schüler als Praktikanten in elsässischen Augenoptikgeschäften. Sie erwarben dadurch zusätzliche Auslandserfahrung. Wir veröffentlichen den Reisebericht der Gruppe.

Samstags um neun Uhr trafen wir uns im Münchner Hauptbahnhof, um mit der neuen ICE- und TGV-Verbindung nach Paris Est zu fahren. Das geht in Deutschland bis Stuttgart im ICE recht gemütlich und dann im TGV auf der neuen Schnellstrecke nach Paris megaschnell. So ist man etwa zweieinhalb Stunden schneller in Paris als früher.

Nach einem leckeren Frühstück starteten wir sonntags zu einem „Stadtbummel“. Die ersten Programmpunkte waren die Kirchen von St. Germain des Prés und St. Sulpice („Rosenlinie“ aus „Dan Brown – Das Sakrileg“). Danach schlenderten wir durch den Jardin du Luxembourg, am Panthéon vorbei zur Cathédrale Notre-Dame. Außerhalb der Hauptreisezeit hatten wir sogar die Gelegenheit, die Kirche ohne Schlange stehen zu müssen zu betreten und zu besichtigen. Wir betrachteten das Farbenspiel der wunderschönen Fenster und das eindrucksvolle Innere und Äußere. Wegen des Gottesdienstes konnten wir die Kirchenbänke nicht zum Ausruhen benutzen.
Nun machten wir uns an der Seine entlang auf den Weg zum Louvre. Einige fuhren von dort mit der Metro zurück ins Hotel, um ihre Schuhe zu trocknen. Inzwischen hatte es nämlich angefangen ordentlich zu regnen. Die Mehrheit machte eine Pause im Carrousel du Louvre und suchte die auf dem Kopf stehende große Glaspyramide und die dazugehörige kleine Marmorpyramide. Die Säulen des Innenhofs im Palais Royal verführten uns zu einigem an Akrobatik und dann ging es zur Achse Louvre, Tuillerien, Place de la Concorde, Champs Elysées, Arc de Triom-phe. Das inzwischen schöne Wetter veranlasste uns immer wieder zu Pausen in den Parks und gab uns auch Gelegenheit, das Treiben in dieser Großstadt zu beobachten. Vom Place de l’Étoile hatte man einen tollen Blick zurück zum Louvre, aber auch nach La Défense und den Hochhäusern im Westen von Paris.
Weiter ging es, immer noch zu Fuß, zum Trocadéro. Dort erwischte uns ein eisiger Hagelregen und wir fuhren mit der Metro zurück ins Hotel.
Am Montag begrüßte uns Herr Arthuis im Lycée Technique Fresnel. Er erklärte uns den Aufbau der Schule und beschrieb die Ausbildungen, die dort möglich sind. Am Nachmittag begann die Arbeit an der Projektaufgabe in den Werkstätten. Wir hatten zu Hause eine Brille für einen Myopen entworfen und setzten diese Entwürfe in der Pariser Werkstatt in eine Fassung um. Zunächst kitteten wir unsere Entwürfe auf die Acetatplatten und sägten anschließend das Mittelteil und die Bügel aus. Danach feilten wir die Sägeriefen glatt, gaben der Fassung die gewünschte Form und schmirgelten die Bauteile. Bevor die Fassungen poliert wurden, mussten noch die Nuten in die Mittelteile gefräst werden. Anschließend konnte man die Scharniere einschwemmen und die Bügel montieren. Im nächsten Schritt ermittelten wir gegenseitig unsere Pupillendistanzen und die erforderlichen Einschleifhöhen. Dies ermöglichte uns, die von der Rodenstock GmbH zur Verfügung gestellten Brillengläser fachgerecht einzuschleifen. Nach etwa 30 Stunden in der Werkstatt waren wir alle stolze Besitzer einer neuen, individuellen, handgefertigten Brille.
Besuch bei Grand Optical
An einem Vormittag in der ersten Woche besichtigten wir, von Herrn Bourcier geführt, den Store von Grand Optical an der Rue Rivoli. In diesem großen Geschäft werden im Erdgeschoss und im ersten Stock Brillenfassungen, Gläser und Kontaktlinsen verkauft. Im zweiten Stock befinden sich das große Gläserlager, die Einschleifwerkstatt und die Maschinen, mit denen die Rezeptflächen der Brillengläser geschliffen werden. Das Ziel von Grand Optical ist es, einen großen Teil der verkauften Brillen innerhalb einer Stunde an den Kunden abzugeben. Hier konnten wir aus kürzester Distanz sehen, wie die Generatoren die Rezeptflächen schliffen und polierten. Selbst Entspiegelungen können in dieser Werkstatt aufgebracht werden.
Besuch bei Essilor
An einem Nachmittag in der zweiten Woche zeigte uns Frau Bossard das Polycarbonat-Gleitsichtglas-Werk für Europa von Essilor in Antony, im Süden von Paris. Dort verfolgten wir den Weg der Brillenglashalbfertigprodukte aus dem Lager, über das Aufblocken, Schleifen der Rückflächen, dem Färben und Entspiegeln bis hin zur Endkontrolle. Frau Bossard zeigte und erklärte alle Arbeitsschritte und beschrieb die Stellung dieses Werkes innerhalb des Fertigungsverbundes von Essilor.
Ein weiteres Ziel im Rahmen der Fachexkursionen war die Besichtigung der Cité de la Science et de l‘Industrie. Dort gibt es eine riesige Optikabteilung und alle folgten der Empfehlung, möglichst viele Experimente selbst auszuprobieren. Hier ist man stundenlang damit beschäftigt, die verschiedensten Versuche zur Geometrischen Optik, der Wellenoptik, der Schwingungslehre und der Physiologie des Auges durchzuführen. Trockene Schultheorie ist dort experimentell aufbereitet. Der einzige Nachteil sind die französischen Erklärungen – wer kann die schon lesen und verstehen? Gott sei Dank waren einige von uns in der Lage sie zu übersetzen. In La Géode, dem IMAX-Kino der Cité, lief der Film „Ourgan sur la Lousiane“ über die Folgen des Hurrikans Katharina für Saint Louis an und im Planetarium beobachteten wir die Entstehung des Weltalls und die Position der Erde in der Milchstraße.
An den Tagen, die weniger (augen-)optiklastig waren, kümmerten sich alle um ihre sonstigen kulturellen Interessen. So nutzten wir die Nachtöffnung des Louvre an einem Freitag, um ein Must anzuschauen: „La Giaconde“ – oder in Deutsch „Mona Lisa“, von Leonardo da Vinci, dem Namensgeber für das uns fördernde EU-Programm. Auf dem Weg zu dem Gemälde schlängelten wir uns durch die Touristenmengen in dem Louvre-Flügel mit der Malerei des 14. und 15. Jahrhunderts. Wir nutzten die Zeit auch zur Besichtigung der ägyptischen Sammlung und der Mauern der ursprünglichen Burg aus dem 14. Jahrhundert. Diese sind, wie wir es in Geschichte lernten, etliche Meter unter der heutigen Erdoberfläche ausgegraben worden.
Samstagsmorgens unternahmen wir einen Spaziergang durch das Szeneviertel Marais und den Faubourg Saint Antoine. Der Pariser Lehrer, Herr Dreumont, zeigte uns die jüdische Synagoge, den Place des Vosges, diverse 200 Jahre alte Pariser Gebäude und den Markt am Place d’Aligre. Zur Stärkung ging es dann in den „Baron Rouge“. Dort gab es köstlichen Wein, vorzüglichen Käse und Austern.
Weitere kulturelle Highlights waren die Besuche im Musée d’Orsay, einem umgebauten Bahnhof, und im Centre Pompidou, das Dank seiner Röhrenfassade fast jeder von Bildern kennt. Im Musée d’Orsay gab es viele Originalbilder von Monet, Manet, van Gogh, Pissarro sowie Statuen von Rodin zu sehen, die uns in der Realschule und im Gymnasium von den Kunstlehrern als Fotos gezeigt worden waren. Das Kontrastprogramm zu den Impressionisten und Expressionisten des endenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts fanden wir im Centre Pompidou. Die zeitgenössische Kunst des 20. Jahrhunderts empfanden viele von uns als sehr modern und bei manchen Werken war es nicht leicht, einen Zugang zu finden. Die Aussicht über die Dächer von Paris, die das oberste Stockwerk bietet, gefiel jedoch allen.
Den letzten Tag in der Ile de France verbrachten alle gemeinsam in Versailles. Bevor der übliche Touristenansturm beginnen würde, wollten wir in das Schlossinnere. Soweit die Theorie. Das Personal streikte bis 10.30 Uhr. Im Schneeregen besichtigten wir zunächst den Schlosspark und seine verschiedenen Bosquets (eingezäunte Themenbereiche, meist mit Springbrunnen). Erst um 12.30 Uhr – nach zwei Stunden Schlange stehen im Schneeregen – hatten wir die Möglichkeit, in das Schlossinnere zu gelangen. Jetzt sahen wir die Apartements des Königs und der Königin, die Schlosskapelle, den Salle des Glaces (Spiegelsaal) – wieder aus Geschichte bekannt vom Friedensschluss nach dem deutsch-französischen Krieg oder wie die Franzosen ihn nennen „Guerre franco-prussienne“ – und natürlich etliche Schlaf- sowie Repräsentationszimmer.
In der alten Oper von Paris, der Opéra Garnier, wurde während unseres Paris-Aufenthaltes das Ballet „Caligula“ von Nicolas Le Riche aufgeführt. Dies führte dazu, dass elf Schülerinnen sich einen Balletabend gönnten. Begleitet von Antonio Vivaldis „Vier Jahreszeiten“ tanzte das Corps de Ballet und spielte das Leben des blutrünstigen römischen Kaisers Caligula bis zu seiner Ermordung.
Ach, übrigens, wir waren auch noch im Musée des Arts et Métiers (Foucault’sches Pendel und vor allem Technikgeschichte), in La Défense (Hochhäuser), auf dem Montmartre, dem Friedhof Père Lachaise und einige in der Ostermesse in Sacré Coeur.
Nach zwei Wochen Fassungsfertigung, Augenoptik, Sightseeing und Shopping in Paris fuhren wir am Ostersonntag ins Elsass. Dort verteilte sich unsere Gruppe auf drei Städte. In Wissembourg, Haguenau und Strasbourg arbeiteten wir in 14 verschiedenen Augenoptikgeschäften. Unsere Erfahrungen in diesem Praktikum waren enorm. Jeder Betrieb hatte seinen eigenen Charakter. Wir waren in Filialen von Alain Afflelou, Optic 2000, Les Opticiens Mutualistes, Krys, Maurice Frères und in Betrieben kleiner mittelständischer Augenoptiker. Verteilt wurde z.B. unter folgenden Gesichtspunkten: Wer spricht Französisch? Ab nach Strasbourg! Wer arbeitet bei „F“? Schau dich doch bei einem Kleinbetrieb oder in den Optikgeschäften der französischen gesetzlichen Krankenkassen um! Wer arbeitet in einem Kleinbetrieb? Da ist es doch toll, einen Betrieb aus einer französischen Augenoptikergruppierung kennenzulernen. So gemischt lernten wir die unterschiedlichen Betriebsformen und Betriebsorganisationen kennen, verbesserten die Sprach- und Landeskenntnisse und lernten eine ganze Menge Augenoptisches dazu.
Freitags nach Ostern trafen sich alle in Straßburg zum Abschied nehmen. Nach einem Essen in einer Brasserie und einer kurzen Nacht fuhren wir mit dem Zug über Stuttgart nach München.
Danke!
Unser Dank gilt Herrn Dreumont, der uns in der Werkstatt betreute und eine schöne Führung durch das Marais und den Faubourg Saint Antoine in Paris bot und Herrn Arthuis, der die Firmenbesichtigungen und die Werkstattaufenthalte koordinierte. Er gilt außerdem Frau Alexandre, der Schulleiterin des Lycée Fresnel und allen Augenoptikern in Strasbourg, Haguenau und Wissembourg, die uns Einblicke in ihre Geschäfte gewährten. Frau Bossard danken wir für die Führung durch das Essilor-Werk in Antony und Herrn Bourcier für die Führung durch die Grand Optical Filiale an der Rue Rivoli. Unser Dank gilt auch der Rodenstock GmbH, die uns hochwertige Brillengläser in unseren Stärken für die Projektarbeit zur Verfügung stellte.
An dieser Stelle soll noch einmal auf das Programm für lebenslanges Lernen der EU hingewiesen werden, denn mit den Leonardo-da-Vinci-Mitteln wurden fast drei Viertel unserer Aufenthalts- und Fahrtkosten bezahlt.
Jürgen Resch
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