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Die Gesundheitshandwerkerin

Lupen & Mehr, Paderborn
Die Gesundheitshandwerkerin

Annegret Speicher lässt sich gern ‚Gesundheitshandwerkerin’ nennen, denn die Augenoptikerin empfindet sich als genau das. Sie hat sich spezialisiert auf Low Vision und wo andere vielleicht die Segel streichen fängt sie gerade erst an.

Seit ihrer Kindheit ist Annegret Speicher Brillenträgerin und hatte mit 14 Jahren ihr Schlüsselerlebnis. Sie war mit einer Freundin beim Augenoptiker und wusste plötzlich, ‚das könnte mein Beruf werden’. Er wurde. Selbst mit Ehemann und vier Kindern arbeitete sie als Augenoptikerin. Seit 2 ½ Jahren ist sie selbständig, spezialisiert auf Low Vision.

Annegret Speicher ist vielseitig interessiert. Es war für sie selbstverständlich, sich in Augenkrankheiten einzulesen, sich damit intensiv zu beschäftigen. „Ich muss die Krankheiten kennen, wenn ich Sehbehinderte versorgen will und ich muss den Angehörigen erklären können, was eine Makula-Degeneration, ein Glaukom, usw.ist. Dabei ziehe ich die selbstverständliche Grenze: Der Augenarzt macht das, was im Auge ist und wir als Augenoptiker das, was vor dem Auge ist.“
Guten Kontakt hat die Augenoptikerin zu Blindenvereinen, Augenärzten, Schulen, Beratungsstellen usw. Sie unterrichtet zusätzlich an fünf verschiedenen Pflegeschulen Alten- und Krankenpflege. Jeder, der in Paderborn Alten- und Krankenpflege lernt, hat irgendwann einmal bei ihr Unterricht. Der Unterricht beinhaltet je nach Wunsch der Schulen Anatomie und Physiologie des Auges, Fehlsichtigkeiten, Pflege von Menschen mit nachlassender Sehkraft. „Worauf müssen wir achten, wie müssen Räume eingerichtet und Tische eingedeckt sein für Sehbehinderte. Woran erkenne ich nachlassende Sehkraft bei einem Menschen, wenn der sich nicht outet?“ Annegret Speicher hat ihr Hobby zum Beruf gemacht, geht in ihm auf und gibt ihr Wissen gern weiter. Inzwischen hat sich ihre Konzentration auf Low Vision herumgesprochen. Bedürftige suchen sie aus einem 50km-Umkreis auf. Immer nach Terminvereinbarung, denn sie ist viel unterwegs. Selbstverständlich auch auf Veranstaltungen wie der Sight City in Frankfurt.
„Hat man mit Sehbehinderten zu tun, muss man auch schon mal um die Ecke denken“. Ein tragischer Fall im Bekanntenkreis forderte ihre Aufmerksamkeit. Ein junger Mann wurde bettlägerig und musste beatmet werden. Tag und Nacht hatte er die Beatmungsmaske auf der Nase, benötigte aber auch eine Sehhilfe. Da kam es ausschließlich auf Funktionalität und leichte Handbarkeit an. Mit dem Vater des jungen Mannes, einem Werkzeugmacher, machte sich die Augenoptikerin Gedanken über eine Brille. Sie musste über der Maske sitzen, leicht auf- und absetzbar sein, sollte nirgendwo drücken und der junge Mann wollte selbstverständlich auch gut sehen können. „Dann haben wir angefangen zu basteln. Im Gebrauch fanden wir heraus, was machbar war. Zum Beispiel, dass keine Stegplättchen benötigt wurden, da die Fassung ja auf der Maske liegen musste und einiges mehr“. Was dabei herauskam – zweckmäßig und zudem formschön – zeigen wir Ihnen in der Abbildung.
Klar, dass niemand einen solchen Aufwand bezahlen kann. „Das macht man aus Engagement“. Annegret Speicher ist froh, helfen zu können, obwohl auch sie von der Luft allein nicht leben kann. „Von Low Vision allein kann man nicht existieren. Ich habe einen Mann und sehe meinen Verdienst als Nebenerwerb, der vielleicht einmal wächst. Andererseits kann ich mir meine Arbeitszeiten jetzt selbst einteilen. Alternative wären 400-Euro-Jobs, bei denen ich mein Interesse und meine Kenntnis, die ich im Beruf habe, nicht einsetzen kann. Ich lege im Augenblick nicht dazu, aber ernähren könnte ich mich allein noch nicht.“
Vor zweieinhalb Jahren hat sie mit drei Bausteinen angefangen: Schulung von Pflegepersonal, Beratung des Einzelnen und Versorgung des Einzelnen. Dazu gehört der Umgang mit Elektronik für Sehbehinderte. Im Augenblick beschäftigt sie sich mit etwas Neuem, das die Firma Schweizer herstellt. Annegret Speicher ist eine von 100 Augenoptikern, die die Optergo-Brillen bundesweit vertreiben. Fassungen, in denen ein Nahteil mit prismatischer Wirkung eingearbeitet ist. Das soll zum Beispiel dem Zahnarzt bei seiner Arbeit am Patienten helfen. Hat er die Brille auf der Nase, kann er durch das Prisma gerade sitzend am Kopf seines Patienten arbeiten. Wieder eine Sache, die in Annegret Speichers ‚Gesundheitsgeschichte’ passt.
Nicht jeder kann sich so intensiv mit Low Vision beschäftigen. Nicht jeder hat auch das Interesse oder möchte die Zeit dafür aufwenden. Aber wenn Sie im Umkreis von Paderborn leben, wissen Sie ja jetzt, wo Sie eine passende Kollegin finden können.
Ulla Schmidt
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